Vom Entstehen einer Beziehung, vom Erlernen einer Kommunikation, vom Verständnis einer differenzierten Hilfengebung, vom Lernen, was der Ausbilder sehen soll, vom Lernen, was der Ausbilder spüren soll, Interpretation, Korrektur, Rehabilitation, Vorbereiten aufs Anreiten, Verbesserung der Hilfengebung oder des Verständnis….die Liste über die Inhalte der Bodenarbeit ist lang.
Wie sehen die Pluspunkte der Bodenarbeit in der Praxis aus? Die Geschichte vom Lehrbuch ist eine Sache, was aber wenn man auf junge Pferde, Korrekturpferde und Pferde mit physischen Handicaps trifft?

Dieser Artikel holt die einzelnen Punkte aus der Praxis vor den Vorhang und soll dahingehend Motivation und Inspiration liefern. 

Bodenarbeit in der Praxis – Das junge Pferd 

Conversano Aquileja aka Konrad ist im Mai 2017, damals gerade dreijährig bei mir am „Horse Resort am Sonnenhof“ eingezogen. Er hat seine ersten drei Lebensjahre in Piber und damit auch auf den steirischen Almen verbracht. Er war freundlich, kannte das Fohlen ABC und war in der Kommunikation offen und aufmerksam. Perfekte Voraussetzungen, um mit der langsamen Einschulung zu starten. Wir haben vor Erkundung des Klassenzimmers trotzdem auch nochmal alle möglichen Kleinigkeiten aus dem „Kindergarten“ wiederholt. Beispielsweise freies Stehen beim Putzen, Wasserspiele mit dem Schlauch, Hufbearbeitung und vieles mehr. Und dann wurde es ernst: Wir haben uns sehr lange mit der Bodenarbeit befasst und tun dies in unserem dritten gemeinsamen Jahr noch immer. Pina und Tabby kamen etwas älter und bereits geritten zu mir. Nun hatte ich die Chance zu Warten. 

Warum sich Warten lohnt

Ein Pferd braucht zum wachsen Zeit. Die letzten Wachstumsfugen schließen sich erst mit sechs bis sieben Jahren. Manchmal wird von spätreifen Pferden gesprochen – und grundsätzlich gehören Lipizzaner auch dazu – aber ich würde JEDEM Pferd die Zeit geben zu wachsen und schrittweise zu lernen. Mein Konrad wurde mit drei Jahren eingeschult, ebenso hat unser Amena (Maestoso Amena) begonnen, mit drei Jahren schön langsam zu lernen. 

In der Bodenarbeit geht es zu Beginn jedoch ums Lernen lernen, die Pferde sollen physisch auch gar nicht stark belastet werden, im Gegenteil – wir bereiten sie auf das Reiten und damit auf kommende Belastung vor. 

Man wächst mit den Aufgaben, aber so lange man selbst noch im Wachstum ist, sollten die Aufgaben dementsprechend gesetzt werden. Früher waren junge Fohlen noch so lange unreif, bis sie den Zahnwechsel hinter sich hatten. Heute wird jedoch bereits meist schon mit den zweieinhalbjährigen Pferden auf eine etwaige „Materialprüfung“ hingearbeitet. Das Wort „Material“ möchte ich an dieser Stelle nicht einmal kommentieren. 

Das „Material“ ist jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs auswachsen:  Erst mit sechs bis sieben Jahren haben sich die Wachstumsfugen bei den meisten Pferden geschlossen. Von der frühen oder späten Remonte ist heute kaum noch die Rede. 

Konrad jedenfalls hat im ersten Jahr der Ausbildung folgendes gelernt. 

  • Basis-Führübungen: Nebeneinander angehen, nebeneinander anhalten. Synchronität – also eins werden und gemeinsam sein, das ist uns hier sehr wichtig gewesen. 
  • Abwärts lösen am Kappzaum und später ausgelöst durch den inneren Schenkel. Hier haben wir Stellung und Biegung hinzugefügt
  • Sekundarhilfe Gerte als innerer und äußerer Zügel sowie innerer und äußerer Schenkel
  • Untertreten auf dem Zirkel und auf der Geraden 
  • Schulterherein 
  • Kruppeherein
  • Traversale auf der Diagonalen
  • Pirouetten
  • Renvers
  • Renversalwendungen
  • Schwerpunktverlagerungen
  • Schulparade
  • Longieren 
  • Fortgeschrittenes Longieren
  • Übergänge und Seitengänge an der Longe
  • Crossover Positionen aus dem Longieren 

Das klingt nach einer langen Liste – aber Konrad hatte in jeder Einheit immer nur sehr wenige Aufgaben zu bewältigen – das war zwar nicht nach seinem Geschmack, denn er hätte am liebsten an einem Tag alles gelernt. Konrad unternimmt Dinge mit Begeisterung, daher habe ich ihn auch immer dann zurück auf die Koppel gebracht, wenn es grad „am Schönsten war“. 

