Er legt die Pferde gerne mal auf die Couch für eine ausführliche Psychoanalyse. Ist das Pferd extrovertiert? Selbstbewusst? Gibt es Antworten auf die Reaktionen? Christofer Dahlgren aus Schweden schaut Reitern genau auf die Finger und lässt sie genau spüren.

Unsere Verena Harum war beim Kurs in Ingolstadt mit ihrem Lusitano Sagitario zu Gast.

Verena, letztes Jahr hattest du in Graz einen Kurs mit Christofer organisiert. Dabei hat er in der Theorie einen besonderen Fokus auf die Psyche des Pferdes gelegt. Wurdet ihr auch diesmal genau analysiert?

Verena: Wie letztes Jahr wurde nicht nur die Psyche des Pferdes genau analysiert, sondern auch die des Reiters. Christofer sieht sofort wie Pferd und Mensch ticken und kann damit hervorragend auf die Lernbedürfnisse des Reiters sowie des Pferdes eingehen. Wie auch letztes Jahr hat er sofort bemerkt, dass ich zu kritisch bin, jede Kleinigkeit korrigieren möchte und damit die Mitarbeitsfreudigkeit von Sagi behindere.

Sagi gehört dagegen mittlerweile zu der ausgeglichenen Sorte. Er befindet sich schon recht gut in der Mitte, d.h. nicht zu selbstbewusst oder zu wenig, nicht zu extrovertiert oder introvertiert. Darauf bin ich sehr stolz, denn das war nicht immer so. Insgesamt hat sich mein Pony (Zitat Christofer: Pony=nice horse) bei seinem ersten Kurs fern von daheim super gehalten, war super relaxed und hat brav mitgearbeitet-mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen :-).

Welche „Themen“ hattest du für den Kurs in Gepäck und woran wurde wie gearbeitet?

Verena: Ich muss zugeben dass ich nicht so richtig mit einem „Plan“ zum Kurs gefahren bin. Mein Ziel war es, Christofer Handarbeit, Longieren und Reiten zu zeigen und zu schauen was er zu unserer Arbeit sagt. Am Samstagvormittag ging es mit Handarbeit und Longieren los. Wir haben mit Following gestartet. Following ist Christofers Konzept, bei dem das Pferd lernt dem Bauch des Reiters zu folgen ohne dass der Reiter am Zügel ziehen muss. Dabei fängt man an, rückwärts vor dem Pferd herzugehen und kontrolliert ob das Pferd in den Wendungen folgt ohne dass man am Zügel zieht und ohne dass es über die äußere Schulter fällt. Das ganze wird noch erschwert, indem man mit der Gerte zum Bauch des Pferdes zeigt und das Pferd sich um die Gerte biegt ohne mit der Hinterhand auszufallen. Das heißt das Pferd soll sowohl mit der Hüfte als auch mit der Schulter zum Reiter hin wollen und nicht von ihm weg indem es über die äußere Schulter fällt oder die Hüfte verliert – und das ist gar nicht so leicht wie es sich anhört. Fällt das Pferd mit der Hüfte aus, kann man das mit der Kruppehereinhilfe wieder korrigieren, fällt das Pferd in der Wendung über die äußere Schulter hat man von vorne noch die Möglichkeit das mit der Gerte an der äußeren Schulter zu korrigieren. Besser jedoch ist es wenn man dann einen Schritt nach innen in die Bahnmitte macht um das Pferd wieder zum Following zu bringen. Wenn man das in der Bodenarbeit gut beherrscht, kann man das Konzept auch beim Longieren anwenden. Dann erspart man es sich den äußeren Zügel beim Longieren durch die Gertenhilfe zu ersetzen und kann somit die äußere Schulter mit dem Körper kontrollieren, was sehr hilfreich ist wenn man die Gerte eigentlich im gleichen Moment z.B. beim inneren Hinterbein einsetzten möchte. Leichter gesagt als getan, aber das Konzept funktioniert und Sagi und ich haben das beim Longieren dann auch schon ganz passabel hinbekommen und mein Pony hat gaaaanz viel Lob eingesteckt 😉 Samstagnachmittag und Sonntag ging es dann darum das Konzept des Followings auch beim Reiten zu erarbeiten. Dazu wurden Hütchen (Pilonen) auf einem Zirkel aufgestellt und man sollte kleine Kreise um die Hütchen und dann wieder einen großen Zirkel gehen. Das klingt ja gar nicht so schwer, oder? Allerdings sollten wir das ganze ohne innen Zügel reiten. Das heißt Stellung und Biegung nur über innen Schenkel und äußeren Zügel, Ziel war es, das Pferd an den Außenzügel herandehnen zu lassen ohne die Hüfte zu verlieren und ohne dass das Pferd über die äußere Schulter fällt. Im Schritt klappte das ja dann schon ganz gut aber im Trab war das ganze dann noch schwieriger. Wenn man den inneren Zügel bewusst nicht mehr einsetzten darf fällt einem erst auf wie oft man eigentlich mit dem inneren Zügel schummeln möchte 😉 Ein weiteres Thema war das Pferd dehnen zu lassen und aufzunehmen ohne einen Verlust des Vorgriffst der Hinterbeine. Christofer machte uns darauf aufmerksam, dass ein häufiger Fehler in der „vermeintlichen“ Versammlung ist mehr an Rückwärts zu denken als ans Vorwärts, wodurch die Hinterbeine dann anfangen kürzer zu treten anstatt vermehrt unterzugreifen.

