Ende Oktober hatten wir riesig Spaß am Horse Resort am Sonnenhof. Der Grund: Christofer Dahlgren, Meister der Akademischen Reitkunst aus Schweden stattete uns und unseren Pferden einen Besuch ab.
„Mr. Play Smile and Practice“ – das war nicht nur Motto, sondern auch Programm.
Für einen großen „Smile“ sorgten meine Schüler, allen voran Martina und ihr Mio. Nach langer und schwerer Verletzung (Mio hatte sich bei einem Sturz auf der Koppel mehrere Dornforsätze der Brustwirbelsäule gebrochen) feierten die beiden ihr „Comeback“ auf unserem Kurs.
Martinas Stärke? Sie hat in der Rehabilitation sehr auf Mio gehört und nicht nur auf die körperlichen Herausforderungen geachtet, sondern ihren Lusitano auch mental bei Laune gehalten. Ein Thema, das natürlich auch für Christofer einen hohen Stellenwert hat.
Wie man ein Pferd motiviert?
Das war natürlich eine der ersten Fragen in der Theorieeinheit. Christofer schärfte den Zuschauern und Reitern ein, beständig der Frage nachzugehen, was das eigene Pferd motiviert und wie wir bei ihm das Gefühl erwecken können ein wahrer Superstar zu sein. Man muss also verstehen, was das Pferd überhaupt motiviert eine bestimmte Arbeit zu tun.
Wenn ein Pferd nicht sonderlich beeindruckt davon ist, sich zu bewegen, werden Stehpausen sicherlich förderlich sein. Unsichere und extrovertierte Pferde aber bewegen sich sehr gerne. Man darf ein solches Pferd nicht dazu zwingen, still stehen zu müssen. Im Grunde muss das Pferd immer mit seinen eigenen Stärken arbeiten dürfen, soll diese also für das gemeinsame Tun einbringen!
50 Probleme versus 3 Dinge, die man gut kann
„Auf den meisten Kursen können mir die Teilnehmer gleich mal ohne Umschweife 50 Probleme ihrer Pferde (in der Ausbildung, mit dem Menschen, Biomechanik, geistige Probleme) aufzählen. Frage ich allerdings nach drei Dingen, die Pferd und Mensch gut können, dann ernte ich erstauntes Schweigen. Das fällt den meisten Reitern unheimlich schwer. Wie kann man sich aber verbessern, wenn man nicht einmal weiß, worin man überhaupt gut ist. Wer erfolgreich sein will, muss wissen, worin er gut ist. Kann man dem Pferd beispielsweise Versammlung gut beibringen, oder über den Sitz sprechen. Worin bist du gut, dann kannst du dein Pferd zum echten Superstar ausbilden“. Christofer Dahlgren
Die Ausbildung eines jeden Superstars beginnt auf dem Zirkel
Der Zirkel und das junge Pferd. Zwei, die sich nicht unbedingt gesucht haben, schließlich ist es für das Pferd eine äußerst unnatürliche Sache auf dem Zirkel zu laufen. Die normale Reaktion eines jungen Pferdes auf dem Zirkel ist zunächst auf die innere Schulter zu fallen und sich in Außenstellung auf der ungewohnte Kreislinie auszubalancieren.
Eine korrekte Formgebung und Balance müssen dem Pferd also erst beigebracht werden. Christofer empfiehlt dafür Hütchen oder Pylone zu benutzen.
Diese geben nicht nur dem Pferd, sondern auch dem Menschen, der ja meistens gemeinsam mit seinem Pferd lernt Orientierung. Abseits der Orientierung helfen sie eine korrekte Biegung auf dem Zirkel zu finden.
Mit fortgeschrittener Ausbildung kann man auch die Bewegungen um die Pylonen spielerisch kombinieren. Mal geht es außen herum, mal in Schlangenlinien um die Hütchen herum.
Wenn wir uns die Probleme bei der Bodenarbeit und beim Longieren vor Augen führen, dann fallen die meisten Pferde auf die äußere Schulter oder drängeln nach draußen. Zuerst schicke ich das Pferd also auf den Zirkel, dann frage ich nach Biegung und Entspannung. Die erste Hilfestellung für das Pferd also nicht auf die Schulter zu fallen ist, nahe außerhalb der Pylonen zu bleiben.
Verantwortung schulen
„Do not nag him all the time“ – „geh deinem Pferd nicht ständig auf die Nerven“ – diesen Satz wiederholt Christofer auf seinen Kursen oft. Ihm ist es wichtig die Verantwortung von Mensch und Pferd zu schulen. Daher lernen junge Pferde bei Christofer auch, dass sie für den Erhalt einer bestimmten Gangart, eines bestimmten Tempos und einer bestimmten Richtung so lange verantwortlich sind, bis der Reiter eine neue Hilfe gibt. Das sind also die ersten Aufgaben, die unser junges Reitpferd lernen soll.
„Oft sehe ich Reiter eine schöne Traversale reiten, aber die einfachsten Bahnfiguren funktionieren nicht. Wenn man dann eine Diagonale vorwärts reiten soll, dann fällt das Pferd komplett auseinander, das Pferd ist quasi überall. Zuerst muss das junge Pferd also auch Bahnfiguren, Richtungswechsel usw. lernen. Dann erst kann man sich um Probleme wie: Das Pferd fällt auf die Schulter kümmern. Das Pferd muss also auch den eigenen Zirkel und den des Reiters erkennen. Sobald das Pferd korrekt auf dem Zirkel laufen kann, sind auch ständige Korrekturen der inneren oder äußeren Schulter obsolet.“ Christofer Dahlgren.
