Neben dem Schulterherein gehört das Kruppeherein zu den wichtigsten Lektionen oder Meilensteinen auf dem Weg zur Reitkunst! Das Kruppeherein bereitet demnach auf Wendungen und Pirouetten vor; in der Gebrauchsreiterei, vor allem im Kampf war es die dominierende Seitwärtsbewegung!

Kruppeherein – oder wie man es noch nennen kann?

Ziel ist es, dem Pferd beizubringen mit dem äußeren Hinterbein in Richtung Schwerpunkt zu fußen und dabei mehr Last aufzunehmen. Kruppeherein macht so die innere Schulter leichter, das äußere Hinterbein trägt dabei vermehrt und wird in der Schubkraft abgekürzt. Ein Ziel, das aber mehrere Namen hat: Travers, Traversale, Kruppeherein, Kruppeheraus, Croupe au Mur, Appuyer etc. Wer in der Grazer Region daheim ist: Croupe au Mur hat nichts mit der Mur (größter Fluß der Steiermark) zu tun 🙂  – an dieser Stelle ein kleiner Exkurs in die Geschichte: Salomon de Broue erwähnt das Kruppeherein bereits um 1600, Francois Robichon de la Gureniere schreibt 1733 über das Kruppeherein – und meldet bei dieser Lektion einige Zweifel und Befürchtungen an, vor allem, wenn der Seitengang dem Pferd in einer Art Schenkelweichen mit dem Kopf der Wand bzw. Mauer entlang beigebracht wird. Der französische Reitmeister kritisierte  hierbei, dass das Pferd zu abhängig von der Wand wird und den Seitengang ohne begrenzende Wand nicht mehr ausführt. De la Broue vertrat die gleiche Ansicht wie de la Gureniere und empfahl daher das Kruppeherein nur für Pferde, die schwer in der Hand zu reiten waren, aber mit einem genügend großen Abstand zur Wand. Auch Antoine de Pluvinel legte gerade auf die Arbeit mit und auf der Hinterhand einen besondern Schwerpunkt – gerade weil dies für die Gymnastizierung für die fürstliche Nahkampfreiterei eine besondere Rolle spielte.

Kein Kruppeherein ohne Schulterherein

Dass das korrekte Schulterherein die Basis für das Kruppeherein ist, betonen die Alten Meister bis hin zu Egon von Neindorff unisono: Auch Gustav Steinbrecht schreibt dazu in seinem „Gymnasium des Pferdes“:

„Ein richtiger Travers, das sei vorausgeschickt, kann nur aus dem Schulterherein hervorgehen, muss also ein richtiges Schulterherein in sich schließen….Das Travers mag daher dem Reiter während der Dressur als Probe für das Schulterherein dienen….“

Gustav Steinbrecht, das Gymnasium des Pferdes

Egon von Neindorff formuliert den Vorteil des bereits gut geübten Schulterherein wie folgt:

„Da beim Pferd in der Stellung Kruppeheraus und Traversale die innere Hüfte vor der äußeren Hüfte steht, muss das äußere Hinterbein, um über das innere Hinterbein schränken zu können, stärker untertreten als im Schulterherein. Den Unterschied wird man leicht verstehen wenn man seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt richtet. Gleichzeitig beweist es, dass es einer der Vorteile des Schulterherein ist, einem Pferd beizubringen, leicht mit den Beinen zu schränken und sie übereinander zu setzen. Dies ist ein Hilfsmittel gegen alle Fehler, die auftreten können, wenn man dem Pferd das Traversieren beibringen möchte“.

Egon von Neindorff

Kruppeherein – wie es richtig klappt?

Egon von Neindorff betont bei der Erarbeitung der Geraderichtung geduldig zu sein: Seines Erachtens nach brauche man mindestens zwei Jahre, um ein junges Pferd ehrlich auf die Grundlagen für Geraderichten durch Seitengänge Schulterherein und Kruppeherein zu bringen:

„Ist es im Schulterherein gefestigt, so ist die Voraussetzung für Renvers, Travers und Traversalen gegeben“.

