Mit der „Biegung“ folgt Teil 2 der Lexikon-Serie rund um Begrifflichkeiten und Definitionen in der Reitkunst. Die korrekte „Längsbiegung“ wird durch eine möglichst gleichmäßige und kontinuierliche Seitwärtswölbung der Wirbelsäule – beginnend beim ersten Halswirbel bis zum letzten Schwanzwirbel angestrebt.
Wenn`s schiebt – dann bieg!
Sinn und Zweck der Biegung ist an der Geraderichtung des Pferdes zu arbeiten und das innere Hinterbein vermehrt zum Tragen zu bringen. Die biegende Arbeit – korrekt ausgeführt beeinflusst aber auch die Geschmeidigkeit des Pferdes und wirkt Steifheiten entgegen. Die Ausrichtung von Vorderhand auf Hinterhand, sowie die Fähigkeit kurze und scharfe Wendungen plötzlich und mit Leichtigkeit auszuführen, sowie die Korrektheit der Gänge sind der Biegearbeit zu verdanken. Die korrekte Seitenbiegung des Pferdes bezeichnet Gustav Steinbrecht auch als die „Haupteigenschaft des guten Reitpferdes“.
Die Aktivierung des inneren Hinterbeins und somit die korrekte Längsbiegung lassen sich am besten vom Boden aus – Schritt für Schritt erarbeiten: Tritt das innere Hinterbein in Richtung Schwerpunkt, kippt das Becken des Pferdes nach innen-unten ab, die Wirbelsäule wird gleichzeitig aufgewölbt.
Bevor es an die Bewegung geht, kann man dies gut im Stehen mit dem Pferd erarbeiten. Dabei gilt aber zu Beachten: Eine korrekte Stellung im Genick soll nicht mit einer starken Halsbiegung verwechselt werden. So schreibt Alois Podhajsky:
„Die seitliche Biegung ist erst dann vollkommen, wenn der Hals nicht mehr als der ganze Körper gebogen wird und das Pferd vor allem hinter den Ganaschen nachgibt“.
Eine korrekte Stellung beginnt beim ersten und zweiten Halswirbel durch die Drehung des Schädels. Der Kopf des Pferdes wird nach innen gewendet, der Unterkiefer sollte dabei nach außen rotieren. Hier ist die Arbeit mit dem Kappzaum einer Trense oder einem Halfter vorzuziehen. Die innere Ganasche rotiert dann unter den inneren Atlasflügel. Bent Branderup beschreibt in seinem Buch „Akademische Reitkunst“, wie sich diese Rotation fortsetzt und worauf man „Stichwort Blickschulung“ achten sollte:
„Diese Rotation pflanzt sich durch die Halswirbelsäule fort, führt zum Überspringen des Mähnenkamms nach innen und läuft durch die Brust- und Lendenwirbelsäule weiter bis zur Hüfte. Die innere Hüfte sollte nach vorne kommen, so dass das Pferd als Ganzes gebogen ist. Die gesamte äußere Oberlinie soll sich von der Hüfte bis zum Unterkiefer dehnen. Erst wenn das junge Pferd sich in Rechts- und Linksbiegung vorwärts abwärts streckt und sich auf die inner Hüfte stellen lässt, lasse ich es auf einem Zirkel gehen. Dieser hat eine Größe, die der Biegung des Pferdes entspricht. Fällt dem Pferd diese Übung schwer, bilde ich es zuerst im Untertreten auf dem Zirkel aus, sodass es lernt, sich auf der innern Hüfte zu tragen. Zu langen als auch zu kurzen Pferden kann es schwerfallen, mit dem inneren Hinterbein exakt den Schwerpunkt unter dem Körper zu finden.“
Jedes Pferd reagiert unterschiedlich, allerdings ist festzustellen, dass den meisten Pferden die Biegung auf einer Seite leichter fällt, manchmal muss man sogar aufpassen, die Biegung auf dieser „guten“ Seite nicht zu übertreiben. Auf der anderen Seite jedoch ist das Pferd dann steifer.
Die Sache mit der „Rippenbiegung“..
Als gängiger Begriff hat sich auch die „Rippenbiegung“ durchgesetzt – allerdings ist eine Rippenbiegung aus anatomischen Gründen nicht möglich, da die Zwischenrippenräume und die Rippenbreite dies fast unmöglich machen.
Auch Steinbrecht kritisiert diesen irreführenden Begriff:
„Von Biegung der Rippen, als fester Knochen kann nicht die Rede sein. Vielmehr ist das, was wir unter „Rippenbiegung“ verstehen, eine seitliche Biegung des Rückgrats, wodurch die Rippen der gebogenen Seite sich etwas zusammenschieben.“
Fühle die richtige Biegung..
Die richtige Biegung könne der Reiter, so Steinbrecht erfühlen:
„…durch einen sicheren und bequemen Sitz mit leichtem natürlichen Hang nach innen, den ihm das Pferd durch die Abspannung seiner Muskeln von selbst geben muss, wenn er es wendet oder auf zwei Hufschlägen reitet“.
Richtige Biegung bedingt außerdem eine ruhige Schenkellage des inneren Schenkels. Wird der Schwung der Hinterbeine des Pferdes ohne Spannung durch den ganzen Körper bis zum Pferdekopf durchgelassen, wird das Pferd das Genick hergeben und in der Hand leicht.
Reiten wir also Einfach – mit Hilfe der korrekten Biegung 🙂
Fotocredit: Danke an Katharina Gerletz-Fotografie für den Foto-Support!
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