In der Akademischen Reitkunst ist Balance eines der wichtigsten Elemente. Balance ist aber nicht nur ein physischer, sondern auch ein psychischer Zustand. Wie betont Bent Branderup so gerne in seinen Theorievorträgen: Als Mensch sind wir verpflichtet unser bestes zu geben und von den Pferden zu lernen. Diese bezieht sich nicht nur auf die Ausbildung unserer Pferde, sondern auch um die Verpflichtung in Pflege und Haltung sorgsam und achtsam mit unseren Vierbeinern umzugehen. Ein wichtiger Punkt für Balance ist auch die Hufbalance.
Ich vertraue meine Pferde in dieser Hinsicht seit rund einem Jahr Ursula Sündermann an. Die Hufbearbeiterin hat bei beiden Damen ganze Arbeit geleistet. Beide sind nicht mit dem optimalen „Schuhwerk“ ausgestattet, einiges konnte jedoch im letzten Jahr deutlich verbessert werden.
Warum ist Hufbalance so wichtig für unsere Reitpferde?
Uschi Sündermann: Sind die Hufe nicht in Balance, kann das Pferd seinen Körper nicht entsprechend bewegen und einsetzen. Es kommt zu Fehl- und Überbelastungen und dadurch zu Schon- und Ausgleichsbewegungen. Muskelverspannungen, Schmerzen und Schäden an Sehnen, Bändern und Knochen können die Folge sein.
Natürlich kann auch eine durch einen schlecht sitzenden Sattel verursachte Verspannung das Bewegungsmuster verändern, was sich auf den Hornabrieb auswirkt und umgekehrt den Huf aus dem Gleichgewicht bringt.
Knochen und Knorpel im inneren der Hufkapsel bestimmen die von außen sichtbare Hufform. Da das Pferd mit nur einem Satz Knochen und Gelenken geboren wird und der Huf zu ganz unterst die Statik im Pferdkörper mitbeeinflusst, kann der Huf nicht nur für sich betrachtet und bearbeitet werden. Fehler setzen sich in die darübergelegenen Strukturen fort und können so zu Folgeschäden führen– dies muss man bei der Korrektur von Hufen immer mitbedenken.
Sollte man denn überhaupt korrigeren?
Uschi Sündermann: Ja, darüber wird viel diskutiert. Die Gelenke geben wie gesagt die Hufstellung vor und der Huf muss eben zu den Gelenken passen. Das Alter des Pferdes spielt hier eine große Rolle. Bei Pferden im Wachstum finde ich das ganz besonders wichtig. Bei ausgewachsenen Pferden geht es oft auch nur mehr um Schadensbegrenzung und ich versuche eine Verschlechterung zu verhindern. Manchmal haben sich aber auch die inneren Strukturen der Fehlbelastung so angepasst, dass eine tatsächliche Korrektur nicht nötig ist und sogar eher schaden würde, da über die veränderte Hufform eine Problematik weiter oben ausgeglichen wird. Eine Korrektur im Sinne einer optischen Aufwertung wäre in einem solchen Fall kontraproduktiv und würde dem Pferd eher schaden als nutzen. In anderen Fällen wiederum ist sie sehr wichtig. Die Entscheidung fällt bei der Betrachtung des Bewegungsablaufes und unter Miteinbeziehung vorliegender tierärztlicher Diagnosen
Wie kommt es denn zu den meisten Stellungsfehlern?
Uschi Sündermann: Manche Stellungsfehler sind angeboren und durchaus auch rassebezogen, andere sind Folgen von Unfällen, Krankheiten oder schlichtweg zu wenig Bewegung in den ersten Lebensjahren. So stehen Noriker und Haflinger vorne gerne zeheneng. Quarter Horses tendieren häufig dazu an der Hinterhand lange Zehen zu entwickeln. Spanische Pferde neigen oft zu höheren Trachten. Auch die Aufzucht bestimmt ganz wesentlich mit, wie sich Hufe und Hufform entwickeln. Sehr oft bewegen sich Jungpferde viel zu wenig. Dazu kommt mangelnde und zu seltene Hufpflege. – Alles zusammen keine guten Voraussetzungen für die Entwicklung gesunder Hufe.
In der Akademischen Reitkunst beschäftigen wir uns ja auch sehr intensiv mit der natürlichen Schiefe und dem Geraderichten. Immer wieder höre ich von Schülern, dass sie vor allem ihr Auge in der Hinsicht schulen möchte, die Schiefe zu sehen. Auf dem Pferd spürt man diesen Effekt ja ganz deutlich. Wie erkennt man die natürliche Schiefe am Huf?
Uschi Sündermann: Ist mein Pferd rechts hohl, dann habe ich rechts einen flacheren Huf. Die Pferde belasten dann die innere Schulter mehr und nehmen daher auch links vorne mehr Last auf. Das Pferd auf dem Zirkel wird sich leichter nach rechts biegen und kann auch die Tendenz zum Überbiegen entwickeln – das führt zur Mehrbelastung vorne links.
Ich weise auch meine Kunden daher auf die Notwendigkeit hin, das Pferd richtig zu gymnasitzieren. Der Hufbearbeiter alleine kann Schiefen nicht ausgleichen, dazu gehört auch ein durchdachtes Bewegungskonzept. Mit der Zeit können so unterschiedliche Winkelung an den Hufen angeglichen werden.
Viele PferdebesitzerInnen sehen in unterschiedlich hohen oder gewinkelten Hufen tatsächlich auch kein großes Problem, wundern sich aber dennoch, dass die Pferde auf der einen Hand soviel schlechter laufen als auf der anderen. Ob erst die Hufe unterschiedlich hoch waren und dadurch das Pferd schief wurde oder umgekehrt spielt eigentlich keine Rolle. Wichtig ist, dass an den Hufen und an der Geraderichtung gleichzeitig gearbeitet wird.