Die Kraft der Motivation

Da mir Motivation sehr wichtig ist, habe ich vor allem mit dieser Stärke gearbeitet. Konrad hat sehr schnell gelernt und gerade bei der gesamten Basisarbeit waren nur wenige Erklärungen oder Korrekturen notwendig, um Synchronität herzustellen. Diese ist mir immens wichtig für die weitere Ausbildung. Wenn ich quasi Trab denke und mein Pferd ist mit mir „synchronisiert“ – oder im Gleichklang, dann reichen minimale Hilfen, vielleicht schon der Gedanke an Energie aus. Ich möchte alle Hilfen möglichst unauffällig und unaufwendig etablieren, daher habe ich auch sehr viel gelobt und bestätigt, wenn Konrad quasi „meine Gedanken“ lesen konnte. Dies ist natürlich auch für das Pferd sehr motivierend, wenn es dann viel Lob und Bestätigung gibt. 

Alle Inhalte der Bodenarbeit hatte Konrad schnell verstanden und so konnten wir Aufgaben miteinander kombinieren, relativ schnell alles in die Longenposition mitnehmen und dort auch in allen Gangarten miteinander spielen. 

Irgendwann kam der Tag X. 

Hat die Vorbereitung geklappt? 

Natürlich hatten wir ausgiebig an er Aufstieghilfe geprobt. Wir haben bereits auf- und absitzen geübt. Und ich hatte schon ein paar Runden geführt auf Konrad gedreht. Nun sollte aber nicht ich im Sattel sitzen, sondern meine liebe Kollegin Julia Kiegerl. 

Julia hat auch bei mir gelernt, wir kommunizieren sehr ähnlich mit den Pferden, so war es äußerst spannend meine Hilfengebung vom Boden mit Julias Hilfengebung vom Sattel aus zu kombinieren. Was soll ich sagen? Es war unspektakulär. Konrad hat sofort verstanden, was mit dem inneren Schenkel gemeint ist, wenn dieser nun aus einer völlig neuen Position Mitteilungen sendet. Wir haben ebenso kleinschrittig wie in der Grundausbildung jeden einzelnen Schritt wiederholt. Formgebung links, Formgebung rechts, alles unkompliziert und kein Thema. Zu Beginn hatte ich eigentlich weniger das Gefühl, Konrad würde mich als Unterstützung am Boden benötigen, später beim alleine reiten, hat sich dann Julia oft auf den Boden begeben und uns unterstützt, was für Konrad nach wie vor viel Sicherheit bietet. 

Summa summarum: Wenn die Hilfengebung am Boden wirklich verstanden wurde – und hier kommt der Clou ins Spiel, es geht nämlich tatsächlich darum, die Hilfen zu verstehen und nicht eine Übung zu erinnern und diese dann quasi „hirnlos“ zu wiederholen. 

Man muss nicht unbedingt Französisch sprechen, um das Lied „Frère Jacques“ mit zu singen. Man muss jedoch die Vokabel kennen, um den Text zu übersetzen. So geht es auch dem Pferd. 

„Es wird mithin jede dieser Pferdeklassen in der Dressur eine besondere Haltung bekommen müssen, und diese Haltung wird mit der Zeit dem Pferde so zur Gewohnheit werden, dass es in einem ganz sich selbst überlassenen Zustande doch derselben treu bleibt.“

Friedrich von Krane

Bodenarbeit dient nicht nur zur Ausbildung des jungen Pferdes – wie Friedrich von Krane bereits beschreibt, dient die Ausbildung des Pferdes auch einer generellen Verbesserung seiner Haltung. Haltungsturnen könnte man auch vereinfacht sagen. Für Pferde mit schwierigen körperlichen Voraussetzungen ist die Bodenarbeit ein wichtiger Faktor.