Von Neindorff warnte aber davor, die Hinterhand „vorauseilen zu lassen“ und bezeichnet dies vor allem als Fehler von Korrekturpferden bzw. weniger biegsamen Pferden, die sich so der Lastaufnahme zu entziehen versuchen:

„Also wohlgemerkt – selbst ein Kruppeherein mit nur geringer Abstellung ist keineswegs identisch mit einem schief gehenden Pferd, weil bei korrekter Ausführung dieser Übung die seitliche Biegung gleichmäßig vom Kopf bis zur Kruppe verlaufen wird. Aus dieser Forderung ergeben sich auch die Vorteile: Aktivieren der Hinterhand, Erhöhen von Geschmeidigkeit und Geschicklichkeit“.

Maesoso Amena lernt das Kruppeherein zuerst vom Boden, dafür muss sich eine gemeinsame Sprache zwischen Ausbilder und Pferd entwickeln.

Das richtige Kruppeherein wird also aus dem perfekten Schulterherein erarbeitet. Auch hier ist es ratsam mit der Hilfengebung vom Boden aus zu beginnen. Kennt das Pferd bereits Schulterherein, führt man es mit einer entsprechenden Biegung an die Bande. Am besten eignet sich die Führposition, in der der Reiter selbst rückwärts vor dem Pferd hergeht – die Gerte kann als innerer Zügel an den Hals gelegt werden. Durch diese Hilfe wird die Schulter des Pferdes zur Wand gebracht. Mit der Gerte kann man aber auch über den Rücken des Pferdes zur äußeren Kruppe zeigen und durch die Berührung mit der Gerte das Kruppeherein erzeugen. Auch hier gilt wie im Schulterherein: Weniger ist mehr – einige wenige Schritte genügen am Anfang absolut – und der Fokus liegt auf dem Inhalt der Lektion, wie Bent Branderup immer betont:

„Wie bei allen anderen Übungen sehe ich auch in einer Traversale nichts Vorteilhaftes, wenn das Hinterbein nicht zum Schwerpunkt greift, oder gar davon wegschiebt“.

Bent Branderup

Aufgessessen im Kruppeherein

Auch hier gilt, genau wie im Schulterherein: Der Reiter sitzt vermehrt auf dem inneren Sitzknochen – einerseits um die Biegung um den inneren Sitzknochen zu erhalten, andererseits um die gedehnten Muskeln der äußeren Oberlinie nicht zusätzlich zu belasten. Der äußere Zügel überwacht am Hals liegend die äußere Schulter, der innere Zügel erhält die Stellung und verwahrt die innere Schulter. Der innere Schenkel bleibt am Gurte liegen und sorgt für die Erhaltung der lateralen Biegung, der äußere Schenkel liegt etwas hinter dem Gurt und fordert das äußere Hinterbein im Moment des Abfußens auf, zum Schwerpunkt hinzutreten. Der Schwerpunkt des Reiters – quasi aus dem Bauch heraus wird nach vorne – innen – in Richtung des inneren Schulter des Pferdes verlagert. Und gleich wie beim Schulterherein gilt: Reiterschultern parallel zu Pferdeschultern, Reiterhülfte parallel zu Pferdehüfte.

Julia Kiegerl auf Pina auf dem Weg in die Traversale. Schultern parallel zu Schultern, Hüfte parallel zu Hüfte.

Was gerne schief läuft im Seitengang?

Die Pferde drehen den Kopf nach links bzw. verwerfen sich im Genick besonders auf der rechten Hand im Schulterherein. Der Reiter erkennt diesen Fehler am rechten Ohr, das nun „tiefer“ erscheint.  Auf der linken Hand fällt gerne das äußere Hinterbein der Pferde aus. Im Travers und Renvers passieren dann häufig die gleichen Fehler. Steinbrecht attestierte dem Kruppeherein oder Travers eine fördernde und vorbereitende Wirkung für den Galopp, da diese Lektion „das Vorrichten der inneren Seite und fast gleichzeitiges Vorgreifen der inneren Beine erfordert“. Jungen Pferden erleichtere die Übung daher das Angaloppieren. Allerdings warnte auch Streinbrecht vor einer falschen und übertriebenen Anwendung, die sich vor allem im Trab leicht erkennen lässt durch Taktunreinheiten oder eine inkonstante Linienführung. An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass es aber wichtig ist das gesamte Pferd zu betrachten und sich nicht nur auf ein Körperteil zu versteifen. Nur eine ganzheitliche Betrachtungsweise hilft bei der Detektivarbeit, wenn es darum geht Fehler aufzuspüren!

