Der goldene Herbst steht vor der Türe und ich hoffe auf eine langen Altweibersommer. Bleibt es trocken, dann plane ich einige Ausritte mit meinen Liebsten. Geht es dir auch so, oder bereitet dir ein Ausritt Schweißattacken und ein beklemmendes Gefühl 

Ausreiten: Ganz schön gruselig

Ich war 12 und mit Haflinger Stiglitz im Wald unterwegs. Plötzlich ging es steil bergab und der Haflinger rammte die Hufe in den Boden. Keinen Schritt wollte er weiter gehen, nein er wollte den steilen Abhang lieber in einer Höllengeschwindigkeit begab rennen. Mir blieb fast das Herz stehen. 

Ich war 20 und mit meiner Stute Barilla im Wienerwald unterwegs. Wir durften am Rande eines Golfplatzes vorbei reiten. Wohl gemerkt am Rande. Ein Helikopter setzte zur Landung an und ich fürchtete das Schlimmste. Würde meine Versicherung einen Galopp in Panik übe den Golfrasen abdecken? 

Es gibt sie, die gruseligen Situationen im Gelände. Momente, die wir Reiter nie vergessen, sei es auf, mit oder neben dem Pferd. Dabei träumen wir doch genau davon. Wir sehnen uns als Kinder danach, mit dem Pferd eins zu sein, in der Natur zu streunen und uns gemeinsam an deren Schönheit satt zu sehen. Mutig den Wind in der Mähe und im Haar spüren und völlig im Einklang die Geschwindigkeit genießen. 

Wenn die Ausbildung im „Sandkasten“, wie ein lieber Freund von mir das Viereck komplett zweckentfremdet ist, dann ist es wohl keine Ausbildung. Die wenigsten Reiter von uns träumen tatsächlich von Piff, Paff und Puff. 

Wir wären gerne mit unseren Pferden draußen. Dass dann Ambitionen dazu kommen, die uns träumen lassen, Möglichkeiten einräumen, mit unserem Pferd noch besser zu kommunizieren, ja sogar vielleicht zu tanzen – das ist eine andere Geschichte. 

Ambitionen sind völlig in Ordnung. Wir entdecken die Reitkunst, wir lassen uns ein, auf eine Reise in die Geschichte der Reiterei – und vielleicht verlieren wir unseren Kindheitstraum ein wenig aus den Augen. Bis es gruselig wird. 

Ausreiten: Ausbildung und Ziele

Ich möchte kein Pauschaltourist sein, ich möchte Entdecker sein. Ich möchte Bewegung erforschen und meinen Pferden die Möglichkeit geben, stolz und selbstbewust zu sein, wenn wir zusammen sind. Ich möchte meine Ambitionen nicht auf dem Rücken meiner Pferde ausleben – wenn man so sagen möchte, wünsche ich mir, dass meine Pferde Gefallen an der gemeinsamen Zeit finden, gerne mit denken und mit mir tüfteln. 

Aber ich möchte eben auch mit meinen Pferden unheimlich sicher ins Gelände reiten. 

Was wünsche ich mir beim Ausreiten von einem guten Geländepferd: 

  • Ich möchte vom Boden wie auch vom Sattel ein sicheres Gefühl haben und meinem Pferd ebenso Sicherheit vermitteln. 
  • Mein Pferd ist mutig und hat gelernt, gruseligen Objekten mit der Attitüde eines Drachen entgegen zu treten – und außerdem feiere ich mein Pferd wie einen Helden. 
  • Mein Pferd hat gelernt, dass ich Mut aufbringe, wenn es selbst nicht mutig sein kann. 
  • Ich möchte mein Pferd zu jeder Gangart einladen und mich ebenso auch einladen lassen. Es soll aber für uns beide in Ordnung sein, wenn ich eine Einladung zum Galopp ausschlage und lieber im Schritt bleiben möchte. 
  • Ich möchte überall aufsteigen können und wünsche mir ein bisschen Geduld mit mir. 
  • Umgekehrt mache ich keinen Druck, wenn sich mein Pferd etwas anschauen möchte. 
  • Ich möchte immer durchparieren können. 
  • Ich verspreche fit genug zu sein, dass ich unsere Wanderung auch zu Fuß bewältigen kann. Ich möchte mich nicht zum Schaden meines Pferdes tragen lassen. 
  • Ich verspreche für die Fitness meines Pferdes zu sorgen, wir beide sollen freilich auch gesundheitlich von unseren Wanderungen profitieren. 
  • Ich sorge dafür, dass ich mein Pferd und mich nicht physisch überfordere. 
  • Ich vermeide nach bestem Gewissen schlechte Erfahrungen für uns beide. 

