Wenn Pferde in die Jahre kommen….

Irgendwann kommt die Zeit, wo unsere Pferde älter werden und wir an die Pension für sie denken. Sie haben genug gearbeitet und haben sich ein schönes Pensionsleben verdient.
Aber was bedeutet dies für die Gesunderhaltung des Bewegungssystems? Unsere Oldies einfach abstellen und ihnen beim „Einrosten“ zu sehen, das bringen wir nicht übers Herz. Wir wollen weiter für unsere Senioren da sein und die Pension gemeinsam erleben!
Letzte Woche habe ich euch über Beispiele aus meiner Jungpferdearbeit erzählt, aber wie sieht es denn nun mit Seniorengymnastik aus?

Wie die Zeit vergeht…

Auch vor unseren geliebten Pferden macht der Alterungsprozess nicht Halt. Die Zeit vergeht wie im Flug und unser Jungpferd wird erwachsen. Man erfreut sich an den schönen Dingen, die man gemeinsam erlebt und feiert viele Erfolge. Auch jeder Geburtstag wird ausgiebig gefeiert und man ist stolz, schon so lange zusammen zu sein.

Bald wird meine Stute 12 Jahre alt. Natürlich würde man jetzt sagen, sie ist im besten Alter und das stimmt auch. Trotzdem kann ich mir nicht ganz erklären, wo die Zeit hin ist. Wie im Flug sind die letzten Jahre vergangen. Kennengelernt habe ich sie, da war sie sechs Jahre alt. Kein komplettes Jungpferd mehr, aber auch noch nicht erwachsen.

Unsere Pferde werden genau wie wir, immer älter und reifer. Sie sammeln Erfahrung und werden zu unseren größten Lehrmeistern. Wenn der Tag kommt, wo die ersten Alterserscheinungen auftreten, (bei manchen früher, bei anderen später) kommen Gedanken auf, die uns vielleicht traurig stimmen. Unser Pferd ist nicht mehr in der Blüte seines Lebens. Die Realität schlägt uns ins Gesicht, denn unbeschwerte Ausritte und Trainings wird es ohne das ein oder andere Zwicken, vielleicht nicht mehr oft geben.

Der Gedanke, die gemeinsame Zeit nicht mehr in vollen Zügen genießen zu können, zerbricht einem das Herz. Wir müssen akzeptieren, dass wir einen Senior bzw. eine Seniorin an unserer Seite haben.

Was kann man denn nun für sein in die Jahre gekommenes Pferd tun, dass immer für einen da war und jeder Tag wie ein Geschenk war?

Natürlich ist es normal, dass im Alter Wehwehchen auftreten, die Gelenke nicht mehr so geschmeidig sind wie früher und es irgendwo zwickt und zwackt. Das ist schließlich der Lauf des Lebens. Auch wir Menschen werden irgendwann älter und gebrechlicher.

An Zusatzmitteln, die die alten Knochen unterstützen, darf es natürlich nicht fehlen, aber was nun tun, damit das Pferd nicht einrostet?

In der Akademischen Reitkunst lernen wir schon in der Jungpferdearbeit die Arbeit vom Boden kennen. Die Bodenarbeit ist nicht nur für die Schulung und Ausbildung von Hilfen da, sondern auch um das Pferd zu gymnastizieren, ohne dass es die zusätzliche Belastung des Menschen auf sich hat. Diese Arbeit führt uns ja durch unser gesamtes gemeinsames Leben. Manchmal ist sie etwas weniger im Fokus, manchmal wieder etwas mehr.

Diese Arbeit hilft uns, unser Pferd auch später noch fit zu halten, damit die Muskeln, Sehnen und Bänder den gesamten Pferdekörper im Alltag unterstützen können.

Die Akademische Reitkunst ist neu für mich!

Was aber nun, wenn man die Akademische Reitkunst nicht von Anfang an kannte? Was ist, wenn ich diese Arbeit erst durch das in die Jahre kommen meines Pferdes kennengelernt habe? Ist es nun zu spät, diese Arbeit noch sinnvoll für mein Pferd zu nutzen?

Es ist nie zu spät etwas Neues auszuprobieren und dem Pferd etwas Gutes zu tun.

Um das zu beweisen, stelle ich euch heute 2 meiner ältesten Pferdeschüler vor, die von dieser Arbeit seit wenigen Jahren erst profitieren.

Andrea und Forever

Forever ist ein mittlerweile 28-jähriger Vollblüter. Er kam mit 12 Jahren zu Andrea und war zuvor vermutlich auf der Trabrennbahn. Er konnte nicht galoppieren, beim Traben riss er den Kopf hysterisch in die Luft.

Andrea bemühte sich all die Jahre Forever gut und schonend auszubilden. Hauptsächlich war ihr wichtig, dass er sich wohl fühlt und sie gemeinsam Spaß haben. Sie probierten vieles aus, hatten mal mehr und mal weniger Erfolg mit ihrer Arbeit. Leider machte Forevers Gesundheit auch immer wieder Probleme, wodurch regelmäßig eine neue Herangehensweise benötigt wurde und auch Andrea lernte in dieser ganzen Zeit viel dazu.

