Arbeit an der Basis – oder – Mensch ärger dich nicht! Das heißt es zurecht, wenn der Mitspieler die eigene Figur vom Brett kickt und alles zurück auf Start setzt. Man muss nicht unbedingt Brettspiele mögen, um Pferde auszubilden, aber man sollte zumindest kein Problem mit dem Thema haben, wenn es wieder heißt: „Zurück an den Start“.
Die Basis für Stärken und Schwächen
Mein Lipizzaner Konrad liebt es mit Versammlung zu spielen. Er feiert sich selbst, reagiert auf meine Körpersprache, liebt es zu gefallen und sich stolz zu präsentieren. Perfekt, kommt da noch ein Aber? Oh ja! Konrad verliert die Losgelassenheit und Entspannung. Die Übertragung des korrekten Rückenschwungs ist vermeintlich gut, aber an der Art, wie die Vorderbeine aus dem Rumpf schwingen, kann ich erkennen, dass die Oberlinie kurz geworden ist, der Vorgriff fehlt, die falschen Muskelketten sind aktiviert. Im Übermut haben wir nicht richtig aufgepasst und den Blick für die kleinen Dinge verloren. Da heißt es: Zurück an den Start. Zurück zur Basis
„Basis ist nur Basis, wenn sie für irgend etwas Basis ist“
Bent Branderup
Wer einmal einen Kurs mit Bent Branderup besucht hat (übrigens ist es demnächst wieder soweit, wir freuen uns schon auf den Kurs mit Bent Branderup am 4. und 5. Juli 2020 am Horse Resort am Sonnenhof in Hart bei Graz)….also, wer einmal einen Kurs mit Bent besucht hat, kennt bestimmt das oben genannte Zitat. Wie oft freuen wir uns über die großen und kleinen Erfolge, aber irgendwo auf der Strecke haben sich kleine Fehler eingeschlichen und es heißt: Zurück zu einer bestimmten Stelle, da wo die Bassi verloren gegangen ist.
Warum reden wir über die Basis?
Erst neulich habe ich mit einer Schülerin über die Stärken ihrer talentierten Lipizzaner Stute gesprochen. Die energetische junge Dame hat ein schnelles Hinterbein, sie kann ganz leicht kurze Tritte anbieten, ist in Windeseile vom Boden wieder weg. In der Versammlung die Energie verlieren? Das wird niemals ihr Thema sein, jedoch aber die Losgelassenheit nicht auf Kosten der hohen Energie zu verlieren. Ganz anders bei meiner Warmblutstute Tabby. Da konnte ich sofort in Dehnung ausschwingen lassen, vergessen war die Plackerei der Hankenbeugung. Entspannung „Marsch“ – nach vielen Jahren Arbeit mit meinem heißen Feuerstuhl war das kein Problem mehr.
Was wir also heute noch als Schwäche empfinden kann morgen schon unsere Stärke sein.
Was ist eigentlich meine Basis?
Wo fängt Basis an? Geht es hier um Balance? Geht es ums Geraderichten? An erster Stelle steht immer die Beziehung. Die schönste Basis ist die Verbundenheit miteinander, das gegenseitige Einverständnis, etwas miteinander unternehmen zu wollen. Mein Lipizzaner Konrad und ich waren sofort ein Herz und eine Seele. Vor kurzem waren wir in der Halle und haben einen lautes Geräusch gehört. In einer der Innenboxen hatte sich ein Pferd mit einem Fuß in einem Heunetz verfangen. Ich habe ganz schnell meiner lieben Kollegin Julia Kiegerl Konrads Longe zugeworfen und bin losgerannt. Konrad war außer sich. Er war alarmiert und wie immer besorgt, denn schließlich näherte ich mich dem seltsamen Geräusch. Eigentlich wollte er mir sogar nach galoppieren.
Ich habe Konrad dann später erzählt, dass er mir immer eine große Freude macht, wenn er sich in Punkto Bewegung ausprobiert und wir miteinander tanzen. Die größte Freude macht uns aber mit Abstand unsere Beziehung. Somit kann mein kleiner Schimmel eigentlich gar nicht falsch machen!
