Wie oft hört man, das Pferd muss durchs Genick gehen. Das Genick soll in der Versammlung der höchste Punkt sein. Wie bei allen biomechanischen Vorgängen lohnt es sich seinen „Röntgenblick“ zu schulen und zu erkunden, was unter dem Fell des Pferdes verborgen liegt.

Eine besonders schöne Formulierung ist jene der „Hergabe des Genicks“. Das lenkt unsere Aufmerksamkeit weg von biomechanischen Tatsachen hin zur Psyche des Pferdes. Hergeben, oder sich hingeben kann sich nur, wer seinem Gegenüber vertraut. Daher wird auch hier klar, dass wir nicht nur mit dem Körper des Pferdes zu tun haben, sondern auch immer mit dem Geist.

Die Halswirbelsäule

Die Halswirbelsäule des Pferdes ist jener Ausschnitt der gesamten Wirbelsäule des Pferdes mit der größten Beweglichkeit. Verspannungen und Bewegungseinschränkungen beeinflussen das Pferd nicht nur in der Bewegung. 7 Wirbel bilden die Halswirbelsäule in ihrer typischen S-Form.

Erster Halswirbel (Atlas)

Der erste Halswirbel wird Atlas genannt. Für ihn ganz typisch sind die sogenannten Atlasflügel, die sich zu einem Ring schließen. Was dem Atlas fehlt sind die typischen Dornfortsätze – gut ertastbar sind aber die beiden Querfortsätze – die oben genanten Atlasflügel. Der Atlas bildet mit dem Hinterhaupt das so genannte Atlanto-Okzipital Gelenk. Dieses Scharniergelenk ist für die Auf- und Abbewegung des Kopfes (für den so genannten Wackeldackel-Effekt zuständig).

Außerdem ist dieses „Ellipsoidgelenk“ für eine seitliche Stellung des Genicks zuständig. Stellung ist aber nur mit einem offenen Genickwinkel –mit so genannter Ganaschefreiheit möglich.

Ist das Pferd losgelassen und entspannt, kann man die Nickbewegungen deutlich sehen. Schwingt ein Vorderbein nach vorne wird der Hals ein wenig gehoben, im Moment des Auffußens senkt sich der Kopf. Ein Pferd, das in der Halsmuskulatur verspannt, kann diese Nickbewegung nicht mehr zulassen, diese Verspannung lässt sich auch am Gangbild entlarven, nicht nur an der fehlenden Nickbewegung. Das Vorschwingen der Beine wird reduziert.

Zweiter Halswirbel (Axis)

Atlas und Axis sind durch einen „Zahn“ verbunden, der in den Atlas hineinragt. Zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel findet eine Rotationsbewegung, also auch eine seitliche Bewegung statt, die aber nicht mit Stellung, wie wir sie im reiterlichen Sinn verstehen, verwechselt werden darf. Hier finden wir also ein Drehgelenk das Atlantoaxial-Gelenk, oder ganz vereinfacht gesagt das „Neinsager“-Gelenk.

Die Bewegung des Pferdekopfes wird somit durch die so genannten Kopfgelenke ermöglicht, dazu gehören eben die Gelenke zwischen Hinterhaupt, Atlas und Axis bezeichnet.

Stellen wir uns ein Pferd vor, dass die Nase weit nach oben nimmt, dann ist eine seitliche Bewegung nicht mehr möglich. Auch wenn das Pferd den Kopf weit hinter die Senkrechte nimmt ist eine seitliche Bewegung nicht mehr möglich.

Nur wenn die Nase vor oder an der Senkrechten ist, wird die seitliche Bewegung möglich.

Wenn sich das Pferd im Genick „verwirft“ kann die seitliche Biegung durch ein über oder hinter die Hand kommen nicht stattfinden, das Pferd muss den Kopf somit durch eine seitliche Rotation im zweiten Halsgelenk verdrehen. Ein Verwerfen im Genick findet also zwischen erstem und zweiten Halswirbel statt.

Zu tief, zu hoch…

Es lohnt zwar, die einzelnen biomechanischen Bausteine zu studieren. Was im Genick passiert, korrespondiert aber im gesamten Pferdekörper.

Ein Pferd wird zu hoch oder zu tief eingestellt den Rücken wegdrücken, oder sich eben verspannen. Der Schwung, der von der Hinterhand, dreidimensional durch die Wirbelsäule fließen soll, wird dann behindert. Das zeigt sich eben auch in der Bewegung bei oben genanntem Beispiel, wenn der „Wackeldackel“ blockiert wird, beispielsweise durch eine festgestellte, oder rückwärts wirkende Hand.

Muskelspiel…

Die einzelnen Wirbel und Gelenke können sich natürlich nicht ohne das Zusammenspiel der Muskeln bewegen. Jene Muskeln, die die Bewegungen im Atlantookzipitalgelenk und im Atlantoaxialgelenk auslösen, sind somit für die Bewegungen des Kopfes zuständig. Dies sind die sogenannten Kurzen Kopf- Halsmuskeln. Das gesamte Muskelsystem muss entspannen, wenn es um die ganz oben beschriebene Hergabe des Genicks geht. In der Bodenarbeit wird somit klar – wer den Kopf des Pferdes lediglich am Kappzaum nach unten ziehen möchte, fordert einen Widerstand heraus. Nur durch eine gefühlvolle Hand kann das Pferd sowohl in der Bodenarbeit langsam lernen den Kopf nach unten hin zu entspannen und sich bei offenem Ganaschewinkel nach links und nach rechts zu stellen.

Ganaschefreiheit

Warum ist ein offener Genickwinkel und Ganaschefreiheit so wichtig? In der Bodenarbeit fragen wir das Pferd zuallererst nach einem Absenken des Kopfes, Wir sehen dann einen deutlich offenen Winkel am Halsansatz hinter der Ganasche. Erst wenn diese Ganaschefreiheit gegeben ist, kann der gleichseitige Unterkiefer nach außen hin rotieren, was für Stellung ungemein wichtig ist. Wenn das Pferd im Genick zu eng ist verhindern zwei Knochenvorsprünge, die links und rechts aus der Schädelbasis ragen Stellung. Diese Knochenvorsprünge ragen bei einer zu engen Einstellung unter die Flügel des ersten Halswirbels und blockieren somit jegliche Seitwärtsbewegung. Wenn das Pferd dann den Kopf durch eine Halsbiegung seitlich bewegt, kann und darf dieser Fehler nicht mit Stellung verwechselt werden.

 

Einen weiteren Artikel über Stellung und Biegung findest du hier

Reisen wir öfter in den Pferdekörper, dann wird das Reiten Einfacher 😉

 

 

 

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