Bent Branderup über Schwung und gutes Handwerk

Bent Branderup war Anfang Juli am Horse Resort am Sonnenhof zu Gast um über den korrekten Rückenschwung zu referieren. Wie erkennen wir, ob ein Pferd tatsächlich rund über den Rücken geht? Warum müssen Reiter gute Handwerker sein? Und wie sehen wir saubere Grundgangarten. In diesem Beitrag fassen wir den dritten Teil der Theorie mit Bent Branderup zusammen. 

Was wollen wir vom Schwung? 

Ganz klare Sache, in der Pferdeausbildung fängt man von hinten an – das bedeutet, der Reiter wünscht sich eine korrekte Kopfpositionierung des Pferdes, die ursächlich mit der Aktivität der Hinterhand verbunden ist.  

„Die Kopfplatzierung ist keine erzwungene sondern eine erarbeitete Platzierung. Das Pferd auf der Weide läuft auch nicht mit einem Stützrad herum, es muss seinen Kopf selbst tragen. Wenn das Pferd sich aber nicht selbst tragen kann, wie soll es dann den Reiter tragen? Daher sehen wir besonders an der Kopfposition, was das Pferd von hinten macht.“ 

Bent Branderup 

Wie wir korrekten Schwung entlarven

An der Schädelbasis lässt sich gut erkenne, ob das Pferd tatsächlich rund über den Rücken gehen kann. Wenn wir das Pferd von der Seite betrachten und das Genick respektive die Ohren nach hinten oben federn sehen, dann ist der Rückschub dominierend, wenn der Vorgriff prominent ist, dann federt der Schädel vorne rüber, 

„daher heißt es auch an die Hand herantreten und über den Rücken gehen. Diese deutsche Reiterlektüre hat eine so präzise Formulierung von den Begriffen, nur nützt das nichts, wenn man vergessen hat, was es bedeutet. Man muss auch den Inhalt verstehen.“

Bent Branderup 

Rückschub und Vorgriff

Die Bewegungsqualität lässt sich sehr gut in der Natur beobachten, vor allem, wenn Pferde bergab unterwegs sind. Läuft ein Pferd dabei Pass, dann ist der natürliche Rückenschwung gestört, es passiert eine Lateralverschiebung, wenn der Vorgriff nicht ausreicht und die Vorhand das Gewicht des Pferdes auffangen muss. Daher ist die Zauberformel für korrekten Rückenschwung nicht nur der Vorgriff alleine, sondern die Frage, wie das Verhältnis zwischen Beschleunigung und Entschleunigung aussieht. 

Bent Branderup wiederholt an dieser Stelle, dass es für einen Reiter unumstößlich ist, die Kraft, die der Hinterfuß erzeugt, wenn er am Boden steht genau zu benennen. So gibt es Schubkräfte, wenn sich das Pferd vom Boden abstößt, um eine Last nach vorne zu bringen, Federkräfte, wenn die Gelenke der Hinterhand nicht nur gebeugt, sondern auch noch nach oben hin Kraft übertragen. Wenn wir Vorgriff und Beschleunigung aus der Hinterhand haben, dann ist für uns auch interessant, wie weit die Körpermasse bei der Entschleunigung vom Hinterfuß aufgefangen wird. 

„Dann ist da die Empfehlung, dass man nicht größere Gangarten raus reiten sollte, als man sie sitzen kann. So haben wir zuerst die Möglichkeit von unten zu lernen, zu sehen, wann das Pferd den Schwung verliert. Das Pferd wird dann steif in einer Form.“

Bent Branderup 

Schwung und die Fähigkeit zu sitzen

Meist sitzt, so Branderup der Reiter dem korrekten Schwung im Wege. 

Daher muss freilich auch der Sitz geschult sein, um einen guten Schwung zu produzieren und zu begleiten. 

„Die Kniepauschen hat der Teufel erfunden, damit man nicht reiten lernen muss.“

Bent Branderup 

Branderup weist uns darauf hin, dass man im leichten Sitz freilich nicht „leichter“ wird. Manchmal muss man aber auf den Oberschenkel sitzen, um den Rückenschwung durch zu lassen. Dabei muss man aber aufpassen, sich nicht zu versteifen, sonst blockiert man den Schwung erst recht. 

