Der Weg von der Parade zur Hankenbeugung
Was ist eine Parade und wie führt sie zu korrekter Hankenbiegung? Diese und viele weitere Fragen beantwortete Bent Branderup beim Kurs in Ainring bei Salzburg, organisiert von Andrea Harrer Mitte Oktober.
Ich babe ein „Best of“ – Paradezitate von Bent Branderup aus dem Kurs für euch zusammen gefasst:
„Die Parade ist nicht das, was die Hand macht, sondern das, was das Pferd macht. Die Parade kann vom Boden aus durch die Körpersprache ausgelöst werden, später auch vom Sitz. Die Handeinwirkung an sich ist ja noch keine Parade. Es soll ja auch nicht der Reiter piaffieren, sondern das Pferd – die Parade ist somit auch nicht das, was der Reiter macht, sondern die Antwort des Pferdes auf die Einwirkung des Reiters.“
Arbeit im Stand:
„Wir beginnen mit der Arbeit im Stand. Wir können so gut sehen, wie die Parade auf das Pferd übertragen wird und wie die einzelnen Gelenke auf die Parade hin reagieren. Durch die Bewegung können wir aber verstehen lernen, was wir im Stehen nicht falsch machen dürfen. Im Stand muss man also auch immer an das Vorwärts denken“.
Korrektes Vorwärts?
„Was macht ein korrektes Vorwärts aus? Zum einen ist die Tätigkeit aus dem Hüftgelenk ein ganz entscheidender Faktor. Aus der Hüfte heraus wird der Fuß nach vorne gehoben – Hüft- und Beckentätigkeit in Kombination machen dann das Vorwärts aus. Wenn ein Hinterfuß nach vorne geht, dann geht das Becken auf der einen Seite nach vorne und runter – auf der gegenüberliegenden Seite geht es hinten hoch. Wenn wir also eine Parade geben, dann müssen wir danach trachten, die Beckentätigkeit nicht zu reduzieren. Werden Ausbinder verwendet, dann kann das Becken seine spezifische vor- und runter Bewegung nicht mehr korrekt ausführen. Die Wirbelsäule wird steif, die Beckentätigkeit reduziert. Die Hüfte wackelt zwar wahrnehmbar, allerdings ist die natürliche Bewegung reduziert. Wenn ich meine Arme verschränke bin ich zwar nicht besonders steif, aber mein Rückenschwung ist nicht mehr ein Trab Rückenschwung, sondern ein Pass Rückenschwung. Ich muss die Arme also locker halten, damit ich als Mensch eine diagonale Schwungrichtung zwischen beispielsweise linkem Bein und rechtem Arm im Gehen habe. Wir müssen also immer überdenken, wie Schwungrichtungen natürlich im Körper übertragen werden“.
Vorne oder hinten beginnen?
„ Schwung wird aus der Hinterhand ins Becken und dann über die Wirbelsäule übertragen. Wen wir also am Kappzaum und am Schädel Einfluss auf das Pferd nehmen gibt es von Natur aus eigentlich so gar keine Logik, warum das Pferd hinten reagieren soll. Deswegen müssen wir uns im Klaren sein, dass es hierfür keine natürliche Hilfe gibt. Es ist nirgends am Pferd ein Hebel angeschraubt und wenn man diesen Hebel zieht, dann greifen die Zahnräder ineinander und dann geschieht das Gewünschte garantiert.“
Worum geht es eigentlich?
„Beim Projekt Reitkunst geht es darum, den Schwerpunkt von Reiter und Pferd in Übereinstimmung zu bringen“.
Was haben Beschleunigung und Entschleunigung mit Tragkraft und Schubkraft zu tun?