Es stellte sich heraus, dass er mit Athrosen in den verschiedensten Gelenken zu kämpfen hat und diese nach und nach mehr Steifheit in seinen gesamten Körper brachten. Durch Craniosacrale Behandlungen und Kinesiologie konnte Forever hier gut unterstützt werden. Trotzdem wünschte sich Andrea mehr für ihn tun zu können und beschäftigte sich immer mehr mit der Klassischen Reitkunst. Leider war regelmässiger Unterricht zu dieser Zeit Mangelware.

Durch eine Freundin kam Andrea dann zu mir und wie es das Glück so wollte, war ihr Heimatstall nur 10 Minuten von meinem entfernt, was die regelmäßige Betreuung einfach machte. Es dauerte nicht lange, bis Andrea sich dazu entschloss mit Forever in meinen Heimatstall Equimotion zu ziehen.

Wenn einer eine Reise tut, dann tut er sich nicht alleine

Unsere gemeinsame Reise startete im April 2017, damals war Forever 25 Jahre alt. Bei unserem ersten Treffen stellte ich fest, dass der Wallach sehr steif und vor allem auch schief im gesamten Körper war. Er hat mit vielen körperlichen Baustellen zu kämpfen, die durch die Athrosen noch belastender für ihn waren.

Forever hat eine starke Schiefe in seiner Hüfte, die ein gutes Auffußen der Hinterbeine sehr erschwert. Die Gelenke drehten stark und er versuchte sich mit seinem Hals zu stabilisieren. Wir starteten mit schonender Arbeit im Stand vom Boden aus, um ihn nicht mit zu viel Bewegung zu überfordern. Wir zeigten ihm, wie er sich in der Halsmuskulatur entspannen konnte und diese Entspannung dann auch durch seinen ganzen Körper fließen lassen kann. Blöderweise war stehen nicht gerade seine Lieblingsübung, daher war dann doch auch Bewegung am Programm.

Nach und nach lernte er die verschiedenen Hilfen des inneren, äußeren Zügels und des inneren und äußeren Schenkels kennen. Er fing an sich auf die Hilfengebung zu verlassen und ließ sich nach und nach besser durch die Einheiten führen. Er lernte seine Hinterbeine stabil auf den Boden zu stellen und dabei nicht auf die Schultern zu fallen. Er muskelte super auf und konnte sich selbst besser stabilisieren. Auch die mentalen Sorgen, die die Arbeit anfangs nicht leicht machten, wandelten sich immer mehr in Selbstsicherheit um.

Forever am Anfang unserer gemeinsamen Arbeit und ca. 1 Jahr später

Leider kam im Herbst 2018 ein Rückfall. Er konnte plötzlich keinen Schritt mehr gehen. Hatte ataktische und neurologische Ausfälle und keiner konnte sich erklären was los war.

Die Abklärung bis zur Diagnose sollte dann zwei lange Monate dauern. In der Zeit wurde auch Boxenhaltung verordnet. Durch die Diagnose, wusste man letztlich auch endlich wie die weitere Behandlung verlaufen sollte. Die Diagnose lautete jedenfalls: Athroseschub im Fesselgelenk sowie athrotische Veränderungen und Entzündungen an mehreren Halswirbeln.

Nachdem die Behandlung abgeschlossen war, fehlten viele Muskeln, die ihm Stabilität gegeben haben und somit hieß es wieder schonend aufbauen und auf die neue Diagnose eingehen. Forever zog in einen Stall, wo er mehr Ruhe auf der Koppel bekam. Seine Koppel teilte er sich fortan mit einer netten Stute. Zu viele Youngster um ihn herum waren in dieser Phase nicht das Richtige für ihn.

Der Aufbau verlief durch die angepassten Haltungs- und Trainingsbedingungen sehr gut und Forever kann sich mit seinen mittlerweile 28 Jahren wieder schmerzfrei bewegen und genießt sein Leben auf der Koppel.

Forever ist ein wunderschönes Beispiel, wie viel Gutes man den Pferden mit Bodenarbeit tun kann, denn seit unserem gemeinsamen Start, fand die Gymnastizierung nur vom Boden aus im Schritt statt.

Ich freue mich, dass ich die beiden weiterhin betreuen darf und wünsche mir noch viele weitere gemeinsame Jahre und viel Gesundheit für Forever !

Erst kürzlich bekam ich ein nettes Mail von Andrea, in dem sie mir sagte, dass Forever nun in einem Stall steht, wo sehr auf die Bedürfnisse von alten Pferden eingegangen wird und dieser aber leider weit weg von Wien ist. Sie möchte die gemeinsame Arbeit aber unbedingt fortsetzen, denn Forever profitiert sehr von dieser Arbeit und daher werden wir die Videoanalyse bzw. den Online Unterricht ausprobieren. Ich freue mich, dass trotz der großen Distanz unsere Arbeit fortgeführt werden kann.

