Reite die Hinterbeine des Pferdes nach vorne und gib ihm eine Parade…so einfach ist das mit der Versammlung, meinte zumindest Xenophon. Was seine Formel tatsächlich bedeutet und wie die Alten Meister Versammlung definierten – darüber referierte Bent Branderup beim Wochendseminar in Ainring.

Von Augen und Gelenken

Ein Reitmeister, eine große Menge Motivation, geballtes Wissen aus der Reitgeschichte, sowie Biomechanik und Pädagogik. Eine perfekte Mischung für ein gelungenes Wochenende rund um das Thema Versammlung. Bevor es aber tatsächlich in die Praxis ging, mahnte Bent Branderup die Teilnehmer ihren Blick und ihre Augen zu schulen. Ein Isländer wäre anders zu gymnastizieren als ein Quarter – neben der Fähigkeit, die Nachgiebigkeit in jedem Gelenk der Hinterhand zu suchen und zu prüfen, setzt Versammlung beim Menschen auch pädagogisches Geschick voraus.

In der Theorie wurde zunächst einmal der Unterschied zwischen Schub- und Tragkraft besprochen. Wie sieht die Hinterhandtätigkeit in beiden Situationen aus. Was sieht das menschliche Auge, wenn das Pferd schiebt und was fühlt der Sitz dabei? Wenn es dann um die Beugung von Gelenken geht, dann beugen die wenigsten Pferde selten gänzlich in den Hanken.

Wir müssen wissen, was wir gymnastizieren wollen. Bei einem Pferd mit perfekten physischen Voraussetzungen steht also die Schaffung einer gemeinsamen Kommunikation sowie gemeinsam Erfahrungen zu sammeln im Vordergrund der Ausbildung. (Bent Branderup)

Branderup referierte über die Erarbeitung einer korrekten Stellung, Schwung und korrekte Seitengänge. Die Wirbelsäule des Pferdes müsse immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Wer sich nur auf den Hals oder auf das Genick fokussiere, verliere den Nutzen einer Lektion leicht aus den Augen. Erst das Verständnis des Zusammenspiels zwischen Beugung und Streckung mache ein Verständnis für Versammlung möglich.

Bist du bereit dich zu dehnen?

Am Anfang der Ausbildung steht die Dehnungsbereitschaft. In der Bodenarbeit sollen wir die Dehnungsbereichtschaft der Oberlinie überprüfen, die Abkürzungsbereitschaft der Unterlinie kommt dann hinzu. Für viele Reiter kommt nach der Frage der Dehnungsbereitschaft aber auch die Frage hinzu: Dehnen, ja möglich, was aber wenn das Pferd schwer auf die Schultern fällt? Branderup erklärte, dass die Schulter keine Knochenverbindung zur Wirbelsäule habe, der Brustkorb ist im Gewebe aufgehängt. Gutes Reiten erleichtere den Brustkorb. Die Blickschulung ging weiter zu den Vorder- wie Hinterbeinen. In der Bewegung verrät der Fesselkopf eine Menge über die Qualität und Energie. Sinkt der Fesselkopf tief nach unten – vor allem beim Vorderbein tiefer, weist das auf Steifheiten hin. Kommen die Vorderbeine gerade oder seitlich oder schief unter das Pferd? Ohne Balance könne also kein Gelenk locker sein – ohne Balance aber auch keine Leichtigkeit, so Bent Branderup.

Wie kann man also den Brustkorb heben?  Über die Tätigkeit der Hinterhand, die dem Brustkorb somit auch eine Bewegungsrichtung gibt. Die Hinterbeine müssen gleichmässig zum Schwerpunkt treten. Wenn die Hinterhand nicht mehr unter das tritt, was sie tragen muss, dann wird sie nicht mehr tragen können. (Bent Branderup)

So können wir unsere Pferde nach der Dehnung auch nach der Beugung befragen. Die meisten Pferde werden gerne anbieten, im Becken bzw. in der Hüfte zu beugen, Knie und Sprunggelenke beugen sich anfangs noch nicht so leicht.

In den anschließenden Praxiseinheiten wurde die korrekte Nickbewegung des Pferdekopfes observiert. Dehnten die Pferde zur nachgiebigen Reiterhand? Schwingt das Genick nach vorne unten oder nach hinten oben? Im zweiten Fall wurde dann an der Verbesserung des korrekten Schwingens der Wirbelsäule gearbeitet. Bent Branderup ließ die Reiter ihren eigenen Schwerpunkt immer wieder verändern, so wurden die Paraden aus dem Sitz in Richtung des inneren oder des äußeren Hinterbeins erarbeitet. Für die Zuschauer wurde das Absenken der Lende gut sichtbar, wenn beide Hinterbeine der Pferde auch im Schulschritt schön nach vorne gearbeitet wurden.