Unsere Basis ist also unser Beziehung. Theoretisch können wir ein ausgebildetes Pferd kaufen, das „Piff, Paff und Blamage“ (Zitat Bent Branderup) beherrscht, aber wie im Leben so auch in der Reiterei – wir können uns keine Beziehung zum Pferd kaufen. Diese muss entstehen und wachsen. Bei Konrad und mir ging das wie gesagt sehr schnell und innig. Viel länger hat es bei Pina gebraucht und auch heute empfindet sie einen Besuch von auswärts gerne als „unbefugte Inbetriebnahme“. Auch Tabby war skeptisch, aber ich kann mich heute absolut auf mein Herzenspferd verlassen.
Vor drei Jahren waren wir auswärts auf einem Kurs. Tabby war fröhlich bei der Fahrt, gut gelaunt bei unserem Ausflug und hat als vierbeiniger Stützpädagoge einer weiteren Fuchsstute bei der Wappenträgerprüfung in der Halle seelisch Beistand geleistet. Beim Kurs hat sie mir zugehört wie nie, bereits Freitag nach der Hängerfahrt hat sie mich mit einer Longenarbeit begeistert, die eigentlich so gar nicht ihr Favorit ist. Auch an diesem Freitag habe ich meinem Pferdchen gesagt: „Ganz egal, was morgen oder übermorgen passiert. Ich bin bereits sprachlos und dankbar, dass du mich so begleitest“.
Tabby hat mir gezeigt was Teamwork ist – und vor dem Kurs hatte ich mir auch tatsächlichen ganz spezielles Training vorgenommen. Damals haben wir viel Zeit miteinander verbracht, ich habe bei Tabby ein Buch in der Box gelesen und nicht sonderlich viel trainiert. Wir hatten einfach Spaß und waren gut gelaunt. Nicht immer ist es mir davor gelungen, den Druck so aus unserer Beziehung zu nehmen.
Über den Inhalt nachdenken ist Basisarbeit
Tabby hat mir außerdem beigebracht, die Basis genau zu formulieren. Was ist der Inhalt von Balance? Welchen Zustand möchte ich da eigentlich vom Pferd haben? Warum ist Balance nützlich, wenn wir Pferde ausbilden? Wie soll Stellung und Biegung aussehen und wie kann ich welchen Fehler korrigieren? Warum beschäftige ich mich mit der Ansprache eines inneren und eines äußeren Hinterbeins?
Wenn wir verstehen, warum wir den Inhalt ausbilden, dann ist es auch einfacher den Weg zu erarbeiten.
Basis-Beispiel Kruppeherein
Die Ansprache des äußeren Hinterbeins erarbeite ich mir sehr gerne im Stand. Und auch hier gilt es bereits bei den ersten Schritten eine gewisse Basis erarbeitet zu haben. Die Gretchen-Frage lautet nämlich:
- Kann mein Pferd sicher stehen?
- Kann es in aller Ruhe zuhören?
Die Erarbeitung des Kruppeherein ist mit der Etablierung der Sekundarhilfen verknüpft. Es geht um die Entwicklung einer gemeinsamen Kommunikation. Zu Beginn erwarte ich mir noch keine besonderes Formgebung in der Wirbelsäule des Pferdes. Ich möchte nur, dass mein Pferd in aller Ruhe stehen bleibt. Das erste Etappenziel ist das Zuhören, das zweite Verständnis und Klarheit bezüglich meiner Anfrage und das dritte Ziel ist Balance.
Ich stelle mich vor oder seitlich neben mein Pferd und hebe langsam die Gerte über die Kruppe. Zu Beginn lasse ich mich gerne auch von einem Helfer außen unterstützen. Wenn das Pferd geradeaus blicken darf und zu Beginn noch keine korrekte Biegung ausführen muss, erraten die meisten Pferde ganz schnell, welches Hinterbein ich mit der Gerte anspreche. Eine weitere Voraussetzung für die Erarbeitung des Kruppeherein sind die Basis Führübungen. Hier haben wir gemeinsam angehalten und sind auch gemeinsam in Bewegung gekommen. Wir haben über das Halten auch einen Abstand festgelegt, der uns gut tut und diesen gegebenenfalls auch korrigiert. Nun geht es ebenso um die Einhaltung des Abstands, das bedeutet – wenn das Pferd die zeigende Gerte als Signal für den äußeren Schenkel interpretiert, wünsche ich mir eine Bewegung der Hinter- jedoch nicht der Vorhand. Hier kommt die Balance ins Spiel. Daher eignet sich die Basis Arbeit mit dem äußeren Schenkel so wunderbar zur Schulung von Achtsamkeit und Bewusstsein für Balance.
