Ein Hufschutz – ein Kartenspiel – und die Frage nach dem Warum?
Erinnert ihr euch noch an meinen Erfahrungsbericht mit den Megasus? Den blitzblau-orangen Hufschutz zum Kleben oder Kletten? Das Feedback meiner Pferde war überwältigend. Umso heftiger war die Nachricht kurz vor Weihnachten: Megasus ist insolvent. Platzt der Traum von der Entwicklung eines Hufschutzes, an den so viele Erwartungen geknüpft waren?
Kickstarter hauchte dem Konzept des Megasus vor drei Jahren erstmals Leben ein. Ausgerechnet Kickstarter soll die Horserunners erneut vor dem Aus retten? Ich habe mich darüber mit Louisa aus dem Gründerteam von Megasus unterhalten.
Louisa, wie ist aktuell die Lage?
Louisa: Nach der Fernsehsendung „zwei Minuten, zwei Millionen“ hatten wir viele Gespräche. Es war aber auch klar, dass wir eine höhere Summe gebraucht hätten, als die von Herrn Haselsteiner avisierten 500.000 Euro. Wir hatten zwar sehr auf eine Lösung gehofft – aber ich musste dann doch Insolvenz anmelden – kurz vor Weihnachten. Das war natürlich extrem bitter!
Ich kenne euer „Mastermind“ Charly seit mehr als 20 Jahren – immer bemüht eine Lösung für die Pferde in Punkto Beschlag zu finden. Als ich die erste Kampagne und den ersten Youtube Film im Internet gesehen habe war ich restlos begeistert und mit mir viele tausende Andere. Provokant gefragt – wie kann bei einer solch großen Unterstützung ein so tolles Produkt Schiffbruch erleiden?
Louisa: Ein Produkt wie der Megasus kostet viel Geld. Warum das so ist, erkläre ich gleich noch ausführlich. Fakt ist, wir hatten durch die Kickstarter-Kampagne insgesamt rund 151.000 Euro lukriert – also es waren 170.000 US Dollar. Die Werkzeuge alleine kosten allerdings 700.000 Euro, um den Megasus serienmässig auf den Huf zu bringen.
Warum ist das so aufwendig, wenn ich es mit anderen Hufschuhen oder Klebebeschlägen vergleiche?
Louisa: Das liegt an den zwei Komponenten des Megasus. Man könnte quasi sagen: Raue Schale, weicher Kern. Sein Herz macht den Megasus so einzigartig. Das heißt, der Megasus ist einerseits mit einer gewissen Härte ausgestattet, andererseits verfügt er über einen optimalen Stoßdämpfer. Das macht ihn einzigartig im Vergleich zur Konkurrenz – einzigartig aber auch in der Herstellung. Zusätzlich ist er durch die individuelle Anpassung der Klips tatsächlich wie ein maßgeschneiderter Turnschuh – und nicht wie ein Produkt von der Stange. Das macht die Unterstützung für den Huf so einzigartig, die Produktion aber eben besonders aufwendig.
Aufwendig war auch die erste Kickstarter-Kampagne und oft lese ich noch Kommentare auf Facebook, wo kritisiert wird, dass Unterstützer ihr Produkt nicht bekommen hätten?
Louisa: Ja das ist auch vorgekommen – allerdings wurde uns in dem Fall bei der Kampagne die Adressdaten nicht mitgeteilt – sprich online wurden nicht alle Angaben korrekt eingegeben. In solchen Fällen haben wir natürlich auch nachgefasst, aber trotzdem haben wir auf die Bitte um fehlende Daten nicht immer Antwort bekommen. Das waren aber nur ein paar wenige Kickstarterunterstützer, die allermeisten haben ihren Reward erhalten. Zusätzlich hatten wir auch ein Crowdinvesting von Green Rocket…
Was ist Greenrocket?
Louisa: Das ist ein Crowdinvesting. Kickstarter ist ja ein Crowdfunding und zwar „reward based“, das bedeutet, dass man sich einen „reward“ aussuchen kann, also eine Belohnung, die man dann, sollte die Erfindung umgesetzt werden, auch bekommt. Beim Crowdinvesting investiert man Geld in eine Idee in Form eines Nachrangdarlehens. Bei positivem Geschäftserfolg erhält man Zinsen, einen Gewinnanteil und einen Anteil an der Unternehmenswertsteigerung. Bei einer Insolvenz wird man allerdings ganz hinten in der Gläubigerliste gereiht, so dass ein hohes Risiko besteht, leer auszugehen. Das sieht man allerdings erst, wenn der Kaufpreis für die Konkursmasse feststeht.