Entschleunigung und Vorhand: „Wenn die Hinterhand nicht am Abbremsen, an der Entschleunigung beteiligt ist, dann muss die Vorhand das alleine erzeugen und das ist für uns Reiter sehr unbequem. Wo ist die Tragkraft nach der Entschleunigung? Gehen wir von einer Croupade aus: Das wären dann eine Levade, also absolute Tragkraft und der Sprung in die Croupade – hier finden wir Federkraft. Diese Federkraft kann sich auch in Schubkraft umwandeln. Wenn das Pferd also in der Hand leicht bleibt, sind Federkraft und Tragkraft überwiegend, wird das Pferd schwer in der Hand wissen wir um die Dominanz der Schubkraft. Darum ist die korrekte Formgebung der Wirbelsäule für eine korrekte Kraftübertragung von großer Bedeutung. Dies betrifft natürlich auch die Parade. Ich vergleiche es gerne mit einem Wasserschlauch: Wenn dieser schön und sauber liegt, dann kann Wasser durchlaufen. Wenn ein Knick im Schlauch ist, dann ist das wie zwei Knochen die nicht zueinander passen und die Bandscheiben dazwischen. In einer falschen Form kann sich also weder Schwung noch eine korrekte Parade übertragen.“
Wie man beginnt Paraden zu schulen:
„Gefühlsmässig muss die Parade da anfangen, wo wir das Pferd spüren. Am Anfang stehen wir in der Ausbildung vor dem Pferd und überblicken seinen gesamten Körper. Die erste Etappe auf dem Weg zur Parade ist die Erarbeitung einer korrekten Stellung. Verwirft sich das Pferd im Maul und rotiert mit dem Unterkiefer nicht wie gewünscht bei korrekter Stellung nach außen, ist das Verwerfen ein Symptom, die Ursache können wir im Brustkorb des Pferdes suchen. Im Genick kann ich also Symptome erkennen, die aus der Hinterhand kommen. Wenn man beim Verwerfen nach innen also das Genick wieder senkrecht stellt mit Hilfe des Außenzügels, dann hat man zwar das Symptom gelindert, die Ursache ist aber noch nicht weg. Was man also in der Hand hat, das hat man „hinten“ nicht getan. Der Schädel spiegelt die Tätigkeit, die aus dem Becken kommt“.
Warum ist Schulterherein also eine lösende Lektion?
„ Wir treiben den inneren Hinterfuß nach vorne und aktivieren damit eine Muskelverbindung. Wir möchten gerne die Bauchmuskulatur aktivieren, das Becken soll sich mit dem inneren Hinterfuß im Vorgriff vor und runter bewegen. Wir haben also einen Brustkorb, Wirbel mit Dornfortsätzen und Rippen. Pferde haben aber keine knöcherne Verbindung zwischen Schulter und Wirbelsäule – ihnen fehlt das Schlüsselbein. Daher ist die thorakale Muskelschlinge von so großer Bedeutung. Das Schulterblatt ist relativ lose in der Muskulatur aufgehängt. Wir wollen nicht, dass sich die Muskulatur des Brustkorbes „feststellt“ der Brustkorb soll außen hoch und innen runter rotieren. Wir nehmen in der Bodenarbeit die Gerte unter den Hals und später über den Hals und locken den Brustkorb nach innen. Genau deswegen ist Schulterherein eine lösende Lektion. Die meisten Reiter verwechseln aber Schulterherein mit Schulterheraus. Dann wird das Pferd quer zur Wand gestellt, das äußere Vorderbein geht rückwärts unter den Bauch und mit den Brustkorb außen runter. Geht der Brustkorb außen herunter, dann geht die innere HÜfte nicht nach vorne. Es ist also alles miteinander verknüpft. Im Stehen können wir daher Anfangs unser Auge schulen, ob die äußere Schulter tatsächlich entlastet wird. Der äußere Zügel fordert das Pferd auf zur Dehnung der Oberlinie, das kann es aber eben nur, wenn sich die innere Unterlinie abkürzt – und hier ist der innere Schenkel eben gefragt.“
Warum das Nachgeben so schwer ist?