„Die modernen Menschen, die viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen werden keine Kraft haben, sich vom Oberschenkel ausgehend aus dem Sattel zu heben. Daher wird eine Anspannung an der Stelle zu einer Anspannung an einer anderen Körperstelle führen. 

Der wenig geschulte Reiter sitzt nicht am Oberschenkel, sondern verwendet den Steigbügel. Der Steigbügel ist jedoch garantiert ein Schwungkiller. Er hängt an der Vorderzwiesel, wenn man das Gewicht an den Steigbügel legt, dann drückt man das Gewicht in den Widerrist rein. Die Größe eines Knochens ist proportional gleich, mit der Menge an Muskeln, die daran anhaften sollen. Ein leerer Widerrist ist ein unbemuskelter Widerrist. Beim Fohlen sieht man immer, dass die volle Bemäkelung da wäre. Aber dann wird die Muskulatur „weg geritten“ – es kann nie sein, dass sich eine gute Sattellage durch das Geringerwerden an Gewebe bildet“.

Bent Branderup 

Die Werkzeugkiste des Reiters

„Heute sieht man eher die Verliebtheit der Reiter in ihre Werkzeuge“,

Bent Branderup 

Die Reiterei wird auch zum Lifestyle Produkt. 

„Ein Werkzeug ist ein Werkzeug. Ich kaufe auch keinen Hammer mit Strass dran. Manchmal habe ich das Gefühl, dass schlechte Werkzeuge sich besser verkaufen, wenn sie halt glitzern. Wir müssen uns jedoch fragen, was ist ein gutes Werkzeug und wann brauchen wir welches Werkzeug? Wenn ich ein Hindernis von 1,40 m Höhe überwinden möchte, dann ist ein Springsattel ein gutes Werkzeug. 

Wir müssen aber keine bunten Stangen überwinden, wir können uns voll und ganz auf das Pferd einlassen, wir können uns mit der Kunst befassen und Schwung ist hier eines der wichtigsten Elemente. Ein Maler arbeitet mit den Farben blau, rot und gelb. Auf dieser Basis entstehen alle Gemälde der Welt. Es ist eine Mischung aus den Elementen. Bei uns sind die Elemente: Balance, Losgelassenheit, Tempo, Takt und Schwung. Stell dir aber vor, der Maler darf blau nicht mehr verwenden, dann ist er ziemlich begrenzt in seinen Möglichkeiten. 

Balance steht immer an erster Stelle. Aber wir können Balance nicht herstellen, sie wird eine bestimmte Form benötigen, Balance ist ein Naturgesetz, daher können wir nicht nur an der Form manipulieren, denn diese ist nur richtig, wenn sie zu Balance führt“

Bent Branderup 
Trotz großer Sitzdistanz waren wir uns bei diesem Kurs unheimlich nah. Vielleicht war es das verbindende Thema, vielleicht die besondere Stimmung zwischen Mensch und Pferd. Wir haben den Kurs genossen.

Schwung und Muskulatur

Der Reiter ist freilich am meisten interessiert am Aufwärtsschwung des Rückens und der Tragkraft. Die Bauchmuskulatur kann sich aber nicht zusammen ziehen, wenn der Rücken nicht dehnt. 

„Man kann sich häufig von der hübschen Form täuschen lassen. Das Pferd ist optisch schön gestellt, aber es ist nicht losgelassen. Wir sprechen auch von der Hegabe des Genicks. Das ist ein wunderschönes Wort, es hat mit Hingabe zu tun. Das Pferd vertraute ich sein Genick euren Händen an. 

Da werden viele Pferde sehr lange brauchen, um sich überhaupt so weit zu entspannen: Die meisten Pferde tun gut darin, sich gegen die Hände des Reiters zu schützen, damit man mit der Hand nicht so viel einwirken kann, daher ist die Hergabe des Genickes für manche Pferde ein sehr langer Weg.“

Bent Branderup 

Bent fasst noch zusammen, was wir in den Praxisstunden an diesem Wochenende erlebt haben. 

