Ich war 14 Jahre alt und war verliebt. In einen Jungen? Quatsch, natürlich in meinem ersten Trakehner, den braunen Wiesenkobold. Meinen „Kobus“ habe ich selbst angeritten. Zunächst hatte ich noch Unterstützung durch eine sehr liebe Bekannte, eine Babypause machte uns jedoch zum Autodidakten. Ich hatte unter Anleitung schon einige junge Pferde geritten. Aber halt noch nie alleine. Trotzdem stellte ich mich sehr selbstbewusst dieser Herausforderung. Mit jugendlicher Einfachheit stellte ich fest: Ich liebe mein Pferd und mein Pferd wendet sich mir auch sehr liebevoll und neugierig zu – was will man mehr. 

Ich habe also longiert, Kobus an Sattel und Zaum gewöhnt und bin dann bald aufgestiegen. Zunächst ritten wir Schritt Runden um die Reithalle und dann immer weiter ins Gelände. Als wir Trab und Galopp dazu nahmen, passierte das auf sehr großer Linie mit meinem Vater und seinem Schimmel Felix voran. So konnte ich die Hilfen geben und hatte einen kompetenten zweiten Pädagogen mit an Bord. Felix hat uns auch bei den indirekten Zügelhilfen geholfen – besonders als innerer, indirekter Zügel, der ein Abbiegen quer über ein Feld im gestreckten Galopp mehr als einmal verhindert hat. 

Ja, es sind auch einige Dinge passiert. Einmal haben wir uns sehr heftig voneinander getrennt, als Kobold einen Haken schlug. Einmal hat er dabei einen funkelnagelneuen Zügel zerrissen und einmal bin ich abgehoben wie eine Rakete, weil ich mir eine Sitzlonge am Grasplatz eingebildet hatte. 

Viele Fehler hätte ich sicherlich vermeiden können, hätte ich ein gut ausgeprägtes Gefühl für Bewegung mitgebracht. Heute würde ich vermutlich viel penibler und sensibler auf das Gefühl von Dysbalance zwischen den Schultern reagiert. Ich würde mehr Achtsamkeit ins Detail legen. Das soll aber dennoch nicht heißen, dass ich mir von meiner Arbeit aus Teenagertagen nicht auch noch etwas mitnehmen kann. 

Wenn zwei Lernende lernen

Ging es damals mit Kobold schief? Nein. Wir hatten zwar auch schwierige Phasen, die ich vermeiden hätte können, wenn ich Kobold die Inhalte besser erklären hätte können. Letztlich konnten wir jedoch alleine ins Gelände gehen, vertrauensvoll miteinander. 

Sollen zwei Lernende lernen? Ist das nicht kontraproduktiv. Mit Sicherheit wäre es ratsam, wenn wir Menschen erstmal durch professionelle Begleitung zum Reiter geschult würden. Aber man kann eben nicht alles haben. 

Die wenigsten Reitschulen bieten die Möglichkeit den Menschen zuerst zum Reiter und dann in weiterer Folge zum Ausbilder zu schulen. 

Wir müssen also selbst lernen – und dabei können wir jeglichen Zeitdruck aussen vor lassen, denn wir reiten ja schließlich „nur“ für uns selbst. 

Wir müssen nicht reiten, wir dürfen. 

Reiterweisheiten

Selbstgemacht und stolz darauf

Es gab Jahre, da hatte ich einmal oder zweimal im Jahr wirklich Praxisunterricht. Ich habe aber trotzdem täglich gelernt. Mein Credo lautet, dass Mensch und Pferd tatsächlich alles lernen können, wenn man eben miteinander spricht. Das funktioniert aber klar nur dann, wenn man eine gemeinsame Sprache hat. 

Einer, mit dem ich liebend gerne spreche ist unser „kleiner“ Amena. 

Amena hat die Grundschule in der Bodenarbeit und im Longieren mit einem Sehr gut abgeschlossen. Es wäre gelogen, wenn ich nun an dieser Stelle schreibe, dass ich jeden Schritt mit ihm in der Ausbildung alleine gegangen wäre. Ebenso wie bei Konrad bin ich bei den ersten Schritten unter dem Sattel am Boden geblieben und habe den Reiter bei der Hilfengebung vom Boden aus unterstützt. 