Alles im Fluß?

Weiter ging es mit Energiearbeit. Dabei wurde die Qualität der Versammlung auch „danach“ überprüft. Wie ließ sich der Energiefluss aus der Versammlung in das Vorwärtsreiten mitnehmen?

Überprüfe die Qualität der Versammlung durch das Vorwärts und das Vorwärts durch Versammlung (Bent Branderup)

„Kann eine Lektion die Grundgangarten verbessern“? fragte Bent Branderup das Publikum – um sofort zu betonen, die Lektion an sich könne es nicht – der korrekte Inhalt macht es aus.

Echter Rückenschwung und Spannung würden sich ausschließen. Ein Pferd habe schließlich keine Stahlfedern im Rücken. Bent Branderup erklärte anschaulich die dreidimensionale Schwingung der Pferdewirbelsäule. Ein Reiter müsse diese Wirbelsäule immer als Ganzes betrachten und sich beispielsweise nicht auf den Hals fixieren. Würden Ausbinder den Hals in einer Position fixieren wäre der Fluss der Wirbelsäule unterbrochen.

Ich kenne keine faulen Pferde. Wenn die Energie nicht stimmt, dann liegt es meist an einer Steifheit, die den Energiefluss unterbricht. (Bent Branderup)

Und alles noch im grünen Bereich?

Bent Branderup betonte die Bedeutung von Balance. Wer mit dem Schwerpunkt spiele, ihn mal zurück, mal nach vorne nehme, der müsse ständig darauf achten, ob denn noch alles im grünen Bereich sei. In der Reitkunst gehe es nicht darum zu dominieren oder dominiert zu werden, sondern zu führen oder sich führen zu lassen. Wie die Balance aus dem Gleichgewicht kommt? Hier hatte Bent Branderup ein anschauliches Beispiel aus dem Tanzunterricht. Wer schon mal Gelegenheit hatte, sich vom versierten Tanzlehrer führen zu lassen, der kennt das Gefühl von Leichtigkeit. Plötzlich muss man doch nicht mehr über komplizierte Tanzschritte nachdenken.

Wer allerdings schon mal mit einem regelrechten Besenschrank getanzt hat, der weiß wie schwer es ist, sich dann übers Parkett zu schleppen….(Bent Branderup)

So sollten die Reiter genau spüren, was unter ihrem Sitz mit den Gelenken des Pferdes passiert. Die Energierichtung ließ sich schon in der Arbeit im Stehen erfühlen. Wie ein Tänzer, der im eigenen Körper anfängt eine Bewegungsrichtung vorzugeben, sollten auch die Pferde darauf reflektieren. Wie leicht das tatsächlich klappt, war bei allen Reiterpaaren sehr schön zu beobachten.

Für viele Reiter ist der Traum von Harmonie, vom Tanzen –  die Piaffe.

Eine Piaffe ist laut Bent Branderup eine gymnastische Maßnahme, um dem Pferd eine motorische Fähigkeit zu geben. Wird der Brustkorb des Pferdes dabei nicht leicht, handle es sich um Pseudoversammlung. Der Inhalt der Arbeit fördert das Verständnis des Reiters für das Warum. Erschließt sich das Warum, dann ist die Dressur für das Pferd da und nicht umgekehrt. So warnte Branderup vor dem Phänomen der Piaffengeilheit.

Am Abschluss der Praxiseinheiten vom Sonntag schärfte Branderup den Teilnehmern des Seminars noch einmal ein, erst die Dinge zu arbeiten, die gut funktionieren.

Bleibe erst mal im grünen Bereich. Man muss zuerst allen Dingen eine Routine geben. Es sind schließlich die gleichen Muskeln, Sehnen, Bänder und Knochen die bewegt werden. Wenn im Schritt eine gute Grundlage geschaffen ist, dann klappt es auch den gelben Bereich auf grün zu streichen. Man muss natürlich ganz viele Fehler auch erleben, um zu verstehen und zu sehen, was ist richtig und was ist falsch. Ich möchte euch aber mitgeben, diesen Lerneifer und Wissbegier zu eurem Projekt zu machen. Finde immer wieder einen neuen Berg, oder ein neues Blatt, dass du zum grünen Bereich machst. Der Weg ist das Ziel – und gespickt mit Freude an kleinen Dingen zu lernen und zu wachsen. (Bent Branderup)

 

Reiten wir also im grünen Bereich – dann wachsen wir Einfach 😉

Das Themenseminar in Ainring war spannend, lehrreich und voll lebendigem und positivem Austausch!

Ich freue mich schon sehr auf das Seminar bei uns in Graz am 2. und 3. Juli in Graz, wenn es wieder heißt „Entspannung – Marsch“ 🙂

signature2