„Guérinière sagt, das Schwierigste ist das Nachgeben, das Sinkenlassen der Hand. Wenn man nachgibt und das Pferd weiß nicht wie es reagieren soll, kann man diese Hilfe ja nicht unbedingt verstärken. Man kann nur einmal nachgeben. Daher ist das abwärts strecken ein so wichtiger Teil der Aufgabe „Parade“. Der typische Fehler ist, wenn der Reiter vor dem Pferd steht und den Schädel am Kappzaum in die Tiefe zieht. Dann fange ich lieber mit einem Leckerli an. Das Pferd streckt sich zum Leckerli hin abwärts. Die Verwendung von Hilfszügeln, beispielsweise Schlaufzügeln würde jene Muskeln trainieren, die wir eigentlich nicht ansprechen wollten, das Pferd bildet einen Unterhals.“
Warum sollen die Vorderbeine dort auffußen wo die Nase hinzeigt?
„Der Oberarm sollte in der Dehnungshaltung nach vorne schwingen, das Vorderbein sollte unter der Nase auffußen. Die Hinterhand gibt dem Brustkorb eine Schwungrichtung, die Tätigkeit aus dem Rücken wird auf die Vorderbeine übertragen. Jeder kennt den Spruch, dass die Vorderbeine dort auffußen sollen, wo die Nase hinzeigt, aber die Wenigsten wissen eigentlich warum: Das Pferdeauge unterscheidet sich vom Menschenauge. Wir Menschen haben eine runde Pupille, bei der Katze ist sie senkrecht. Was uns aber mit der Katze verbindet ist, dass wir eine Beute mit beiden Augen sehen wollen. Wir wollen die Beute auch mit Abstand erkennen und sehen wollen. Das Pferd sieht mit den Augen nur ein relativ kleines gemeinsames Bild. Die Pupille ist eher horizontal. Das will heißen, dass ein Pferd mit korrekter Neigung des Kopfes bei starkem Sonnenlicht den Punkt unter der Nase sehen kann. Das hat die Evolution so eingefädelt, damit das Pferd so sehen kann, wo es mit den Vorderbeinen auffußt. Es soll mit den Hinterfüßen in die Spuren der Vorderfuße hinein treten und nicht darüber hinweg. Die Wahrscheinlichkeit zu stolpern ist so minimal.“
Ist das Pferd immer steif im Maul?
„Wir müssen unsere Hände schulen. Man darf das Pferd doch nicht im Maul für eine Steifheit strafen, die eigentlich aus der Schulter kommt. Dafür kann das Maul ja nichts. Wo könnte also jegliche Steifheit in meiner Hand herkommen? Dies gilt es zu analysieren. Wir geben eine Parade und spüren eine Steifheit. Kommt sie aus dem Genick, oder aus den Schultern? Ist der Unterkiefer fest und die Zunge steif? Dass immer das Maul eine Quelle für Steifheiten ist, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn man dann mit dem Gebiss diese vermeintliche Ursache bearbeitet, dann macht man wieder aus Symptomen Ursachen. Es ist relativ selten, dass ein Pferd von Anfang an im Maul steif ist. Wir haben schon viel zu viele deformierte Mäuler gesehen, daher ist die Schulung der Hand alles. Im Idealfall soll das Gebiss den Kiefer gar nicht berühren, sondern die Weichteile.“
Negatives Feedback über das eigene Pferd vom Trainer?
„Das Pferd ist nicht gut genug? Ich würde es eher anders formulieren. Der Ausbilder ist vielleicht nicht gut genug, um das Pferd zu fördern. Es gibt Ausbilder, die brauchen ein gigantisches Pferd, das er nur mittelmässig arbeitet. Die Fähigkeiten des Ausbilders werden von unseren Pferden gespiegelt“.