Vorbereitung ist die Mutter der Porzellankiste…oder so ähnlich

Es gibt immer wieder Fragen, besonders zu den Spaziergängen im Gelände, die bei mir per Mail rein flattern. 

Ausreiten: Was tun, wenn das Pferd nicht vom Hof möchte? 

Diese Aufgabe würde ich in kleinen Schritten lösen. Meine Stute Tabby war nicht gerne alleine draußen. In Gesellschaft ihrer besten Freundin Pina überhaupt kein Problem, alleine war sie sehr zögerlich und hat sich nicht wohl gefühlt. 

Kann ich es schaffen, in vertrauter Umgebung auch ein paar „schwierige“ Situationen zu kreieren, die wir gemeinsam meistern? Natürlich gibt es auch in der Sandkiste ein paar Challenges. 

Eine Plane jagen oder einen Ball, einen flotten Galopp wagen, Tempo steigern oder drosseln. Wenn wir gemeinsam schwierige Situationen meistern, dann erarbeiten wir uns freilich auch ein gewisses Maß an Vertrauen. 

Manchmal können die ersten Spaziergänge am Besten vom Boden aus absolviert werden. Auf Augenhöhe lassen sich Zögern und Unsicherheit besser observieren. Und man kann freilich auch immer in kleinen Schritten unterwegs sein. Niemand verlangt gleich am ersten Tag einen 30 Minuten Marsch vom Hof weg. In kleinen Etappen können auch sehr gut bekannte Führübungen, wie gemeinsames Angehen oder Halten bewältigt werden. Eine altbekannte Aufgabe mit einer gewissen Erfolgserwartung auf beiden Seiten kann hier helfen. 

Manchmal muss man auch nicht immer in Bewegung sein. Es fühlt sich auch gut an, ein paar Meter vom Hof zu kommen und dann zu grasen oder einfach miteinander inne zu halten. Je weniger Hektik aufkommt, umso besser. 

Eine Diät schafft man auch nicht mit einem langfristigen Ziel sondern am besten mit vielen kleinen Etappenzielen. 

Vielleicht kann auch ein „Stützpädagoge“ das Pferd unterstützen. Manchmal brauchen wir einen Zweibeiner, der uns Sicherheit gibt, die sich wiederum auf das Pferd überträgt und manchmal ist es das Pferd, das von einer Begleitung unheimlich profitiert. 

Erinnern wir uns, als wir unserem Pferd den äußeren, von sich weg biegenden Schenkel und damit ein Kruppeherein beigebracht haben. Wir haben nicht daran gezweifelt, dass es sich lohnt in sehr kleinen Schritten zu arbeiten. Warum also jetzt diese Eile? 

Mein Pferd hat ein Problem mit dem Tempo der anderen Pferde 

Stellen wir uns vor, wir sind gemeinsam auf einem Spaziergang mit einem Freund unterwegs. Ohne uns abzusprechen, werden wir unser Tempo aufeinander einstellen. Manchmal werden wir uns aber in Gesellschaft eines Partners unwohl fühlen, der entweder ein viel zu niedriges oder hohes Tempo an den Tag legt. Wir harmonieren, jedoch nicht gemeinsam in Bewegung. 

Das ist auch für unser Pferde schwierig zu akzeptieren. Eine Freundin hatte einen sehr flotten Wallach. Am Heimweg war er immer schneller als meine Tabby. Wenn sich Tabby sehr angetrieben fühlte, dann wurde sie unleidig. Für sie war es ein schlimmes Gefühl, nicht mithalten zu können. 

Es war für uns absolut okay, den Heimweg in dem Tempo zurück zu legen, welches die Pferde für sich bevorzugten. Das heißt nicht, dass der Wallach meiner Freundin nach Hause durchging, er hatte lediglich längere Beine und war etwas flotter unterwegs. Und Tabby konnte in aller Ruhe ihr Tempo wählen. 

Mein Pferd ist alleine toll, hat aber hinter einem Begleitpferd Probleme

Wir waren in Italien unterwegs und hatten die Karte verloren. In den 90ern gab es noch keine großartigen Navigationsgeräte und wir verließen uns auf die Karte und Ortsangaben auf Straßenschildern. 