Hilfen sollen helfen, daher versuchen wir die Hilfen in der Bodenarbeit möglichst exakt an die Hilfen vom Sattel – und umgekehrt – anzugleichen. Jedoch ist der Sitz nunmal der Sitz und man könnte sagen, wir sprechen nun plötzlich mit einem anderen Akzent. In Österreich muss ein Steirer schon sehr konzentriert zuhören, wenn man einen Vorarlberger verstehen möchte. Gleiche Sprache aber prägnanter Dialekt. 

Also bleibe ich bei meinem Jungpferd sehr gerne am Boden als Übersetzungshilfe. Wir wiederholen in einigen Einheiten gemeinsam, was Amena bereits in der Grundschule gelernt hat. Dabei zeige ich ihm nach und nach die verschiedenen Schenkelhilfen sowie die indirekten und direkten Zügelhilfen.

Das folgende Video zeige ich dir heute exklusiv, es ist eigentlich aus meinem Online Kurs Reiten und zeigt unsere erste Einheit ganz alleine und selbstständig

„Bist du gar nicht eifersüchtig, wenn du gar nicht als Erstes auf dem Pferd sitzt“ – das werde ich immer wieder gefragt. Nun, das Aufsteigen etwa habe ich freilich selbst bei Konrad übernommen. Wir haben gemeinsam auf- und absteigen geübt, das fällt für mich aber noch nicht in die Kategorie „(An)Reiten. 

Konrad war ich von seinem Rücken durchaus bekannt, also hatte er keinen Stress, als dann ein Reiter im Sattel Platz nahm. 

Die ersten Einheiten, wobei wir die Buchstaben und den „Dialekt“ neu sortiert haben, kann ich an einer Hand abzählen. Konrad hat so rasch alle Hilfen verstanden. Ich ritt also selbst, jedoch nicht ständig 😉

Wie man sich selbst longiert

Ich bilde meine Pferde mit dem Cavesal von Jossy Reynvoet aus. Das Cavesal hat den Vorteil, dass es Bosal und Kappzaum miteinander kombiniert. Die Bosalzügel können als indirekte Zügel fungieren, das heißt die Schultern des Pferdes auf einer gewünschten Linie führen, der innere, direkte Kappzaumzügel kann so geführt werden, dass sich der Reiter selbst longiert. 

Ist das immer notwendig? 

Nein, bei Amena hatte ich sogar das Gefühl, die ersten Einheiten ganz alleine waren für ihn leichter ohne indirekte Zügelhilfen zu bewältigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Pferde nicht nur eine neue Hilfengebung und Kommunikation aus einer neuen Position verdauen müssen. Gesunde Bewegung braucht gesunden Rückenschwung. Und der Rückenschwung kann durch das ungewohnte Gewicht durch den Reiter schon mal aus dem Gleichgewicht kommen. Für Amena war es daher beispielsweise sehr wichtig, keine Zügelhilfe am Hals wahrzunehmen.

Was braucht mein Pferd? 

Wie immer sind wir Weltmeister darin, auszudrücken, was unser Pferd noch nicht kann. Aber was, wenn wir uns bei der Erstellung unseres Jungpferde-Trainingsplans in allererster Linie auf die Stärken konzentrieren. 

Konrad war extrem wissbegierig und wollte immer gefallen. Seine Stärke war Konzentration und Motivation. Dadurch war er nicht so schnell frustriert, wenn wir mal etwas falsch gemacht haben.

Amena ist extrem zuverlässig. Ich weiß, er wird sich auch immer bemühen, meine Hilfen richtig zu interpretieren. Bescheidenheit zeichnet ihn aus, er ist immer im Moment. Dadurch kann ich das Lob auch ganz toll einsetzen, damit Inhalte auch nachhaltig gemerkt werden. 

Und wenn es nicht klappt? 

Wenn etwas nicht gut klappt, dann können wir uns das freilich notieren und nachdenken. 

  • Können wir den Inhalt noch besser vom Boden aus erklären? 
  • Haben wir den Inhalt vielleicht überhaupt noch nicht oder sehr ungenügend vom Boden aus erklärt? 
  • Konnte ich den Inhalt vom Sattel aus nicht korrekt umsetzen?
  • Hat mich mein Pferd missverstanden, da ich selbst gehemmt war, Angst hatte? 

Es gibt so vieles, was vielleicht nicht auf Anhieb funktioniert. „Treiber“ von außen können hier nachhaltig Schaden anrichten. Gerade beim jungen Pferd gibt es so viele Einflüsterer. Den einen geht es nicht schnell genug und man kann nicht verstehen, warum das fünfjährige Pferd noch nicht häufig geritten wird. Den anderen fällt sicher auch noch ein Punkt ein, der uns zweifeln lässt. 