Der natürliche Abrieb kann hier von Termin zu Termin auch Aufschluss geben, ob die Arbeit mit dem Pferd Früchte trägt.
Was bei der Bearbeitung mit Eisen natürlich schwer nachzuweisen ist?
Uschi Sündermann: Ja richtig. Aber da kommen ja noch weitere Probleme dazu. Der Hufmechanismus wird durch Eisen deutlich eingeschränkt und kann seiner Funktion als Blutpumpe nicht mehr so gut nachkommen. Unterhalb des Karpal- bzw. Sprunggelenks hat das Pferd keine Muskeln mehr, die quasi Blut pumpen und die Nährstoffversorgung für Sehnen, Bänder, Knorpel und Gelenke sicherstellen würden. Der Huf übernimmt diese Arbeit. Kann er allerdings nicht so funktionieren wie ursprünglich angedacht wird der Sehnen- und Bänderapparat nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt, was zu Sehnenproblemen führen kann.
Die meisten beschlagenen Hufe werden auch tendenziell enger, was sich zusätzlich negativ auswirkt. Zum einen wird der Hufmechanismus noch weiter eingeschränkt zum anderen die inneren Strukturen gequetscht, was schmerzhaft für das Pferd ist. Außerdem wiegt ein Hufeisen ja etwas. Hier kann man etwas mehr Aktion vortäuschen, weil Pferde die Beine deutlicher heben. Je länger der Huf, desto mehr Gewicht hängt unten am Pferdebein. Auch bei Gangpferden wird so das Gangbild durch die Eisen beeinflusst, dabei wird aber bei vor allem langen Hufen mit Eisen die Muskulatur unphysiologisch belastet, was sich ja auch wieder schlecht auf Bänder und Sehnen auswirkt. Die Durchblutung des Hufes selbst ist natürlich ebenfalls mit Eisen geringer. Beschlagene Hufe fühlen sich in der Regel kälter an als Barhufe.
Gute Bewegung findet auf leisen Sohlen statt.
Wer sich also für den leisen Schuh des Pferdes entscheidet, sollte einen geeigneten Zeitpunkt wählen?
Uschi Sündermann: Ich beginne die Umstellung immer mit einem ausführlichen Gespräch. Es ist manchmal ein mühsamer Weg, denn in den seltensten Fällen sind die Pferde sofort nach Eisenabnahme voll einsatzfähig. Hufschuhe leisten da gute Dienste. Manche Pferde können auch dauerhaft nur mit Hufschutz über steinigen Boden laufen – ohne konnten sie das zu Beschlagszeiten ja auch nicht.
Viel freie Bewegung über unterschiedlichste Böden und eine dem Pferd entsprechende Fütterung sind die wichtigsten Faktoren für gesunde und leistungsfähige Hufe.
Die meisten Freizeitpferde sind mit Heu und einer passenden Mineralstoffmischung gut versorgt und benötigen kein zusätzliches Kraftfutter. Tatsächlich sind die meisten Hufprobleme im Zusammenhang mit falscher Fütterung zu sehen.
Der Zeitpunkt für eine Umstellung ist an sich egal. Frühling, Herbst, Sommer, Winter – das spielt keine Rolle.
Somit schließt sich der Kreislauf, wenn es heißt, wir Pferdehalter sind in die Pflicht zu nehmen. Bent sagt auch immer gerne, wir haben die Verantwortung: Nicht der Stallbesitzer, der Hufpfleger oder der Tierarzt – wir müssen uns selbst auch ein geeignetes Wissen aneignen…
Uschi Sündermann: …das uns helfen kann auch die richtigen Fragen zu stellen. Man muss nicht alles selbst wissen, aber es ist gut soviel Ahnung zu haben um seinem Hufbearbeiter ein bisschen auf den Zahn fühlen zu können. Ein guter Hufbearbeiter muss plausibel erklären können, was er tut und warum.
Das Internet ist eine gute Möglichkeit um sich Wissen anzueigenen und sein Auge zu schulen. Oft sind wir überrascht wie kurz ein gesunder Barhuf eigentlich ist. Eine gute und seriöse deutschsprachige Quelle ist www.pro-barhuf.de
Tina Gottwald stellt hier dankenswerter Weise ihr Buch zum gratis Download zur Verfügung. Das ist eine ganz gute Einsteiger Lektüre, wenn man mehr über Barhufbearbeitung wissen möchte. Hufkurse sind ebenfalls eine großartige Möglichkeit mehr über den Pferdehuf zu erfahren und mal unter Anleitung selbst Hand anzulegen.
Geschulte Kunden bergen natürlich auch eine gewisse Gefahr, da sie die Qualität meiner Arbeit zu beurteilen wissen. Die Pferde profitieren davon jedoch und daher freue ich mich über das steigende Interesse am Thema Huf und die kritischen Fragen meiner KundInnen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Wer sein Pferd in Balance bringen will, sollte unbedingt auch die Hufbalance ins Auge fassen, dann reiten wir Einfach.
Mehr über Uschi Sündermann gibt es unter www.working-hooves.at.
Grundsätzlich gefällt mir der Artikel sehr gut. Es hat sich aber ein Fehler eingeschlichen.
Ein Pferd das rechts hohl ist, ist ein Linkshänder, das heisst es belastet seine linke Vorhand mehr und dann ist der linke, mehrbelastete Huf flacher.