Ich habe ein Pferd. Und damit jede Menge Verantwortung. Wie groß diese ist und wie sehr uns die Pferde ausgeliefert sind. Darüber ein paar Gedanken:
Du gehörst mir – bist du mir ausgeliefert?
Für den Menschen ist es oft ein magischer Moment. Das Zusammentreffen mit jenem Pferd, das den Herzschlag schneller werden lässt. Jenes Pferd, das uns so viele Glücksmomente beschert. Wir haben uns verliebt und das aus so vielen verschiedenen Gründen.
Wenn wir an unserer Kindheit denken, dann gibt es für viele späterer Reiterinnen und Reiter eigentlich gar keinen wirklichen Grund, warum sie unbedingt mit Pferden zusammen sein wollten.
Ich kann nicht sagen, warum ich unbedingt aufs Pferd wollte. Ich wollte nicht die beste Reiterin sein, ich wollte einfach mit Pferden zusammen sein. Ich wollte unbedingt mit Pferden kommunizieren. ich fühlte mich von Pferden magisch angezogen. Ich hatte das Glück direkt am Waldrand groß zu werden. Bei uns war noch mehr Land als Stadt spürbar. Durch den Hohlweg hinter dem Wald konnte man mit einer Milchkanne zum Bauern marschieren und die Milch direkt am Hof abholen. Es gab viel Natur, rundum war es grün, im Sommer zirpten die Grillen so laut – ich habe sie später beim Studium in Wien so schmerzlich vermisst.
Ich habe oft schon gehört, dass Menschen das Pferd aufsuchen, weil ihnen ein Stück Natur und Naturverbundenheit fehlt. Sie möchten sich durch das Pferd erden.
Es gibt verschiedene Reiter. Ehrgeizige Reiter, die den Sport und den Wettkampf lieben. Sie lieben das Lampenfieber vor dem Auftritt und sie freuen sich über den Erfolg, leiden aber auch sehr bei Misserfolg.
Es gibt Reiter, die wollen sich einfach gerne kümmern. Ihnen ist nicht wichtig, welches Pferd sie bekommen, im Grunde muss das Pferd nicht perfekt sein, es darf so gar die eine oder andere Macke haben. Einige Menschen haben sich dem Tierschutz verschrieben und kümmern sich ausschließlich um Pferde, die den Glanz in Fell und Augen gänzlich verloren haben.
Ich gehör zu dir – bin ich dir ausgeliefert?
Die andere Seite – ich bin meinen Pferden hoffnungslos verfallen. Ich kann heute auch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, wie es dazu gekommen ist – aber Pferde haben mein Leben schon immer irgendwie bestimmt. Ich muss einfach mit ihnen zusammen sein. Und gewissermaßen bin ich auch meinen Pferden ausgeliefert.
Die gute Absicht I
Aber ist jede gute Absicht auch mit den richtigen Handlungen und Konsequenzen verbunden?
Wir suchen uns unsere Pferde aus – diese haben keine Wahl.
Als ich das erste Mal meinen Conversano Aquileja, genannt Konrad gesehen habe, war die Erwartung groß. Ich hatte mich Hals über Kopf in den kleinen Lipizzaner verliebt und war überzeugt davon: Das ist mein Pferd. Nach der Besichtigung bin ich jedoch ein wenig verunsichert nach Hause gefahren. Konrad war eher weniger davon begeistert, dass ich ihn berührte, ihm mal nahe sein wollte. Die Zeit war knapp, die jungen Hengste haben ihre Routine und diese soll – was sehr lobenswert ist – so wenig wie möglich durcheinander gebracht werden.
Konrad und ich sind heute zum Glück sehr innig. Konrad zeigt sehr deutlich, dass er gerne mit mir zusammen ist. Bin ich beruflich ein paar Tage unterwegs, dann muss ich mich wieder sehr „einschleimen“, damit Konrad wieder zufrieden ist. Aber auch hier habe ich eine gewisse Verantwortung. Aber dazu gleich mehr.
Als ich Konrad ausgewählt hatte, da hatte ich die Wahl. Konrad jedoch nicht. Für ihn war entweder ein Leben in der Spanischen Hofreitschule vorhergesehen (hatte ich ein Glück, dass er mit drei Jahren zu wenig im Hengsttyp stehen war) oder er sollte eben einen neuen Besitzer finden. Konrad kam – und das ist mein größtes Glück – zu mir. Seitdem trachte ich danach, ihm ebenso viel Glück zu bescheren. Seit zwei Jahren lebt Konrad im Diät-Offenstall. Früher gab es Abwechslung auf satten Weiden, eine größere Herde und eine eigene Box abends mit eigener Heuraufe. Ich bin mir sicher, das hätte Konrad weiterhin auch gut gefallen – allerdings musste ich für mein sehr barockes Pferdchen eine Entscheidung treffen – zu Gunsten seiner Gesundheit. Und nicht immer sind diese Entscheidungen – auch wenn sie gut gemeint sind rückblickend auch tatsächlich die Besten.