Einmal hat mehr Biegung oder mehr Stellung geholfen, dann war es weniger Stellung, die hilfreich war. Einmal war der Unterkiefer nach innen rotiert und nicht, wie korrekt nach außen. Erst wenn das Zungenbein des Pferdes die richtige Position hatte, wurde die äußere Schulter des Pferdes frei. 

„Dann ist es ein Irrtum zu glauben, das das Zungenbein die Schulter heben kann. Ich kann auch nicht den Stuhl heben, auf dem ich sitze. Ich muss mich hinstellen, dann kann ich den Stuhl heben. Man kann nur mit den Füßen am Boden etwas heben und nich wenn man darauf sizt. Un da müssen wir schauen, welcher Fuß hebt die Last auf? Wir sehen oft Pferdebeine durch die Luft fliegen und sind von der Bewegung begeistert. Wenn ein Vorderbein aber hoch kommt, dann geht es zu Lasten des anderen Vorderbeins. Der stehende Fuß muss mehr leisten, als der Fuß in der Spielbeinphase.“

Bent Branderup 

So muss der tragende Hinterfuß am meisten an der Dezeleration teilnehmen, das ist Tragkraft. 

Je weniger Gewicht auf der Vorhand liegt, umso eher werden Schultern und Brustkorb freier, dann kann sich das Pferd besser bewegen und schwingen. Je fester das Pferd zwischen den Schultern ist, umso eher ist es dem Schwung beraubt. 

Von der Theorie zur Praxis. Bent Branderup bei der Unterstützung von Susi und Sleipnir.

Der Schwung und die Pferdeschulter

Der Schwung überträgt sich korrekt oder eben nicht korrekt auf die Schultern. Daher kann man sagen, ein Pferd, das korrekt über den Rücken geht, geht garantiert im Takt. Ein Pferd, das nicht über den Rücken geht, kann theoretisch gesehen taktrein gehen, aber der taktreine Gang ist nicht aus dem Rücken übertragen. Ist der Takt nicht über den Rücken übertragen, dann haben wir einen Schenkelgänger. Beim Taktverlust finden wir auch immer einen Schwungverlust. 

„So müssen wir beim Versammeln mit dem Sitz aufpassen, dass wir nicht zuviel Trampolin mit dem Sitz machen. Meine Empfehlung ist daher vom Sitz eher passiv zu werden, so als ob es das Pferd selbstständig kann. Der erfahrene Reiter kann den Schwung aus dem Sitz aufnehmen.“ 

Bent Branderup

Man muss als Reiter für eine korrekte Schwungübertragung in der Bewegung sitzen und nicht davor und nicht dahinter sondern eben in der Bewegung. 

Schwungvoll und über den Rücken – das schließt sich nicht aus. Conversano Aquileia aka „Konrad“ von der Schulparade in den Galopp

Der Schwung und das Handwerk

„Ich darf jederzeit den Reiter fragen, was machst du jetzt und warum, kann man nicht sofort sagen, warum man das nicht macht, dann ist man kein Reiter, dann ist man Passagier Ich muss einen Reiter vergleichen dürfen mit jedem andere Handwerker. Haben wir also einen Tischler, dann besteht die Fähigkeit des Tischlers darin, einen Baum zu fällen, aufzusägen, zu bearbeiten, bis er schließlich als Tisch lackiert wird. 

Reiter sind aber gerne Leute, die im Wald rumrennen und den nicht geholzten Baum lackieren möchten. Die wolle die Lektionen reiten, bevor sie die Basis haben. 

Deswegen ist es wichtig, dass wir verstehen, Basis ist nur Basis, wenn sie für etwas Basis ist.

Ich bin ausreichend stolz, wenn ich von einem Schüler sagen kann, er ist ein guter Handwerker.“

Bent Branderup 

Branderup und der Schwung zum Weiterlesen

Theorie büffeln lohnt sich, Bent Branderup beantwortete jede Frage zum Thema Schwung in Theorie und Praxis.

Kursbericht Teil 1

Kursbericht Teil 2

Der Zirkel in der Akademischen Reitkunst