Als Aspirin der Reitkunst wird das Schulterherein gerne seit Nuno Oliveira zitiert. Allerdings können Seitengänge vom Boden, oder vom Sattel aus erarbeitet, gerne zum reiterlichen Kopfzerbrechen führen.

Problemzone Kruppherein – oder wie man bei einem Lanzenstoß im Sattel bleibt.
Reitkunst ist manchmal schon etwas für Pragmatiker.

Besonders im Kruppeherein kommt die praktische Anwendung nicht zu kurz. Als die Menschen im Nahkampf noch zu Pferde saßen, war nicht nur das Sitzen wichtig – es wurde penibel darauf geachtet nach innen zu sitzen. Wenn die Reiter im Kruppeherein aufeinander zu galoppierten, kamen sie somit nicht nur näher an den Gegner heran, sie blieben auch sicherer im Sattel bei einer Lanzenattacke des Gegners.

Selten haben wir heute eine Lanze mitgeführt, wenn wir ins Gelände gehen. Dem gemütlichen Freizeitreiter reicht vielleicht schon ein Reh, das beim Bummeln im Wald zwischen den Bäumen hervorspringt. Pferde, die gelernt haben, immer zum Schwerpunkt hinzutreten, fangen ihren Reiter auf, wenn dieser mal das Gleichgewicht verliert und in „Wohnungsnot“ gerät. Das Pferd sammelt den Reiter – unter den Schwerpunkt tretend – wieder auf.

Abgesehen also von der Sache mit dem Schwerpunkt:

Welche positiven Eigenschaften hat Kruppeherein?

  • Durch das Kruppeherein werden die Hanken mehr gebogen und eine verbesserte Tragkraft der Hinterbeine – vor allem des äußeren Hinterbeins erzielt.
  • Kruppeherein mit einem korrekten Schulhterherein als Basis unterstützt Geraderichtung und hilft Schiefheiten auszugleichen.
  • Kruppeherein im Schritt und Trab hilft ein gerades Angaloppieren zu erarbeiten.
  • Kruppeherein aktiviert das äußere Hinterbein zum Tragen und macht die innere Schulter leichter.
  • Kruppeherein ist eine gute Vorbereitung für Pirouetten, Traversalen und Galoppwechsel.
  • Kruppeherein am Zirkel geritten verbessert die Versammlungsfähigkeit.
  • Das abwechselnde Reiten von Schulterherein und Kruppeherein verbessert die Durchlässigkeit und Losgelassenheit. 

Und was bereitet uns da noch Kopfzerbrechen?

  • Der Reiter sitzt zu stark nach außen
  • Der Reiter hat den inneren Zügel zu stark dran
  • Der Reiter dreht seine Schultern nach außen
  • Der Reiter führt beide Unterarme nach außen und verspannt sie dabei
  • Der Reiter treibt nur noch mit dem äußeren Schenkel
  • Der Reiter verspannt
  • Der Reiter konzentriert sich zu sehr auf seitwärts.

Der Reiter sitzt zu stark nach nach außen

Sitzt der Reiter zu stark nach außen und knickt dabei in der äußeren Hüfte ein, wird der innere Sitzknochen vom Pferd weggehoben. Dabei wollen wir ja weiterhin vom Pferd eine Biegung um den inneren Sitz haben. Wohin soll der Schwerpunkt also? Hier kommt die berüchtigte Statik ins Spiel. Möchte ich vorwärts reiten im Kruppeherein, dann verlagere ich den Schwerpunkt in Richtung innerer Schulter, also nach vorne innen, in Bewegungsrichtung. Wer im Kruppeherein versammeln möchte, der sollte seinen Schwerpunkt in Richtung der inneren Hüfte des Pferdes verlagern. Nur weil man sich auf das äußere Hinterbein konzentriert heißt es also nicht – volle Kraft nach außen.

