Nein, dieses Zitat stammt nicht aus der Werbebranche. Bent Branderup war wieder zu Gast in Österreich, diesmal in Salzburg.
Warum man auf einem Reitseminar über Schönheit, Suppenschüsseln, blinde Inder und Physik nachdenkt? Mit vielen bildhaften Vergleichen und Anekdoten fesselte der dänische Reitmeister einmal mehr Reiter und Zuschauer. Diesmal und weil`s wieder so nachhaltig zum Nachdenken angeregt hat – ein Kursbericht mit dem Schwerpunkt: Philosophie!
Über die Sekundarhilfen..
In seinem Theorievortrag legte Bent Branderup den Schwerpunkt auf die Sekundarhilfen des Reiters. Die primäre Hilfe des Reiters in der Akademischen Reitkunst ist ja der Sitz mit dem Ziel ganz nach Pluvinels Vorbild das Pferd aus der Hüfte heraus zu führen. Wenn das Pferd aber nicht auf die Primärhilfe reagiert, brauchen wir zur besseren Verständigung Sekundarhilfen.
„Wir können die Hilfen nur zusammensetzen wie die Buchstaben des Alphabets. Erst wenn wie richtigen Buchstaben zusammensetzen, sehen wir Worte und Bedeutung. Reiterhilfen müssen wir also auch logisch strukturieren“. (Bent Branderup)
Bent Branderup betonte hier auch die Bedeutung der Kenntnis und das Verständnis um die korrekte Basis.
„Wenn man das Nachher, also das Ziel nicht kennt, lässt sich nur schwer überprüfen ob die Basis überhaupt stimmt. Je deutlicher mein roter Faden als Ausbilder meines Pferdes, umso eher erreiche ich mein Ziel. Heute ist aber das Hauptproblem, dass unausgebildete Reiter auf unausgebildete Pferde treffen. Wir müssen uns also unbedingt als Ausbilder für unser Pferd entwickeln.“
Am Anfang steht somit die theoretische Auseinandersetzung mit der Physis des Pferdes. Wer Einfluss auf den Kopf seines Pferdes nehmen möchte, muss das Pferd nicht nur sprichwörtlich von hinten aufzäumen. Wenn ein Hinterfuß nach vorne greift, wird das Becken des Pferdes in Bewegung gesetzt. Das Becken bewegt sich in Bewegungsrichtung des nach vorne greifenden Hinterbeins ebenso nach vorne-unten, auf der gegenüberliegenden Seite nach hinten oben. Von der Hinterhand ausgehend kommt es zu einer Kraftübertragung auf die Wirbelsäule. Hier werden Schwingungen weitergegeben. Bent Branderup zitierte hier Friedrich von Krane, der diesen Schwung als erster in der Literatur beschreibt.
Die Tätigkeit aus der Hinterhand führt als zu einer Platzierung des Pferdeskopfes. Das wußten – so Bent Branderup, auch die alten Reitervölker:
„Sie kamen zu der Erkenntnis, dass das Pferd besonders schön zu reiten ist, wenn es eine bestimmte Haltung einnimmt. Heute bekriegen die Menschen aber leider das Symptom (wenn das Pferd nicht nachgibt), als die Ursache dafür zu erschaffen. Was wir vorne in der Hand haben, haben wir von hinten nicht erarbeitet. Was wir in der Reiterhand spüren, ist bereits Vergangenheit. Das Leben muss vorwärts gelebt und rückwärts verstanden werden. Genau so verhält es sich auch mit dem Reiten“.
Wir müssen unsere Pferde demnach vorwärts reiten und die Informationen, die wir an die Hand bekommen entschüsseln. Das Gewicht der Pferde ruht auf den Füßen. Nehme ich als Reiter Gewicht und Druck in meine Hand, erzeuge ich somit auch Druck nach vorne. Das Pferd kann entweder an die Hand herantreten oder in die Hand schieben oder sich aufrollen. Bent Branderup warnte ausdrücklich auch vor der falschen Leichtigkeit.