Vor einem Jahr haben wir uns besonders mit der Schulterkontrolle befasst, also auch in Ingolstadt wieder ein großes Thema!

Verena: Ja genau, die Schulterkontrolle ist eines der wichtigsten Themen in Christofers Unterricht und hat natürlich auch bei diesem Kurs nicht gefehlt. Es geht darum, dass einer der häufigsten Fehler jener ist, dass das Pferd über die äußere Schulter fällt. Das kann verschiedene Ursachen haben: das Überbiegen des Pferdes, ein falsch gerittenes Schulterherein oder einfach eine Wendung die nicht bewusst mit Schulterkontrolle geritten wurde. Auf dem Zirkel kann man sich das so vorstellen, dass das Pferd mit dem äußeren Vorderbein in Bewegungsrichtung läuft, mit einer Tendenz zur Mitte des Zirkels, da es sich ja um einen Kreis handelt. Falsch wäre es wenn sich das äußere Vorderbein des Pferdes Richtung Außenseite des Zirkels bewegen würde. Christofer erklärte in einer Theorieeinheit, dass man einen Zirkel so reiten sollte als hätte er ganz viele kleine Ecken, damit man das Pferd bewusst wendet und es nicht der Zentrifugalkraft überlässt.

Auf der Sommerakademie hat Christofer den Unterschied zwischen Antwort und Reaktion genau erklärt. Kannst du hier vielleicht auch zusammenfassen, was Christofer damit meint?

Verena: Der Unterschied zwischen Antwort und Reaktion des Pferdes war ein weiteres Thema in den Theorieeinheiten. Wenn das Pferd auf meine Hilfe antwortet, weiß es was ich möchte und reagiert nicht aus purem Stress. Das beruht auch auf dem Unterschied zwischen Energie und Stress. Wenn das Pferd zum Beispiel unter dem Reiter rennt, bringt es auch nichts das Pferd auf die Hanken zu bringen, denn wenn ich wieder loslasse ist das Pferd davon gerannt. Das Pferd muss lernen, trotz Zugabe von Energie entspannt zu bleiben.

Für wen eignet sich der Kurs bei Christofer besonders?

Verena: Das ist leicht zu beantworten: Ich kann einen Kurs bei Christofer wirklich jedem, egal auf welche Ausbildungsstufe sehr empfehlen, da er auf das jeweilige Pferde/Reiterpaar eingeht und einfach wirklich guten Unterricht gibt.

Was war besonders neu?