Aus der Praxis: Bodenarbeit zur Rehabilitation

Das Pferd reiten zu können ist bei der Reha-Arbeit nicht immer das oberste Ziel – meist geht es darum, dem Pferd eine bessere Lebensqualität durch die Gymastizierung zu geben. Das Pferd soll sich durch die Arbeit leichter hinlegen können und nach der Erholungsphase aber auch wieder selbstständig auf die Beine kommen. Stehen beispielsweise ältere Pferde mit jüngeren Pferden gemeinsam in einer Herde, kann die Gymnastik auch helfen flexibler zu sein, rechtzeitig aus einer Rangelei zu kommen bzw. auch um mit der Jugend „mithalten“ zu können. 

Praktische Bodenarbeit – Die Geschichte von Amadeus

Amadeus ist ein 22-jähriger Gidran Wallach, der seine Besitzerin ordentlich zum Nachdenken brachte. 2014 wurden bei Amadeus Kissing Spines diagnostiziert, kurz nachdem Sandra den Wallach übernommen hatte; dazu kommt Arthrose in der Halswirbelsäule und eine Verletzung an der Hinterhand. Wären die körperlichen Diagnosen nicht schon genug, kam die Herausforderung dazu, mit dem Pferd überhaupt kommunizieren zu können

Gidran Wallach mit Kissing Spines vor der Gymnastizierung durch Bodenarbeit
Ein Bild aus heute schon fast vergessenen Tagen: Amadeus, bevor er durch Bodenarbeit wieder zu mentaler und physischer Stärke gelangte.

Für Amadeus` Zweibeiner Sandra war die Situation alles andere als einfach. Von der Diagnose und den körperlichen Grenzen überfordert suchte sie verzweifelt nach einem geeigneten Weg für sich und ihr Pferd. Ihr Pferd reiten zu können, war Sandra nicht so wichtig. Viel wichtiger war es, dass sich Amadeus in seinem Körper wohl fühlen sollte und dadurch wünschte sich Sandra auch für ihn mentale Ausgeglichenheit. Durch einen Zufall kam Sandra auf das Team von Einfach Reiten. Seitdem werden Sandra und Amadeus wöchentlich von Julia Kiegerl begleitet. Zu Beginn der Ausbildung war es vorrangig Amadeus Sicherheit zu geben, dass wir achtsam und ganz bewusst mit seinem Körper umgehen. Mit jeder Einheit konnte er sich mehr entspannen und öffnen. Die ersten Runden in der Bodenarbeit absolvierte Amadeus steif und alles andere als losgelassen. Die Skepsis war ihm durchaus anzusehen, jedoch konnte er sich sehr rasch für unsere Übungen im Stehen begeistern, die Massagen und der vorsichtige Umgang mit seinem Körper ließen ihn immer sicherer werden. 

Am Stundenplan standen viele kleinschrittige Einheiten, vor allem das Lösen um den inneren Schenkel, Stellung und Biegung sowie mentale Losgelassenheit für die Formgebung der Oberlinie waren das Hauptziel der Ausbildung. Mit zunehmender Fähigkeit die Oberlinie zu entspannen und ein wenig zu dehnen wurde auch eine sichtbare Veränderung wahrnehmbar. Wo zuvor noch Löcher in der Muskulatur sichtbar waren, „füllte“ sich die Oberlinie nach und nach. Die Wirbelsäule wurde immer besser in die Muskulatur eingebettet und mit jedem Muskel wuchs auch Amadeus Selbstbewusstsein. 2020 ist Amadeus nun 22 Jahre alt und galoppiert stolz über die Wiese, wie ein junger Bub. Er hat Lebensfreude und Spaß bei der Arbeit wieder gewonnen. „Privat“ lebt er nun auf dem Horse Resort am Sonnenhof, wo er rund 12 bis 14 Stunden im Kreise seiner Herde draußen verbringt. Die Herde ist gemischt, vom Jungspund bis zum Senior sind viele Pferde dabei, Amadeus sucht jedoch am liebsten die Nähe der „Jungen Wilden“. 

Amadeus im Spätherbst 2019: Und plötzlich war da eine Idee von Stabilität und Kraft. Durch die Bodenarbeit hatte Amadeus wieder Lust sich selbst auszuprobieren.
Amadeus im Spätherbst 2019: Und plötzlich war da eine Idee von Stabilität und Kraft. Durch die Bodenarbeit hatte Amadeus wieder Lust sich selbst auszuprobieren.