Den richtigen Rhythmus finden
Alles dreht sich immer um das Hinterbein. Soweit so klar. Aber kann man bei der Platzierung des Hinterbeins den Rhythmus als Reiter vorgeben – mal ein bisschen schneller, mal ein bisschen langsamer?
Das „Klassenzimmer“ des heurigen Kurses kann mühelos den Gustav Steinbrecht`schen Leitsatz: „Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade“ rezitieren. Auch Steinbrechts Warnung Vorwärts nicht mit „schnell“ zu verwechseln sitzt. Christofer ergänzt: Eine höhere Geschwindigkeit entsteht bei hohem Tempo mit einem hohen Rhythmus. Vorwärts bedeutet eine hohe Geschwindigkeit bei einem ruhigen Tempo. Für Christofer Dahlgren ist ein entspanntes und losgelassenes Pferd der eine Schlüssel zum Erfolg in der Ausbildung. Danach kommt gleich das Spiel mit dem Rhythmus. Jeden einzelnen Reiter hat er daher in der ersten Einheit befragt, was Reiter und Pferd leichter fällt: Bleibt das Pferd im Tempo, wenn der Reiter ein wenig aufnehmen oder dann wieder zur Dehnung einladen möchte?
Christofer betont, dass Pferde sowohl in der Dehnungshaltung, wie auch beim Aufnehmen und Verkürzen des Rahmens das jeweils gefragte Tempo, sowie Takt und Rhythmus beibehalten sollen. Das Pferd soll beim Rausstrecken nicht automatisch schneller werden und beim Aufnehmen im Tempo „verhungern“. Wenn wir also unseren Fokus vermehrt auf diese Übergänge und den Rhythmus legen, dann komplettieren wir – so Christofer – unser Bild in der Übersicht der Ausbildung.
„Ist es Formgebung oder das Tempo, das den Rhythmus beeinflusst? Viele Pferde kennen den Unterschied nicht, wir müssen also diese Variationen miteinander kombinieren“.
Praxisbeispiel Galopp
Seitengänge haben einen Zweck. Christofers oberstes Gebot „Roundness“ – also eine Rundheit in der Oberlinie. Dies war vor allem in den Praxiseinheiten im Galopp Thema. Schulterherein unterstützt die Rundheit, wenn das innere Hinterbein zum Schwerpunkt tritt und dadurch die diagonale Fußfolge im Galopp im Dreitakt gefördert wird. Kruppeherein kann zwar durch die Förderung der Versammlung helfen den Brustkorb zu heben, allerdings ging manchmal in der Praxis die Rundheit der Oberlinie dabei verloren. Beachte daher immer, welche Übung helfen kann, etwas zu verbessern.
Der Weg zur Versammlung
Christofers erster Meilenstein: Vorwärts – bevor das Pferd Versammlung lernt, müssen Tempo, Takt und Schwung im jeweilig gewünschten Rahmen beibehalten werden. Es braucht schon ein wenig Zeit, bis sich das Pferd im gewünschten Tempo an die nachgiebige Hand heran strecken kann. Bei der Frage wie tief sich das Pferd dehnen darf, lädt Christofer ein, das jeweilige Schulterblatt des Pferdes zu betrachten. Es macht einen Unterschied, ob der Rücken des Pferdes lang ist, die Schultern eher schräg oder im Gegenteil der Rücken kurz und die Schultern eher steil. Im letzteren Fall, soll die Nase nicht zu tief kommen, das Pferd wird länger brauchen tatsächlich einen großen Rückenschwung in der Rotation des Brustkorbes anzubieten. Christofer garniert hier die Theorie wie immer mit vielen bildhaften Vergleichen aus der Praxis. Er erzählt auch wie unterschiedlich die Ausbildung seiner Frederiksborger und Lusitanos ist und war.
Auf dem Weg zur Versammlung führt also kein Weg am Vorwärts-aufwärts vorbei. Nun braucht der Reiter ein noch besseres Geüfhl für das Tempo als im Vorwärts-anwärts. Wenn man das Tempo abkürzt und so zur Versammlung kommen möchte, verliert man die Energie aus der Hinterhand – die Basis ist also ein gutes Vorwärts, gleichbleibender Rhythmus und Energie. Christofer nimmt dieses Idealbild aus der Theorie dann auch beim jungen Pferd mit in die Praxis. Lipizzaner Conversano Aquileja (Konrad) und ich üben uns im Aufnehmen und Dehnen lassen, ohne dabei am Takt und Rhythmus etwas zu verändern. Auch muss Konrad nun die Verantwortung für ein gleichbleibendes Tempo im Galopp übernehmen. Verantwortung für gleichbleibendes Tempo war überhaupt in vielen Praxiseinheiten Thema. Mal ging es dabei um die Etablierung von mehr Ruhe und Entspannung, mal unterstütze Christofer bei der Entwicklung von mehr Fleiß.
„Stell dir vor dein Pferd wäre eine Sprungfeder. Wer ständig verssammelt und die Federn zusammendrückt, darf nicht überrascht sein, wenn die Sprungfeder bei Entlastung quasi überall hin entflieht“. Christofer Dahlgren.
Das Spiel von Rhythmus und Tempo begleitete uns in den Einheiten ebenso wie Christofers gute Laune, seine Motivation für Mensch und Pferd und die vielen lustigen Anekdoten und vor allem sehr bildhafte Darstellung der Biomechanik.
Wir hatten definitiv Spiel, Spaß und Motivation an diesem Wochenende gepachtet und zum Glück wird es garantiert nicht der letzte Besuch von Christofer am schönen Sonnenhof in Hart bei Graz sein. 2020 begrüßen wir den sympathischen Trainer erneut bei uns in der Steiermark.
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