Wenn ich etwas in der Pferdeausbildung gelernt habe, dann war es tatsächlich mein Bauchgefühl niemals außer Acht zu lassen. Nicht umsonst sprechen und schrieben die Alten Meister unisono über den Reitertakt, also das Gefühl für das Pferd. Setzen wir auch auf das Gefühl für uns selbst. Gefällt mir ein Ratschlag oder eine Maßnahme, die ich an einem Kurs lerne nicht, dann kann ich freilich alle Pro und contra abwiegen. Manchmal wird man freilich auch auf dem falschen Fuß erwischt und kann mit (berechtigter) Kritik schlecht umgehen, allerdings hätte mich auch mein Bauchgefühl vor so manchem Irrtum bewahrt, ich hatte allerdings nicht den Mut, dem Reitlehrer zu widersprechen. 

Wenn wir auf uns alleine gestellt sind, dann sind wir mit Sicherheit nicht zu 100 Prozent alleine. 

Wir können uns Hilfe holen. 

Hattest du jeden Tag Hilfe? 

Am Anfang. Ja. Widerspreche ich mir mit dem Blogartikel? Nein. Ich hatte mit meiner Stute Tabby am Anfang regelmässig Hilfe und Unterstützung durch meine Freundin Silke. Silke hatte Tabby an der Longe. Den prall gefüllten Werkzeugkoffer der Akademischen Reitkunst in Punkto Bodenarbeit gab es zur damaligen Zeit nicht in der heutigen Form. Vermutlich hätte ich mir auch viele Irrtümer und auch schwierige Situationen ersparen können, wenn ich Tabby penibel vom Boden aus vorbereitet hätte. 

Sicher, am Boden spüren wir nicht, was wir später im Sattel fühlen, aber wir sehen es und können schon auch jetzt unser Gefühl schulen, wie was sein könnte. 

Heute habe ich mit der Bodenarbeit ein Werkzeug, dass mir einen Assistenten vom Boden aus obsolet macht. 

Widerspreche ich mir jetzt zum weiten Mal? Jein, ich habe und hatte freilich den Luxus ganz tolle Schüler um mich zu haben, die mich durch ihre eigene Ausbildung fast schon ohne Worte verstehen. Ein junges Pferd somit anzureiten ist eine wirklich schöne Aufgabe im Team. 

Aber ich weiß auch durch die Erfahrung mit meinen Schülern: Es geht fast alleine!

Ein paar Merksätze seien dem Ausbilder jedoch ans Herz gelegt: 

  • Höre immer auf Herz und Vernunft
  • Höre immer auf dein Pferd. Es hat immer recht und „plant“ mit Sicherheit keine Widersetzlichkeit
  • Bereite dich akribisch in der Theorie fort
  • Erlaube dir, Fehler zu machen. Nur ein Fehler, aus dem man nichts lernt ist problematisch. 
  • Erlaube dir zu lernen, gemeinsam mit deinem Pferd. Wir sind alle nicht perfekt. Und ich lerne auch jeden Tag dazu. 
  • Investiere in deine eigene Fortbildung – sei deinem Pferd in Punkto Theorie immer einen Schritt voraus, aber lasse dir auch von deinem Pferd Feedback geben. Dein Pferd ist Pferdeexperte, du musst zum Kommunikationsprofi werden. 
  • Definiere deine Ziele und Wünsche und frage dich stets jeden Tag, ob dein Pferd diesen Wünschen auch zustimmen würde. Du hast die Pflicht, dass sich dein Pferd auch mit seinen Aufgaben wohl fühlt und daran Freude hat. 
  • Geht es nun alleine? 

Du bist nicht alleine. Ihr seid ein Team. Hole dir regelmässig fachkundige Unterstützung, definiere gemeinsam mit deinem Trainer Ziele und Hausübungen, lass dich unterstützen, wenn du magst auch gerne von mir. Dann kann man auch sehr selbstständig lernen. 

Ich habe Schüler ausschließlich online oder sehr unregelmäßig live unterrichtet. Meiner Erfahrung nach schaffen meist die „einsamen Wölfe“ mehr, als diejenigen, die sich jede Woche auf Führung verlassen und die Verantwortung abgeben. Du kannst es schaffen. 

Wie du es alleine schaffst in den Sattel zu steigen

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  • Schaffst du es alleine? Lies den weiteren Blogartikel 
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