Ich beschloss, mich auf meine Reisebegleitung zu verlassen und sagte nichts, als wir an derselben Kreuzung bereits zum dritten Mal abbogen. Wir kamen Stunden zu spät im Hotel an und waren hundemüde….

Was hat diese Geschichte mit der Überschrift zu tun? Sehr viel, denn wir verlassen uns im Alltag auch so sehr auf einen Kollegen oder Freund, dass wir die Verantwortung im schlimmsten Fall gänzlich abgeben. Wenn das Pferd im Gelände nicht mehr zuhören kann, sich nur noch an den vierbeinigen Partner hängt und daran orientiert, dann können wir auch diese Situation in der Sandkiste üben. Wir müssen nicht sofort einen Orientierungsritt von mehreren Kilometern absolvieren, es reicht auch hier in kleinen Schritten ein vorab in der Bahn zurecht gelegtes Aufgabenrepertoire mit auf eine kleine Geländestrecke zu legen. Am besten mit dem Begleitpferd. Das kann nebeneinander, hintereinander unterwegs sein, Seitengänge, Übergänge etc. reiten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die Abfolge sollte aber nicht bekannt sein. Schließlich wünschen wir uns einen vierbeinigen Partner, der uns zuhört und sich nicht alleine an die Übung erinnert. 

Ausreiten: Im Rausch der Geschwindigkeit

Es gibt keine Garantie, dafür, dass ein Pferd niemals durchgeht. Eines Tages ritt ich mit meinem Vater aus. Er auf Tabby, ich auf Pina. Mein Vater hatte den Plan zu testen, ob er mit Tabby von Pina fort galoppieren konnte. 

Es klappte und ich war stolz darauf, dass mein Fuchs sich von Pina und mir im Galopp entfernte. Pina blieb im Schritt am langen Zügel. Sie fing dann ein bisschen an zu piaffieren, wartete aber mit Engelsgeduld, bis ich mal in die Steigbügel geschlüpft und die Zügel aufgenommen hatte. Danach ging es rasant los. Geschwindigkeit bin ich von Pina gewohnt, dann erwacht das Vollblut in ihr. Dummerweise wartete hinter einer Kurve Tabby. Mein Vater war gar nicht so weit galoppiert und belohnte Tabby mit einem Keks. 

Damit hatten Pina und ich nicht gerechnet. Wir kamen beide nicht an dem Punkt zum Schritt, den wir gerne gehabt hätten. Das war gruselig für uns beide – aber, wir waren eben die Geschwindigkeit gewöhnt und auch das ist gut. 

Jede Situation, die wir im Gelände erleben kann vorab geübt werden. Das Durchgehen freilich nicht, aber die Geschwindigkeit. Und auch eine „Notbremsung“ kann geübt werden. Je besser wir das Pferd tatsächlich am Sitz haben, je besser wir verbunden sind und bleiben, je eher uns das Pferd zuhört und wir dem Pferd – umso leichter werden wir solche Situationen meistern. 

Höre auf dein Bauchgefühl im Gelände

So verrückt das auch klingen mag. Meist hatte mein Bauchgefühl recht, wenn dann später etwas passiert ist. Ich habe Stiglitz noch nicht wirklich vertraut und trotzdem gingen wir in den Wald. Barilla und ich waren so überrascht vom Helikopter, dass wir die Situation beide scheinbar angenommen haben, wie sie war und keine große Sache draus gemacht haben. Pina und ich waren beide nicht vorbereitet auf die kurze Distanz, die zwischen uns und Tabby lag, außerdem hatten wir den Galopp in hoher Geschwindigkeit auch irgendwie gestartet und nicht ordentlich geplant. 

Vorbereitung und Planung sind wichtige Faktoren. Dazu gehört aber auch, dass ich in der dressurmässigen Ausbildung große und kleine Galoppsprünge einbaue. Ich übe auch die Geschwindigkeit und ich stelle mir meine Routen gut vor. 

Die Basis startet freilich mit der gymnastizierenden Ausbildung des Pferdes. Wenn wir später ausreiten und dann auch noch den Galopp mit gebeugten Hanken durchparieren – dann ist dies ein großes Glücksgefühl – Ross und Reiter haben dann das Gefühl, die Welt zu erobern und nicht einfach nur die „Sandkiste“. 

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