Ist die Basis des Verständnis und der Balance geschaffen, dann kann ich die Arbeit mit dem äußeren Hinterbein mitnehmen in Bewegung und die Formgebung langsam ebenso erarbeiten. Auch dafür brauche ich wieder eine gewisse Basis, nämlich den inneren Schenkel.
Basis ist tatsächlich nur dann Basis, wenn sie für etwas Basis ist. Später wird unser Travers die Basis für ein korrektes Angaloppieren sein, oder für die Arbeit an Geraderichtung und Versammlung.
Wenn die Basis hilft
Immer, wenn eine Sache nicht rund läuft, heißt es rückwärts denken, um vorwärts zu kommen. Wo ging auf meiner Reise ein bestimmtes Ausbildungselement verloren? Hilfreich ist es, wenn wir über einzelne Elemente nachdenken und diese bewerten.
Wie steht es also um
- Balance,
- Losgelassenheit
- Durchlässigkeit
- Tempo
- Takt
- Schwung
- Formgebung
- Geraderichtung
- Versammlung
Jedes Element an sich erzählt uns eine Geschichte rund um die Ausbildung. Ich kann Versammlung ohne Losgelassenheit erarbeiten, aber fühlt es sich dann gut an? Nein. Kam mir die Losgelassenheit abhanden, weil die Aufgabe für das Pferd zu schwierig ist? Weil ich zuviel wollte? Weil ich das Vorwärts vernachlässigt habe? Meist ging ein Gedanke aus der Basis verloren. Es ist spannend anhand der einzelnen Elemente der Reitkunst Ursachenforschung zu betreiben.
Was ist die Basis, die jeder braucht?
Die Freundschaft zum Pferd ist ein wichtiger Punkt bei der Betrachtung von Basis. Basis ist aber auch das Einverständnis des Pferdes, mit dem Menschen etwas zu unternehmen. Es ist das Übernehmen von Verantwortung von Seiten des Ausbilders. Wir träumen vielleicht von bestimmten Lektionen, von Leichtigkeit oder auch einfach von einem entspannten Galopp im Gelände. Das alles geht nicht ohne gegenseitigen Respekt und Vertrauen. Zu einer echten Freundschaft gehört aber auch die Verpflichtung, das Pferd auf bestimmte Situationen vorzubereiten, die in seinem Leben unabdingbar sind. Dazu gehört die Pflege der Hufe, der Besuch des Tierarztes und vieles mehr. Basis bedeutet also nicht Lektionen, Basis bedeutet eine gemeinsame Kommunikation zu entwickeln, die das tägliche Zusammensein harmonisch und sicher ablaufen lässt.
Wieder mal Basisarbeit?
Mit meiner Stute Tabby habe ich bis zuletzt immer wieder an unserer Basis gearbeitet. Manchmal wäre ich gerne einen Schritt weiter gegangen. Ich hatte manchmal das Gefühl immer wieder dieselben Inhalte zu arbeiten – und damit hatte ich freilich recht. Aber wir konnten dem Inhalt mehr Tiefe verleihen. Wir konnten nach und nach jedes Element der Ausbildung für sich ein bisschen weiter schleifen. Aktuell ist Tabby verletzt. Wir wissen mit Juni 2020 nicht konkret, wie es mit ihr weiter geht, eine alte Verletzung am Fesselgelenk links vorne macht uns zu schaffen. Und doch konnte die Basisarbeit in den letzten Wochen überraschend zu einer Verbesserung der Bewegungsqualität beitragen. Wir konnten zuletzt in der Crossoverposition Langer Zügel arbeiten, die Hinterhand ansprechen, ohne dabei zuviel Energie zu entladen. Ich denke, wir waren selten so einig, wie wir uns gemeinsam bewegen sollten. Vielleicht hilft uns später die Basis in der Reha. Zuletzt hätte ich mich sehr darauf gefreut, einzelne Bausteine wieder noch weiter zu verfeinern. Wir werden sehen, was die Zeit bringt.
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