Der Reiter hat den inneren Zügel zu stark dran

Die Hilfengebung im Kruppeherein sieht vor, dass eine sachte Einwirkung des inneren Zügels am Hals dazu führt, die innere Schulter zu verwahren. Wenn der Reiter mit dem inneren Zügel zu stark gegen den Hals presst und das Genick nicht mehr ausreichend gelöst wurde, wird das Pferd stark nach außen gedrückt. Es kommt zu einem Schenkelweichen nach außen. Ist der innere Zügel zu stark dran, wird das Pferd außerdem auf die äußere Schulter gedrückt. Dabei ist auch im Kruppeherein darauf zu achten, dass die äußere Schulter des Pferdes frei und leicht bleibt. Auch soll der innere Zügel das Pferd nicht zu stark stellen. Wer beispielsweise geradeaus an der langen Seite unterwegs ist, kann prüfen, ob die Stirn des Pferdes noch parallel zur kurzen Seite der Halle oder des Vierecks unterwegs ist oder ob das innere Pferdeohr höher scheint. In diesem Fall hätte sich das Pferd im Genick verworfen.

Der Reiter dreht seine äußere Schulter nach außen/ der Reiter dreht seine Unterarme nach außen und verspannt sich dabei.

Egal ob Schulterherein oder Kruppeherein – es gilt immer: Kopf parallel zu Kopf, Schultern parallel zu Schultern, Hüfte parallel zu Hüfte. Damit das Pferd im Kruppeherein nicht auf die äußere Schulter fällt, kann es schon ausreichen, sich in Erinnerung zu rufen, die äußere Schulter ein wenig nach vorne zu nehmen – die eigene Brustkorbrotation also im Überblick zu behalten. Die innere Schulter sollte dabei hinter die innere Reiterhüfte gebracht werden.

Der Reiter treibt mit dem äußeren Schenkel zu viel/ Der Reiter konzentriert sich zuviel auf Seitwärts

Wenn sich der Reiter zu sehr auf das äußere Hinterbein konzentriert, geht das innere Hinterbein oftmals verloren. Es tritt dann weit aus der Masse nach innen heraus und somit weit vom Schwerpunkt weg. Hier muss der innere Schenkel dafür sorgen, den inneren Hinterfuß zu verwahren. Auch wenn der Reiter mehr „Gewicht“ am inneren Zügel spürt, kann dies ein Zeichen für zuviel Seitwärts und ein Ausfallen des inneren Hinterbeins im Kruppeherein sein. Übermäßiges Treiben mit dem äußeren Bein kann aber auch dazu führen, dass das Pferd mit dem äußeren Hinterbein vom Schwerpunkt wegschiebt.

Der Reiter verspannt sich

Kaum denken wir an eine „Lektion“ geht die schöne Entspannung verloren. Wo noch gerade auf dem Zirkel entspannt das innere Hinterbein unter den Schwerpunkt geholt wurde, die Rotation des Brustkorbes vom Pferd schön fühlbar war – auf einmal – Kommando Kruppeherein und der gesamte Körper des Reiters verspannt. Durch den Fokus auf den äußeren Schenkel, die innere Zügelhilfe und die „Lektion“ an sich, verspannen zuerst der Reiter und in weiterer Folge natürlich das Pferd. Für die Kopfsache kann es wirklich hilfreich sein, den Inhalt zu reiten und eben nicht an die Lektion zu denken. Einfach mal anders formulieren kann da schon helfen: „Also einfach im Anschluss an die Konzentration auf das innere Hinterbein, nun das äußere Hinterbein zum Schwerpunkt zu holen“. Klappt das noch immer nicht, kann der Reiter vermehrt auf seine Atmung achten. Wie entspannt habe ich auf dem Zirkel durchgeatmet und wie verändert sich die Atmung dann im Kruppeherein. Wo sitzen nun Verspannungen?

Plötzlich wird das Hochziehen der Schultern, oder das übermäßige Stemmen des Unterschenkels in den inneren Steigbügel bewusst. Hier kann auch die Arbeit im Stehen hilfreich sein, um dem eigenen Körper Zeit zu geben in den Sitz zu spüren und Veränderungen wahrzunehmen, wenn der Sitz zum Kruppeherein auffordert. Auch Trockenübungen ohne Pferd können hier hilfreich sein. Wer einmal versucht, Kruppeherein geradeaus zu laufen, wird feststellen, wie er seinen eigenen Brustkorb bewegt und möglicherweise automatisch nach außen wendet.

Üben wir also auch mal unseren Sitz vom Boden aus – dann reiten wir später Einfach 🙂

Mehr über das Kruppeherein

Mehr über die Ausbildung vom Kruppeherein erfährst du in meinem Online Kurs