„So bezeichne ich eine konstante Anlehnung vielmehr als konstanten Informationsaustausch“.
Zu tief, zu hoch und natürlich zu schief…
Weiter ging es im Theorievortrag mit dem „Nackenband“. Senkt das Pferd den Kopf zum Grasen, hilft das Nackenband den Rücken hochzubekommen. Allerdings nicht ein Leben lang. Denn das Nackenband leiert aus. In Punkto Dehnungshaltung müsse man eine goldene Mitte finden. Kommen Kopf und Hals zu tief, würde das Buggelenk blockiert. Auf die Vorhand gebracht schiebt das Pferd nun sein Vorderbein rückwärts unter den Körper (unter den Reiter), wo doch eigentlich das Hinterbein auffußen sollte. Wie gut es um die Schulterfreiheit bestellt ist, lässt sich – so der dänische Reitmeister – an dem stehenden Vorderbein erkennen. Dieses soll möglichst wenig unter den Bauch geschoben werden.
Die Länge im Hals brauchen wir aber unbedingt zum Öffnen der Ganasche, schließlich besteht bei zu enger Kopfhaltung das Risiko zwischen Unterkiefer und Atlas (erster Halswirbel) die Ohrspeicheldrüse zu quetschen. In korrekter Biegung und Stellung macht der Unterkiefer eine Bewegung nach außen. In Linksstellung würde er nach rechts außen wandern. Das Nackenband springt dann nach innen über. Wo hohle und schiefe Seite liegen, lässt sich daher auch an der Lage der Mähne erkennen. Gespannfahrer nutzen dieses optische Signal und spannten daher, so Bent Branderup, auch ein Pferd mit Mähne nach links, eines mit Mähne nach rechts gerne gemeinsam ein, um ein wirksames Mittel gegen die natürliche Schiefe zu gebrauchen.
„Diese natürliche Schiefe lässt sich auch bei uns Menschen feststellen. Für den Praxistest eignet sich ein Spaziergang ohne fixen Anhaltspunkt durch die Wüste. Je nach Links-oder Rechtshändigkeit; Der Mensch würde im Kreis laufen und wieder am Ausgangspunkt angelangen.
So antwortet Lehrmeister Pluvninel dem junge König im 16. Jahrhundert auf dessen Frage nach der Zweckmässigkeit der Seitengänge: „Wir reiten die Seitengänge, um geraderichten zu können“.“
Vom Stehen bis zum Galopp
Egal ob wir im Stehen, im Trab oder Galopp arbeiten – es sind immer die gleichen Muskeln, Bänder und Gelenke die gearbeitet werden. Die Schwierigeit besteht ja eher für den Menschen bei zunehmendem Schwung korrekt und eindeutig in der Hilfengebung zu bleiben. Überhaupt – spüren lernen ist für Branderup eines der wichtigsten Elemente der Reitkunst.
„Die Hand muss lernen zu spüren, woher die Spannung kommt. Es kann sein, dass sich Gewebe im Halswirbelbereich verhärtet hat, es kann sein, dass de Schulter feststeht. Was man am Kopf tut, muss sich in der Hüfte widerspiegeln und umgekehrt. Wenn wir mit dem Pferd arbeiten, müssen wir immer die Gesamtheit sehen. Der fortgeschrittene Reiter spürt in einer korrekten Parade dann keinen Widerstand mehr. Im Vierten Jahrhundert vor Christus beschreibt Xenophon die Parade bereits als Nachgeben des Pferdes in allen Gelenken der Hinterhand. Wer das versteht, hat die Reitkunst verstanden. Auch der Lord of Newcastle betont dass die ganze Reitkunst darin besteht, das Pferd gut auf die Hanken zu bringen“.
