Du musst das Pferd an den Aussenzügel reiten! Gib dem Pferd doch am Aussenzügel eine Parade! Aussenzügel dran! Es gib so viele Mythen über den Aussenzügel, daher lohnt es sich, dem Außenzügel einmal einen eigenen Artikel zu widmen.

Die Sache mit den zwei Zirkeln

Alle Basis beginnt am Boden. Nachdem meine Schüler Bodenarbeit, Longenarbeit und Handarbeit kennen gelernt haben, geht es natürlich im Sattel weiter. Das Glück auf der Erde ward aber auf dem Rücken der Pferde nicht sofort wieder gefunden.

Dies liegt vor allem an der Sache mit den Zügeln.

Als Menschen sind wir in unserer täglichen Arbeit, generell im Alltag extrem „Handfixiert“. Was es da nicht zu hämmern, halten, reißen, fixieren, lenken, schreiben, tippen und streichen gibt. Das Vokabular für manuelle Tätigkeiten ist beinahe endlos.

Wenn wir in den Sattel steigen kennt unser Pferd bereits die Arbeit mit Paraden, es kann Informationen aus der Hand empfangen und der Hand auch wiederum wichtige Informationen weiter geben.

Wenn wir die Zügel aufnehmen, dann fallen Reiter gerne in alte Muster zurück – oft wird in den Reitschulen das Kommando: Außenzügel dran zum fixen Credo – und zur fixen Hand.

Viele Reiter haben schon mal gehört, dass man das Pferd an den Aussenzügel heranreitet. Richtig. Das impliziert aber, dass etwas in der Vergangenheit geschehen muss, um in der Zukunft die Verbindung an den Außenzügel zu bekommen – oder eben nicht. Diese gewünschte Verbindung und die Vorarbeit in der Vergangenheit wird allerdings gerne abgekürzt, indem man den äußeren Zügel einfach rasch kurz hält.

Wenn wir unser Pferd auf dem Zirkel arbeiten (und selbst auf der langen Geraden in Halle oder Viereck kommen wir mal durch eine „runde“ Ecke), dann haben wir eigentlich zwei Beinpaare: Ein inneres und ein äußeres Beinpaar, dazwischen mehr oder weniger Masse Pferd. Rein Mathematisch wäre es also unlogisch, den inneren Zügel ganz exakt gleich kurz zu fassen, wie den äußeren Zügel. Von einer Zirkelmitte mit Zirkel und Maßband nachgemessen ist der innere Zirkel der inneren Beinpaare schließlich enger als der äußere Zügel. Ein zu kurzes Fassen des äußeren Zügels bewirkt also ein Kurzmachen der äußeren Oberlinie. Dabei war es doch das Ziel bei der Biegung auf dem Zirkel gerade die äußere Oberlinie zu mehr Dehnung einzuladen.

Zurück auf den Boden: in den ersten Führübungen laufen wir rückwärts vor dem Pferd her. Beim so genannten „Following“ oder „Fokus“ lernt das Pferd unserem Körper zu folgen. Die Gerte kann als innerer oder äußerer Zügel angewandt dem Pferd zeigen mit der äußeren Schulter in den Zirkel zu wenden oder über den inneren Zügel den Zirkel zu vergrößern. Auch wenn das Pferd diese Hilfen kennt – der Fehler – leider die schlechte Nachricht sitzt immer im Sattel. Daher ist ein direkter Übergang von der Bodenarbeit in den Sattel auch nicht ratsam. In der Handarbeit schulen wir nicht nur das Verständnis des Pferdes für die indirekten Zügelhilfen – darunter verstehen wir die Führung zwischen den Schultern, sondern auch die direkten Zügelhilfen.

In der Bodenarbeit haben wir über den Kappzaum auf den Schädel des Pferdes eingewirkt. Stellung und Biegung wurde durch die Bewegung im Genick auf die Wirbelsäule übertragen. Wenn wir nun mit einem Gebiss arbeiten, kommt die Einwirkung der Hand zuerst im Unterkiefer an. Dieser muss unter den ersten Halswirbel, nach außen rotieren, somit kann sich eine Biegung auf die gesamte Wirbelsäule des Pferdes übertragen. Im besten Fall springt der Mähnenkamm des Pferdes nach innen über, die Biegung pflanzt sich vom Genick aus durch die gesamte Wirbelreihe fort. In der Bewegung kommt die innere Hüfte nach vorne-unten. Der äußere Brustkorb hebt sich, der innere Brustkorb senkt sich in Rotation. Somit wird ein freies Herausschwingen der Vordergliedmaßen möglich.

Soweit so gut. In der Praxis allerdings stoßen wir zu Beginn auf größere Hürden. Beispielsweise Steifheiten im Pferdekörper. Zunächst spüren wir diese in der Bodenarbeit auf und versuchen bestmöglich durch Gymnastizierung des inneren und äußeren Hinterbeins Balance und Durchlässigkeit, sowie Losgelassenheit zu erarbeiten.

Im Sattel hat der innere Zügel zunächst mal die Aufgabe bei der Erarbeitung von Stellung der primären Hilfe Sitz zu assistieren. Der äußere Zügel übernimmt die Aufgabe, die Biegung im Falle eines Überbiegens zu reduzieren. Gerade das Überbiegen kommt am Anfang gerne vor, allerdings wird der Reiter dann sein Pferd umso mehr auf die äußere Schulter werfen. Ein Festhalten am inneren Zügel (egal ob am Kappzaum oder am Gebiss) führt jedoch zum Festmachen der äußeren Halsmuskulatur bis hin zur gesamten äußeren Oberlinie. Diese Festigkeit wirkt sich wiederum negativ auf die gerade erarbeitete Biegung aus, wenn die innere Hüfte zum Ausfallen „gezwungen“ wird.

Ich wende das Pferd niemals mit dem Gebiss, denn dieses wirkt am Kopf und der hat bekanntlich keine Beine. (Bent Branderup) 

Der direkte Zügel kann das Pferd also sanft lösen und an der Stellung feilen, der indirekte Zügel ist für die Führung der Schultern verantwortlich. Die lösenden Hilfen des inneren Zügels sollen schließlich zu einer deutlicheren Verbindung an den äußeren Zügel führen. Dieser Prozess gelingt nicht so rasch, bedeutet Geduld und vor allem das Schwierigste: Immer wieder nachgeben. Aber ein kleiner Trost: Schon Guérinière schreibt 1733, dass es die größte Schwierigkeit für den Menschen nachzugeben ist. Willkommen also im Club 😉 

Der innere Zügel führt die Schultern des Pferdes nach außen, der äußere Zügel führt die Schultern nach innen. Eine der ersten Übungen ist daher auch das Verkleinern und Vergrößern einer Zirkellinie. Der äußere Zügel darf bei der Führung der Schultern eben nie so stark einwirken, dass er Einfluss auf das Gebiss bzw. den Unterkiefer nimmt.

Bereiten wir das Pferd also gut in der Bodenarbeit bzw. später in der Handarbeit auf den indirekten Zügel vor – dann haben wir es vom Sattel aus später leichter und Reiten Einfach 😉