Seit dem Kurs mit Branderup Trainer Jossy Reynvoet, der ja seinen Fokus ganz auf „Bitless Art of Riding“ legt, hat auch mich die Leidenschaft fürs gebisslose Reiten gänzlich gepackt. Branderup Trainerin Bianca Grön erzählt mir im Interview über die Entwicklung des Cavemore. 

Akademische Reitkunst ohne Gebiss? Diese Idee verfolgt mich bereits seit August 2013. Auf der Sommerakademie der Ritterschaft der Akademischen Reitkunst präsentierte Bent Branderup das von ihm entworfene Cavemore und natürlich musste ich sofort eines erwerben. Jetzt besitzen alle Pferde ihr eigenes Cavemore: Tabby trägt momentan Jossys Cavemore, Pina reite ich mit dem Cavemore, das von Bent Branderup entworfen wurde.

einfachreiten_kleinAber wie kam es eigentlich zur Entwicklung des Cavemore? Darüber wollte ich mehr von Bianca Grön wissen, bei der Interessierte das Cavemore auch erwerben können:

Gemeinsam mit Bent Branderup hast du das Cavemore entwickelt. Wie kam es überhaupt zu dieser Idee?

Bianca: Die Idee von dem Cavemore hatte Bent ganz alleine. Ich war eher diejenige, die diese Idee in die Tat umgesetzt hat.

Der Ursprung dieser Idee entstand mit Bents Jungpferd Cara, der sich nicht wohl fühlte, mit einem Gebiss im Mund. Eine Zahnärztin sagte hierzu, dass Cara eine sehr fleischige Zunge und einen flachen Gaumen hat, so dass jegliche Gebisse von ihm nicht allzugerne angenommen werden würden. Eines Tages wollte Bent somit eine gebisslose Zäumung probieren. Hierzu baute Bent an ein Hackamore, das ich noch herumliegen hatte, einfach zwei Ringe an, so dass nicht bloß die Hebelwirkung des Hackamores zu nutzen waren, sondern auch die Einwirkungen eines Kappzaumes. Das war die Geburtstunde der allerersten zunächst provisorischen Version des heutigen Cavemore.
Als wir dann später mit dem Cavemore in Produktion gingen, musste natürlich noch ein Name her. Bent hatte sich dann für das „Cavemore“ entschieden. Hier ist in der Wortfindung sowohl das Cavecon, als auch das Hackamore enthalten.

Kannst du ein bisschen über die Entwicklung erzählen? Wie kam das Cavemore zu seiner jetzigen Optik und Funktionalität?

Bianca: Als der Entschluß fest stand, dass das Cavemore produziert werden würde, war auch klar, dass es zudem hübscher sein sollte, als die Standard-Hackamore zu der Zeit. Für Bent ist die Funktion das Allerwichtigste, aber dennoch sollte das Cavemore auch dekorativ sein. Bei den Zeichnungen für die Shanks, also den Seitenteilen aus Metall, haben wir uns vom Stil her an der Renaissance Kandare von Bent orientiert, die er vor vielen Jahren entworfen hatte. Somit ist das Cavemore etwas verspielter, als die herkömmlichen Hackamore. Als der erste Prototyp entstand fiel mir auf, dass die Shanks direkt vor der Maulspalte des Pferdes hingen, was besonders bei meinem damaligen Hengst zum Problem wurde, da er ständig versucht hatte, dort hineinzubeißen. So haben wir einfach die Unterbäume umgezeichnet und so produzieren lassen, dass sie weiter nach hinten gebogen sind. Mit der jetzigen Form animieren sie das Pferd nicht dazu, hineinzubeißen. Auf die Funktion an sich hat das keine Auswirkungen.

Die Einwirkung des Cavemore ist vergleichbar mit der Funktion eines Kappzaumes kombiniert mit der Hebelwirkung eines Hackamores. Als Werkzeug ist es also ähnlich wie die klassische Kombination von Kappzaum und Kandare. Hierbei wirkt das Cavemore jedoch auf das Nasenbein des Pferdes anstatt auf den Unterkiefer, so wie es die Kandare tut.

Meine Erfahrung mit dem Cavemore: Bei der sehr sensiblen Vollblüterin bin ich sehr begeistert, sie rollte sich mit Kandare oder generell mit Gebiss sehr gern ein und kam hinter die Hand – mit Cavemore sind diese Probleme vergessen! Bei meiner Warmblutstute kamen die Hilfen meines Erachtens anfangs ein wenig zeitverzögert an – kannst du diese Unterschiede in der Anwendung erklären?