Alte Pferde: Vanessa vom Schildbachhof

Vanessa ist eine mittlerweile 27-jährige Westfalenwarmblutstute, die ihren Lebensabend auf dem Schildbachhof verbringen darf. Auf diesem Hof leben 3 weitere ältere Pferdedamen, die ihre Pension dort verbringen und vor allem genießen dürfen. Egal ob ehemaliges Schulpferd oder Dressurpferd, die Vergangenheit ist nicht weiter wichtig, denn es geht um das hier und jetzt und um ein möglichst langes und entspanntes Leben.

Vanessa und ihre Betreuerin Alexandra nehmen seit ungefähr 2 Jahren bei mir Unterricht. Alexandra hatte zuvor das Vergnügen mit meiner Kollegin Julia Kiegerl im Burgenland zu arbeiten und durch ihren Umzug kam sie zu mir und zu den Pferdedamen.

Alexandra nennt die Truppe immer liebevoll den „Seniorentrupp“
Neben dem Unterricht von mir und Alexandras Betreuung, dürfen die Pferde auch regelmäßige Anwendungen durch Aukupunktmeridianmassage, Massage, Craniosacrale Anwendungen und Lymphdrainage genießen, denn diese Ausbildungen können auf dem Schildbachhof absolviert werden und die 4 Stuten stehen für die Auszubildenden zur Verfügung..

Das Motto mit alten Pferden: Niemals aufgeben

Ganz besonders am Herzen liegt mir die große, rote Warmblutstute Vanessa, denn sie hatte kurz nach unserem gemeinsamen Beginn eine schwere Kolikoperation, von der sie sich erholen musste. Als ich sie wieder sah, traf mich fast der Schlag. Man sah ihr an, wie sehr sie die Operation und der Klinikaufenthalt mitgenommen hat. Außer Haut und Knochen war nicht viel zu sehen, jedoch unverkennbar ihr Lebenswille.

Sie machte keinesfalls den Eindruck sich aufgegeben zu haben. Leider habe ich kein Foto von ihr gemacht und auch sonst niemand, denn niemand möchte ein Pferd so in Erinnerung haben. Für die Geschichte hier wäre es jedoch sicherlich spannend im Rückblick gewesen.

Alte Pferde: Seniorengymnastik machts möglich

Als wir gemächlich anfingen Vanessas Körper wieder geschmeidiger und angenehmer für sie zu machen, war die Stute nicht so begeistert, aber als sie mehr Bewusstsein für ihren Körper erhielt und bemerkte, dass die Arbeit guttut, war sie immer mehr bei der Sache.

Im Fokus stand der Rückenschwung. Ähnlich wie meine Stute Amira, ist Vanessa ein sehr langes Pferd, dass nicht so genau weiß wo ihre Hinterbeine sind. Das Ziel war es, den Schwung von hinten bis nach vorne korrekt zu übertragen und nach und nach die Rückenmuskulatur wieder aufzubauen und die Halsmuskulatur locker zu bekommen, die sie als Unterstützung zur Stabilität sehr festhielt. Zusätzlich erschwerten ihr Arthrosen in den Hinterbeinen die Arbeit.

Um Muskulatur aufzubauen, war es wichtig, dass Vanessa wieder zunimmt und das stellte sich als nicht so einfach heraus, denn sie hat kaum noch Zähne, die eine Verwertung von Heu begünstigen könnten.
Die Besitzer des Schildbachhofs taten alles Menschenmögliche, damit Vanessa zunehmen kann und so bekommt sie ihre Mahlzeit flüssig durch Heucobs.

Vanessa nahm gut zu und man bemerkte auch bald, dass die Muskulatur sich wiederaufbaute.

Neben den ganzen Wellnessanwendungen, profitierte Vanessa immer mehr von der Boden- und Longenarbeit und mit der Zeit wagten wir uns auch an die Handarbeit heran. Sie wurde immer geschmeidiger und beweglicher, fing an die Hilfen zu anzunehmen und lernte ihre Hinterbeine besser einzusetzen. Sie vertraute in die Menschenhand und in sich selbst.

Ich freue mich sehr, dass ich unter anderem Vanessa vom Seniorentrupp begleiten darf und bei ihrer Gesunderhaltung meinen Beitrag leisten kann.

Ich hoffe sehr, dass Vanessa und ihre Freundinnen noch viele weitere Jahre ihr Leben auf dem Schildbachhof genießen können. Es ist toll, dass Pferde wie sie, ihren Lebensabend so verbringen dürfen, nachdem sie ihr Leben lang brav gearbeitet haben.

Vanessa wie ich sie kennenlernte und aktuell mit ihren 27 Jahren (Fotocredit: Schildbachhof)

Lesetipps:

Bodenarbeit, aber wie?

Projekt Lebenspferd

Die Geschichte von Kea

Jungpferdeausbildunghttps://einfachreiten.com/jungpferde-praxisbeispiele-1/