Bent Branderup kritisiert, dass wir sehr oft bei Stillstand in der Ausbildung dem Pferd mangelnde Fähigkeiten attestieren. Seiner Meinung nach müssen wir aber als Ausbilder einen besseren Weg finden, um das PFerd zu gymnastizieren. Wir müssen uns ständig hinterfragen und uns gute Werkzeuge erarbeiten. Dabei sei es wichtig eine gemeinsame Sprache zu finden. Pferdesprache allerdings, das würden Pferde nur von Pferden lernen.
Die Sache mit der Tragkraft…
Um Balance zu veranschaulichen, gab es ein gedankliches Beispiel von der Suppenschüssel, die in der Mitte des Tisches platziert wird. Was würde wohl passieren, wenn die Suppenschüssel auf einem wenig stabilen Tisch in die linke Tischecke gestellt würde? So verdeutlicht die Suppenschüssel, warum es für Pferd und Reiter so wichitg ist einen gemeinsamen Schwerpunkt zu finden.
„Besitzt das Pferd keine Tragkraft, kann ich mich als Reiter trotzdem nicht auf eine kleine Statur und zarte Figur ausreden. Der Rücken kommt zu Schaden.
Die Römerwege führen heute noch quer durch Europa. Viele Jahrhunderte vor Erfindung des Hufeisens wurde hier geritten. Das wäre ohne Tragkraft nicht möglich gewesen. Seit Jahrtausenden wurden die Pferde auf Tragkraft gezüchtet. In den letzten 200 Jahren hat man jedoch Kutschpferde mit englischen Rennpferden gekreuzt. Das Ergebnis: Wir haben nun viele Pferde, die den Brustkorb nach vorne drücken und über viel Schub-, aber wenig Tragkraft verfügen“
Und die Geschichte von den Indern?
Mit vielen Anekdoten und einem gewaltigen Hintergrundwissen rund um Biomechanik, Psyche und Pferdezucht fesselte Bent Branderup das Publikum. Durch seine Erklärungen rund um Biomechanik und Motorik des Pferdes gab es viele Aha-Erlebnisse. Was aber, bei individuellen Wahrnehmungen – beispielsweise auf der Suche nach Harmonie?
„Vier blinde Inder ertasten einen Elefanten. Der eine ertastet ein Ohr, der nächste einen Fuß, wieder einer den Rüssel und der vierte die Schwanzquaste. Jeder hat nun ein anderes Bild vom Elefenaten im Kopf. Der erste beschreibt es als Pergament, der nächste als beweglichen Baum usw..
In der Reitkunst helfen uns auch Erfahrung und Empirie. Aber alle Erfahrungen einer Person können nicht ausreichen, um die Reitkunst zu beschreiben. Wie fühlt sich Harmonie an? Nur weil es sich harmonisch anfühlt, sagt das noch nichts über die Anwesenheit von Harmonie aus. Ist Harmonie die Abwesenheit von gefühlten Problemen? Dann neigt der Reiter zur Überkorrektur, weil er etwas spüren möchte“.
Wer bin ich in den Augen meines Pferdes – diese Frage stellt der dänische Ausbilder immer wieder seinem Publikum. Wir sind ja dieselben Menschen, die aus ihrem Alltag heraus aufs Pferd steigen. Wer sich auch im Alltag schlecht bewegt und schlecht hält, der strahlt auf dem Pferd das gleiche aus. Daher warnte Branderup die eigene Körperdynamik und Körpersprache nicht außer Acht zu lassen, wenn wir uns mit Pferden beschäftigen. Daher sein Tipp:
„Trau dich schön zu sein, wenn du auf dein Pferd steigst!“
Ich muss gestehen, Bent Branderup regt mit seinem Vortrag nicht nur zum „reiterlichen“ Nachdenken an. Reiten ist so viel mehr als sich auf ein Pferd zu setzen und oben zu bleiben. Reiten ist – so schreibt Branderup auch in seinem Buch „Akademische Reitkunst“ Lebenskunst.
Und mit einem großen Schmunzeln komme ich zum heutigen Schlusswort:
Trauen wir uns also schön zu sein, dann Reiten wir Einfach 😉
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