Bianca: Es ist schwierig etwas pauschal zu beurteilen, was ich nicht gesehen habe.

Generell ist es jedoch „bloß“ ein Werkzeug, das zwischen Pferd und Reiter vermittelt.bianca1

Meine Erfahrung ist, dass eine geschulte Hand sowohl Informationen an das Pferd geben kann, als auch Informationen bekommen wird. Somit ist die Handeinwirkung noch viel wichtiger, als das Werkzeug an sich. Bisher habe ich verschiedene Pferdetypen mit dem Cavemore in ihrer Ausbildung begleitet und durchweg positive Erfahrungen gemacht. Bei der Akademischen Reitkunst begleitet die Hand eher, als dass sie erzeugt, da der Sitz des Reiters die primäre Hilfe ist. Das heisst: Auch wenn bei dem Cavemore die Hilfengebung an dem Kappzaum möglich ist, ist es nicht bloß die Hand, die das Pferd nach der Stellung fragt, sondern letztendlich ist es das aktive Hinterbein, dass das Pferd in die Stellung hineinträgt, und die Hand bleibt hierbei die sekundäre Hilfe.

Es könnte sein, dass das untere Lederband etwas zu locker ist, wenn du das Gefühl hast, dass die Hilfe zeitverzögert ankommt, aber wie gesagt, ich kann nur mutmaßen, wenn ich bloß die Beschreibung der Situation höre.

Wann würdest du deinen Schülern zu einem Cavemore raten? Wann eignet sich das Cavemore zur Ausbildung der Pferde am besten?

Bianca: Aus meiner Sicht eignet sich das Cavemore für fast alle Pferde! Aber wie bei jeder anderen Zäumung auch, wäre es empfehlenswert sich selbst weiterzubilden. Wie sagt Bent noch immer so schön:

“ Das Problem sitzt meist auf dem Rücken der Pferde“.

Es ist wichtig zu wissen, wie die jeweilige Zäumung auf das Pferd wirkt und wie man sie benutzen kann. Dies ist auch bei dem Gebrauch des Cavemores wichtig. Es fällt mir jedoch schwer, den Einfluß der Hilfengebung durch das Cavemore isoliert zu betrachten, da die Biomechanik des Pferdes ausschlaggebend dafür ist, in welcher Position das Pferd seinen Kopf trägt.

 

bianca3

Prinzipiell würde ich sagen, dass die gebisslose Zäumung vor allem bei Korrekturpferden gut angenommen wird, also solche, die mit Gebissen schlechte bis traumatische Erlebnisse gemacht haben. Meine Erfahrung ist, dass die Pferde, die bereits mit den Zähnen knirschen, große Spannungen im Nacken-, und Halsbereich aufbauen, was für die weitere Ausbildung hinderlich ist. In solchen Fällen ist es möglich durch das Cavemore den Stresspegel zu reduzieren und die Spannungen zu lösen. Natürlich ist es dann vor allem das Stressmanagement des Pferdes womit ich arbeite, aber das Weglassen des Gebisses schafft hierfür oftmals das Fundament, um überhaupt wieder einen Zugang zum Pferd zu schaffen.

Wo können Interessierte das Cavemore bestellen?

Bianca: Bisher kann man das Cavemore bei mir und bei Ralf Schmitt bestellen. Übrigens gibt es jetzt auch ein Cavemore mit gravierten Seitenteilen!

Wie passt man das Cavemore eigentlich richtig an?

Bianca: Das Cavemore sollte von der Höhe her so verschnallt werden, wie ein Kappzaum. Der Riemen am Cavemore unterhalb des Pferdekopfes sollte so locker sein, dass das Pferd kauen kann. Die Hebelwirkung des Cavemores verändert sich proportional zur Verschnallung des Riemens.

 

An dieser Stelle ein herzlicher Dank an Bianca für die Beantwortung all meiner Fragen!

Mehr über Bianca und ihre Arbeit findet ihr auf Bianca`s Homepage.

Egal ob mit Cavemore oder mit Gebiss – wer an sich selbst arbeitet und damit sich selbst als wichtigstes „Instrument“ der Reitkunst wahrnimmt, reitet irgendwann einfach 😉

signature2