Amadeus hat durch die Bodenarbeit nicht nur gelernt, seinen Körper besser wahrzunehmen – er hat auch Zuverlässigkeit in Punkto Kommunikation von seinen Menschen erfahren. Wenn er heute sagt: „Nein, das kann ich nicht, da habe ich eine Grenze“ – dann wird diese Information von seinen Menschen ernst genommen. Das gibt auch Sicherheit, wenn auf einen Zweifel von Seiten des Pferdes nicht sofort eine Korrektur des Ausbilders folgt. Durch diese Herangehensweise ist Amadeus förmlich über sich heraus gewachsen und probiert sich nun in Piaffen und der Idee von Levaden aus. Bei seiner Ausbildung geht es freilich nicht um die Lektion, sondern um den Inhalt. Nachhaltig geht es darum, Mobillität, Stabilität und Kraft mental und geistig zu fördern. 

Im vergangenen Jahr konnte Sandra sogar wieder auf Amadeus Rücken Platz nehmen – eine Zugabe, von der sie nicht mehr zu träumen wagte – und die für Sandra auch eigentlich nicht wichtig ist. Das Wohl des Pferdes steht an erster Stelle – und wer sagt, dass man nur im Reiten sein Glück findet, der irrt gewaltig. Wenn man Sandra und Amadeus heute beim gemeinsamen Tanz zusieht, spürt man sofort, dass man nicht reiten muss, um eine tiefe Verbindung zu entwickeln und Zeit miteinander schön zu verbringen. 

Amadeus beim Kurs mit Annika Keller im Oktober 2019. Die Oberlinie hat sich deutlich verbessert, Amadeus kann sich entspannen, nun wird am Vorgriff der Hinterbeine gearbeitet. Fotocredit: Katharina Gerletz
Amadeus beim Kurs mit Annika Keller im Oktober 2019. Die Oberlinie hat sich deutlich verbessert, Amadeus kann sich entspannen, nun wird am Vorgriff der Hinterbeine gearbeitet. Fotocredit: Katharina Gerletz

Praktische Bodenarbeit – die Geschichte von Amigo 

Amigo ist ein 15-jähriger ungarischer Warmblutwallach und begleitet seine Tanja bereits seit 11 Jahren. Er war früher ein Fiakerpferd in Ungarn und wurde Tanja als braves, eingerittenes Freizeitpferd verkauft, allerdings mit einem kleinen Schönheitsmanko – einer Zubildung an seinem rechten Vorderbein. 

Später stellte sich heraus, dass die Zubildung das sichtbare Überbleibsel einer schweren Verletzung durch einen Unfall mit der Kutsche war. Dadurch hatte sich bei Amigo eine starke Arthrose am Krongelenk gebildet. Korrekt „eingeritten“ war Amigo ebenso nicht, seine Ausbildung könnte man eher als – schnell an den Sattel und Reiter gewöhnt – bezeichnen.

Amigo, bevor er die Akademische Reitkunst und die Bodenarbeit kennen lernte.

Tanja versuchte einige Jahre lang Amigo nach den gängigen Dressurmethoden auszubilden – jedoch ohne Erfolg. Viele Trainer kritisierten vor allem die falschen Gänge sowie den schwierigen Charakter von Amigo. Das brachte Tanja und ihren Schimmel so zur Verzweiflung, denn Amigo und Tanja wollten sich einfach nicht in eine unpassende Schablone pressen lassen. Die große Schrittlänge, die Amigos natürlichem Gangbild nicht entgegen kam, jedoch von den Trainern gefordert wurde, führte dazu, dass Amigo immer mehr Belastung auf die Vordergliedmaßen brachte und weitere Arthrose-Schübe vorprogrammiert waren. Zusätzlich entwickelte sich Amigo durch den enormen mentalen Druck zum Durchgänger –  auch die Hallenwand war kein Hindernis für das verzweifelte Pferd. 

Tanja selbst litt ebenso an einer Gelenkserkrankung und  hatte daher nach jeder Reitstunde, in der Amigo schwer auf der Hand wurde und zum Durchgehen tendierte, starke Schmerzen an den Händen. Die gemeinsame Zeit wurde auf Kosten von Physis und Psyche verbracht – so konnte es für Tanja nicht weiter gehen. Das Fass zum Überlaufen brachte dann noch eine weitere Verletzung am Knie, die sich Amigo auf der Koppel zuzog.