Für Konrad ist im Offenstall alles in Ordnung. Er ist ja mit seinen Brüdern im Laufstall aufgewachsen. Eine eigene Box hatte er nur für ein Jahr bei mir. Er ist ein sehr sozialer Typ, sein bester Freund, der PRE Idolo, der ebenso ein wenig Diät vom satten Gras halten muss, weicht nie von seiner Seite.
Die gute Absicht II
Meine Stute Tarabaya, genannt Tabby habe ich im Dezember 2009 bekommen. Während ich diese Zeilen schreibe muss ich schmunzeln – denn auch da – war ich verliebt, Tabby eigentlich eher unnahbar, explosiv und eher introvertiert. Wo die Liebe hinfällt….
Bei uns hat es viel länger gedauert, erst nach sechs Monaten waren wir „zusammen“ und sind heute ein sehr gutes Team.
Auf seinen Kursen erwähnt Bent Branderup häufig folgenden Satz: „
„Das erste Pferd leidet am Meisten“.
Und Tabby hat sicherlich auch mit mir einiges durchgemacht. Als Tabby wie gesagt zu mir kam, war sie viermal beschlagen. Sie bleib auch eine Zeit lang vierfach „bereift“, zum damaligen Zeitpunkt habe ich mich mit Hufbearbeitung nur so weit auseinander gesetzt, dass ich meinen Schmied mit Fragen löcherte und er uns auch alles genau erklären musste.
Tabby war nicht lange bei mir, da habe ich mich mit beschlaglosen Varianten auseinander gesetzt. Ich habe Bücher rund um das Thema „Eisenlos“ geschmökert, ich habe versucht die Vor- und Nachteile von Eisen oder eisenlos durchzukauen. Danach machten Eisen für mich keinen Sinn, also habe ich mir jemand gesucht der auf barhuf spezialisiert war. Zunächst sah die Sache mal ganz gut aus. Für Ausritte in der steinigen Umgebung haben wir Hufschuhe benutzt – trotzdem – Tabby kam sehr lange ohne Eisen aus, jedoch zeigten sich immer wieder Unregelmässigkeiten im Gangbild. Justament fiel die Sache auch mit einer weiteren Verletzung zusammen, die Hufgeschichte wurde also immer wieder gut „kaschiert“.
Tabby ist zeheneng, belastet die innere Seite der Vorderhufe kaum. Die Wand ist sehr stark nach innen gezogen. Tabby führt die Vorderbeine gerne rudernd aus. Dazu kommt eine eher dünne Sohle plus ein Pferd, das gerne über Stock und Stein am Trail „brettert“ und Schmerzen erst zeigt, wenn es wirklich nicht mehr anders geht.
2017 war Tabby dann stocklahm. Es ging laut Tierarzt ohne Eisen nicht mehr. Ich wollte aber nach wie vor nicht beschlagen. Der Grund dahinter war auch, dass Tabby mit einem Eisenbeschlag in kürzester Zeit Überbeine unter dem Karpalgelenk auf der Innenseite der Vorderbeine entwickelte, die sofort nach Eisenabnahme wieder verschwanden. Kurze Zeit später hatten wir riesiges Glück zum Megasus Test-Team zu gehören. Der Megasus wurde geklebt und hatte eine stark dämmende Wirkung. Tabbys Hufe konnten sich erholen, ihr gesamtes Gangbild und auch ihre Psyche hat sich verändert. Sie wurde weicher. Endlich hatte sie keine Schmerzen. Auf die Megasus Horserunner können wir leider aktuell nicht zurück greifen, das Produkt konnte sich leider nicht am Markt durchsetzen. Tabby trägt Duplo und ist auch damit sehr zufrieden.
Tabbys Hufgeschichte hat mir in Punkto „Ausgeliefert“ ebenso zu denken gegeben. Tabby konnte sich nicht artikulieren. Es war in meiner Verantwortung, ihr eine optimale Lösung für ihre Hufgesundheit zu bieten. Gut gemeint, war nicht immer die beste Lösung. Ich bin nach wie vor ein großer Fan von Barhuf, aber wenn es nicht geht, dann geht es nicht.
Im Jänner 2020 ging dann wirklich nichts mehr. Tabby war zu diesem Zeitpunkt mit so gennanten „Duplos“ beschlagen. Dies ist aktuell die optimale Sache in Punkto „Hufschutz“ – die Lahmheit war jedoch wieder da und schlimmer als je zuvor. Die Röntgenbilder waren wie immer unauffällig, wir haben uns dann entschlossen eine MRT-Untersuchung auf der Veterinärmedizinischen Universität in Wien durchzuführen. Nun wurde sichtbar, warum Tabby Schmerzen hatte: Eine altes Trauma bereitet uns nach wie vor Probleme – vor acht Jahren ist Tabby in ein gefrorenes Gatsch-Loch auf der Koppel gestiegen, hat sich damals schlimm vertreten und am Fesselträger verletzt. Auch das Fesselgelenk trägt von diesem alten Trauma Spuren davon.