Rückengänger versus Schenkelgänger und die Sache mit dem Schwung
„Ist der Schritt eine schuwnglose Gangart? Der Schritt hat keine Schwebephase, das ist richtig. Allerdings entstehen die größten Nickbewegungen des Pferdes im Schritt. Der Schwung kommt im Schritt einen halben Takt später an. Dominiert der vorgreifende Hinterfuß, dann schwingen die Ohren nach vorne runter, die Nickbewegung zeigt an, ob das Pferd über den Rücken geht, was beim dominierenden Rückschub aus der Hinterhand anders aussieht, das Pferd federt im Kopf nach hinten oben. Wir müssen mit der Hand lernen den Schwung zu erspüren und nicht ihn zu erwürgen. Wenn man glaubt mit Gewicht in der Hand reiten zu müssen, dann wird der Schwung erwürgt, das ist dann kein „am Zügel“, sondern auf dem Zügel. Wenn der Vorgriff aus der HInterhand nicht gesichert ist, dann können wir keine konstante Anlehnung haben.“
Über das Leichttraben
„Leichttraben macht man deswegen, weil man beim Aufstehen eine Vorwärtsverlagerung des Schwerpunktes macht. Wenn man den Hinterfuß korrekt nach vorne lockt, dann kann man das Pferd im Anschluss wunderbar sitzen. Kann man aber nicht gut sitzen, dann hat das Leichttraben nicht geklappt. Wenn man das Pferd durch Leichttraben aber nur hilflos auf die Schultern donnert und danach nicht mehr aussitzen kann, dann ist das Projekt Reitpferd gescheitert. Wenn der Schwerpunkt von Reiter und Pferd übereinstimmt, kann ich beginnen mit dem akademischen Sitz zu arbeiten. Der pyhsische Sitz arbeitet mit der Rotation des Brustkorbes, der statische Sitz platziert das Gleichgewicht. Wenn das Pferd diese Form des Reiters spiegelt, dann stimmt alles überein. Fällt das Pferd aber mit dem Brukstorb über ein VOrderbein, dann spüren wir das in der Hand am Zügel. Dieses Gewicht ist aber auch mit dem Oberschenkel spürbar – dann dreht man den Absatz raus und versucht dem Brustkorb wieder den korrekten Schwung zu geben“.
Über den Sitz
„Wenn wir das Gesäß öffnen können, also einen offenen Sitz haben, dann sitzen wir in einer guten Mittelpositur, Kopf parallel zu Kopf, Schultern parallel zu Schultern. Beide HInterbeine schwingen nach vorne. Nehmen wir nun den Oberkörper in eine kleine Parade in Richtung innerern Hüfte, kann es bei manchen Pferden sogar reichen, den eigenen Kopf ein bisschen zu senken und zu heben. Bei manchen ist es nur mein Schulterblatt, das mit der Hand zurück geht. Hat das Pferd auf den Sitz korrekt reagiert optimal – passiert das Gegenteil kommt automatisch die Hand, dafür muss aber das Pferd die Einwirkung der Hand verstanden haben. Ich kann mit meiner Hand kein Gewicht erzeugen, ich muss aber immer zuerst und weiterhin den Hinterfuß daran erinnern, seine Arbeit korrekt auszuführen. Das heißt im Umkehrschluss muss analysiert werden, ob die Parade den HInterfuß kurz oder breit treten hat lassen. Wir müssen also die Fähigkeit entwickeln, dem Hinterfuß eine Mitteilung zu geben. Wenn der Hinterfuß ausweicht? Worin besteht der Fehler? Daher ist es so wichtig, dem Pferd niemals beizubringen vom Schwerpunkt weg zu treten.“
Warum tun wir das alles überhaupt ?
„Wir können Pferde für einen Zweck ausbilden – über bunte Stangen zu springen ist kein Zweck. Es gibt heute eigentlich keinen Zweck mehr, da wir das Pferd nicht mehr für eine Gebrauchsreiterei benötigen. Es gibt nur einen Zweck: Das ist Zeit schön zu verbringen. Wenn aber meine schön verbrachte Zeit zu seinem Verderben führt, dann ist die Zeit nicht schön verbracht. Wenn man das Pferd nach der Arbeit wieder auf die Weide lässt, so kann es später vielleichit schöner traben in den Augen einer anderen Pferde. Der Mustang Hengst wird sich aber über den Weltmeister der Dressur totlachen.“
Reiten wir also zu unserer und zur Freude des Pferdes, dann Reiten wir Einfach 😉
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