Amigo, sechs Monate später. Die  Balance hat sich bereits deutlich durch die Bodenarbeit verbessert.
Amigo, sechs Monate später. Die Balance hat sich bereits deutlich durch die Bodenarbeit verbessert.

Der Tierarzt verschrieb Boxenruhe und kontrollierte Bewegung im Schritt an der Hand. Dennoch war unklar, ob Amigo je wieder schmerzfrei unterwegs sein konnte. Vom Reiten war zu diesem Zeitpunkt schon keine Rede mehr. 

In dieser Zeit änderte sich für Tanja und Amigo trotz aller ungünstigen Prognosen so einiges. Die beiden genossen das pure Miteinander sein, sich gegenseitig zu akzeptieren, so wie man ist, mit allen Eigenheiten. 

Als der Tierarzt Tanja ermutigte, durch die gute Entwicklung des Pferdes das Training wieder aufzunehmen, machte sich Tanja auf die Suche nach einer Reitweise, die nun wirklich individuell auf die Bedürfnisse der beiden eingehen sollte. Tanja war es besonders wichtig, die neu gewonnene Beziehung und das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd nicht wieder zu zerstören und so kamen die beiden auf die Akademische Reitkunst und zu Viktoria Portugal. 

Viktorias Bericht zur praktischen Bodenarbeit

Im Sommer 2018 starteten wir die ersten gemeinsamen Schritte. Besonderes Augenmerk legten wir darauf, keinen Stress in der Trainingsstunde aufkommen zu lassen. Amigo sollte wissen: er bekommt die Zeit, die er braucht.

Die ersten 8 Monate beschäftigten wir uns ausschließlich mir Bodenarbeit. Amigo durte lernen, wie man überhaupt lernt. Er lernte die Sekundarhilfe Gerte nicht als unbequem treibendes Werkzeug kennen, sondern konnte nach und nach zwischen vielen zeigenden Signalen unterscheiden. Die Gerte stresste das Pferd auch nicht mehr, Amigo konnte sich besser auf Tanja konzentrieren – aus einem Gegeneinander entstand ein Miteinander. Amigo setzte nun seinen Körper nicht gegen den Menschen ein, die beiden tanzten gemeinsam übers Viereck. Tanja und Amigo fühlten zum ersten Mal Leichtigkeit und Verständnis füreinander. 

Amigo entwickelte sich zu einem motivierten Partner, der sogar von selbst die Initiative ergriff, wenn es an neue Übungen ging. Durch das neue Körperbewusstsein sowie die Kraft in der Hinterhandmuskulatur wurde auch das Kniegelenk besser unterstützt, die Bewegungen wurden immer runder und harmonischer. 

Im Frühjahr 2019 wagten wir den ersten Reitversuch. Das Knie machte keine Probleme und Amigo war schmerzfrei unterwegs. 

Abseits von der körperlichen Komponente war Tanja ob der vielen schlechten Erfahrungen mit dem durchgehenden Amigo freilich unsicher, ob es wieder zu gefährlichen Situationen kommen könnte.
Doch Amigo zeigte sich von Anfang an von seiner besten Seite. Er verstand alle Hilfen vom Sattel aus, die zuvor lange und ausgiebig vom Boden erarbeitet wurden. Die beiden bewegten sich geschmeidig durch die Halle und platzten fast vor Stolz. Und ja, auch ich war gerührt und stolz über die beiden! 

Das schönste Geschenk war der erste gemeinsame Trab, lahmfrei und in voller Harmonie – Tanja stieg vom Pferd und fiel mir tränenüberströmt um den Hals. Auch heute, wo ich diese Zeilen schreibe, muss ich eine Freudenträne unterdrücken, so bewegt hat mich dieser Moment.

Mittlerweile hat Amigo sogar einen wundervoll gesetzten Galopp angeboten – vom Boden arbeiten die beiden weiterhin brav an der Gesunderhaltung und auch nach und nach an der Versammlung, die Amigo besonders viel Freude bereitet.

Ich bin sehr gespannt, wo uns die weitere gemeinsame Arbeit noch hinführt und wie viele Überraschungen dieses Pferd noch für uns bereit hält. 

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