Ich bin so froh, dass ich mich für diese Untersuchung entschieden habe. So haben wir Gewissheit und konnten für Tabby die passende Therapie auswählen. Andernfalls wären wir im Dunkeln getappt.
Unsere Pferde sind uns und unserem Willen tatsächlich ausgeliefert. Ich bin mir sicher, die kindlichen Wünsche rund ums Pferd haben sich nie mit dieser Tatsache befasst, noch war ihnen diese Tatsache bewusst oder gar willkommen.
Das Pferd ist uns ausgeliefert, wir haben nicht nur Verantwortung, wir entscheiden alles.
Eigentlich kein schöner Gedanke, vor allem wenn wir uns nach Harmonie und einem schönen Zusammensein mit dem Pferd sehnen. Dieser Gedanke ist jedoch wichtig – auch wenn wir es gut meinen. Überlegen wir uns immer zweimal, wiegen wir alle Pros und Contras ab. Ja, es kann schon sein, dass der eine Trainer billiger oder sympathischer ist.
Aber ist es tatsächlich die beste Wahl fürs Pferd?
Mag sein, dass ein Leben als Barhuf Pferd optimal wäre, aber nicht immer ist es die beste Entscheidung und nachhaltig gesund fürs Pferd. Es gibt viele spannende Bücher über Fütterung – können wir die echten Experten heraus filtern? Die Beschreibungen bei Futtermittel sind Texte, die natürlich auch einen guten Werbe- und Marketingeffekt erzielen sollen. Ist tatsächlich das drin, was die Angabe verspricht?
Unsere Verantwortung ist also immer alles ganz genau zu hinterfragen und zu bewerten. Wir können nicht auf allen Gebieten Experte sein, aber wir können uns mehrere Experten zu Rate ziehen. Prüfen wir durch Nachfrage die Ausbildung, die Erfahrung und die Meinung unserer Experten.
Nicht alles, was am lautesten in sozialen Netzwerken unterwegs ist und sich gut verkaufen kann, verdient das Siegel ein echter Experte zu sein.
Wir haben eine große Verantwortung unserem Pferd gegenüber – dazu gehört auch – immer das eigene Tun zu hinterfragen. Entscheide ich für das Pferd oder entscheide ich für mich?
Ich bin natürlich auch neugierig, was dieser Gedanke mit euch macht? Das Pferd ist uns ausgeliefert? Was denkst du darüber? Hinterlasse mir einen Kommentar, ich bin gespannt!
Lesetipps
Liebe Pferdehttps://einfachreiten.com/liebe-pferde-valentinstag/
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Liebe Anna, danke für deinen tollen Blog-Artikel.
Ich habe mich darin sehr stark wiedergefunden. Meine Geschichte geht um mein Herzenspferd, mit dem ich den Squire-Test – dank dir, liebe Anna, gemeistert habe. Hoch motiviert und voller Bedenken, dass ja mein Herzenspferd schon jenseits der Zwanziger ist, habe ich nach einer jungen Herausforderung gesucht. Es kam, dass ich mein Herz an einen 6-jährigen Lipizzaner verlor – im Nachhinein war es vor allem eine Faszination!
Als der junge Favory in mein Leben trat, war alles anders! Er war toll, er war faszinierend, er war dominant. Er hat die Menschen im Offenstall angegriffen, die Hufpflegerin bedroht, so dass wir rausgeflogen sind. Im anderen Stall konnte niemand abmisten, da er mit angelegten Ohren, steigend, die Menschen verjagt hat. Er hat sehr viel Zeit gebraucht und ich (zwei Kinder und Job) konnte ihm die nicht geben. Er musste in eine Box! Zwar mit Koppelgang, aber ohne Kumpels. Ich war sehr verzweifelt, weil ich eine bessere, pferdefreundlichere Lösung für ihn wollte. Am Ende – nach 1,5 Jahren habe ich eingesehen, dass ICH ihm HIER kein besseres Leben bieten kann. Nicht mit meinen anderen Themen und meinem Opi, um den ich mich kaum noch kümmern konnte. Ich habe es versucht, aber schlussendlich musste ich einen neuen Menschen für ihn suchen. Das war im September 2019. Noch heute träume ich nachts von ihm und überlege, was ich hätte anders und besser machen können. Meine Geschichte ist also nicht so gut ausgegangen, aber ich habe mich bemüht ihn bestmöglich unterzubringen, so dass er jetzt seinen Herzensmenschen gefunden hat.
Ich hatte mich und mein Zeitpensum völlig überschätzt – und er war der Leidtragende. Es tut mir leid.
Liebe Sonja,
Ich kenne dich und den Stormy Opa sehr gut. Ich denke, du hast richtig entschieden, es gib so viele – „was wäre wenn Fragen“ im Leben. Aber vielleicht hast du gerade durch die kurze Zeit mit Favory dafür sorgen können, dass er dann letztlich auch wirklich einen guten Platz gefunden hat.
Es ist auch verantwortungsvoll „Nein“ zu sagen, wenn es wirklich nicht geht.