Verena: Für mich neu war die Übung mit den Hütchen (Pylonen) die ich oben schon erwähnt habe und die laut Christofer zu seinen Lieblingsübungen zählt. Da der Schwerpunkt von Sagi und mir beim letzten Kurs mehr auf der Bodenarbeit und dem Longieren gelegen hat war das Umsetzen des Konzepts des Followings während des Reitens neu für mich. Das Reiten ohne Innenzügel am Gebiss war nichts Neues an sich, aber dass ich den Innenzügel auch nicht an der inneren Schulter anlegen durfte war (und ist) eine wahre Herausforderung für Sagi und mich, wird aber von Tag zu Tag besser. Ein weiteres wichtiges Thema für mich ist die bewusste Schulterkontrolle des Pferdes beim Reiten. Dieses bewusste Reiten jeder Wendung damit das Pferd nicht auf die äußere Schulter kommt kennt man ja in der Theorie, aber wenn man damit konfrontiert wird bemerkt man mal wieder, dass man das bisher in der Ausbildung etwas außen vor gelassen hat und dann hat man einiges zum Knabbern ;-).

Was konntest du mitnehmen?

Verena: Wie ich das Following besser vom Boden und auch vom Reiten erarbeiten kann, aber darauf bin ich oben schon eingegangen.

Das es verschiedene Stufen gibt, dem Pferd die Zügelhilfen beizubringen. Zuerst bringt man dem Pferd bei vom inneren Zügel wegzukommen und dann ist es sehr wichtig das Pferd bewusst an den äußeren Zügel zu bringen bevor man es gleichmäßig zwischen beiden Zügeln hat. Dieser Schritt ist sehr wichtig, denn wenn man dem Pferd nicht bewusst beibringt an den äußeren Zügel zu dehnen wird man immer wieder zum Innenzügel zurückkommen müssen, wenn später etwas einmal nicht klappen sollte. Wenn man dem Pferd aber das Dehnen an den äußeren Zügel beigebracht hat, kann man es immer wieder abrufen wenn man es braucht ohne dabei am inneren Zügel zu ziehen. Da reicht dann ein kleines Vibrato mit dem Schenkel und schon dehnt das Pferd wieder an den äußeren Zügel.

Gibt es Zitate, die dir besonders im Ohr hängen geblieben sind?

Verena: Ein Zitat dass das Following Konzept beschreibt:

Never push your horse away because we need a horse that comes to you.

Ein anderes Zitat das finde ich sehr gut Christofers Einstellung in der Pferdeausbildung zeigt:

The „doing less part“ is very important for my work. The problem is, that we are always doing something more by doing something else. For example a horse is doing too much shoulder in, we try to correct this by doing quarter in, but we should do less shoulder in instead. The result is the same but the approach is very different for the horse.

Welche Hausübungen konntest du mitnehmen?

Verena: Hausübungen für mich sind das Dehnen an den äußeren Zügel und das Biegen um den inneren Schenkel ohne dass ich denn inneren Zügel (Stellung) oder den äußeren Schenkel (verhindern dass die Kruppe ausfällt) brauche. Eine weitere Hausaufgabe ist das Rahmenerweitern und verringern ohne den Vorgriff der Hinterbeine zu verlieren und natürlich die bewusste Kontrolle der äußeren Schulter.

 

 

Kurz zusammengefasst, es war wieder ein super toller lehrreicher Kurs den ich nie vergessen werde und von dem wir viel mitnehmen konnten. Herzlichen Dank an Sagi, das tollste Pony der Welt, der so toll mitgearbeitet hat und Claudia Strauß vom Akademischen Team aus Ingolstadt für die tolle Organisation. Sagi und ich hoffen dass wir nächstes Jahr wieder dabei sein dürfen 🙂

 

 

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PS: PSSSSSSST. Christofer kommt nächstes Jahr wieder nach Graz! Wer dabei sein will, sollte sich schon mal den 16. und 17. April 2016 im Kalender eintragen.