Wie geht es dir, wenn du solche Kommentare liest?
Louisa: Ich bin riesig dankbar über die vielen Unterstützer, die unseren Weg begleitet haben. Viele haben uns gefragt, warum wir nicht von Anfang an einen Investor genommen haben. Bei unseren Vorgängerprodukten hatten wir bereits Erfahrung mit Investoren gesammelt und dieses Mal sollte es wirklich ein Produkt werden, dass für unsere Pferde gebaut ist und nicht andere Interessen verfolgt werden. So lautete der Auftrag früher, ein Produkt zu bauen, mit dem der Hufschmied gut umgehen kann.– bei Megasus hatten wir von Anfang an eine Mission im Kopf: Nämlich tatsächlich den Umstieg von Eisen auf Barhuf zu ermöglichen oder die Hufeisen zu ersetzen. Wir wollten uns nicht daran orientieren was ein Hufschmied braucht, sondern daran, was ein gesunder Huf braucht.
Es gab auch Stimmen, die sich enttäuscht zeigten über die Mängel bei der Klettvariante?
Louisa: Wir haben während der Kickstarter-Kampagne natürlich nicht Däumchen gedreht, sondern weiterentwickelt. Und Kickstarter bedeutet ja auch, dass man nicht ein fertiges Produkt kauft, sondern gemeinsam mit uns etwas entwickelt. Jedes Feedback unserer Kunden war wichtig.
Leider hatten wir dann den Fall, dass der Lieferant der Klebeverbindung zwischen Klettband und Side-Clip Mängel in der Produktion aufwies. Mal war diese Klebeverbindung super, doch dann gab es immer wieder Chargen mit außerordentlichen Mängeln. Das war wirklich Pech für uns, denn wir mussten viele Side-Clips ersetzen, was viel Geld und Zeit gekostet hat.
Was wir noch gelernt haben? Nicht immer war die gewünschte Klettvariante dann tatsächlich die beste Lösung für das betreffende Pferd. Wie schon gesagt – wir wollten immer das Pferd mit seinen Bedürfnissen in den Vordergrund stellen. Dann kommen freilich die Bedürfnisse des Reiters dazu, der möchte gerne länger ausreiten gehen, vielleicht springen, benötigt Stollen usw.; All das ist mit dem so genannten „Run’n’Fun“ Modell – also der Klebevariante problemlos möglich. Wir hatten eingefleischte Barhuf-Fans, die dann sehr happy waren mit der Run’n’Fun Variante, die mehrere Wochen am Pferd bleiben konnte. Der Vorteil – nach der Demontage des Megasus – man kann sofort barhuf reiten – das ist bei anderen Modellen vielleicht auch nicht immer so easy möglich. Wir haben mit der Zeit eben erst gemerkt, für wen sich welches Modell tatsächlich im Alltag am besten eignet und dementsprechend auch die Produktnamen gewählt. Demnach ist der „Med’n’Rehab“ ein Modell, das vor allem in einer akuten Reha-Phase optimal ist, wenn öfter am Huf was gemacht werden muss – das Pferd aber trotzdem einen Hufschutz braucht.
Warum sollte man jetzt noch überhaupt in Megasus investieren und euch unterstützen?
Louisa: Kaiser Wilhelm II. hat in Deutschland zu Carl Benz gesagt, dass er nicht an die Erfindung des Automobils glaube. Pferde seien die Zukunft. Na wenn der Kaiser das sagt, dann hat das Projekt Auto ordentlich Gegenwind, nicht wahr?
Mein Pitch an alle ist daher: Wir brauchen natürlich Durchhaltevermögen. Unsere Mission ist tatsächlich das Eisen abzulösen. Wenn ich Leute gefragt habe, ob sie sich Pferde mit Eisen in 10, 20 oder 30 Jahren vorstellen könnten, dann habe ich meist die Antwort erhalten: Nein – das ist doch nicht die Zukunft. Große Erfindungen – große Veränderungen brauchen ihre Zeit. Wir sind dran. Wir haben uns nicht entmutigen lassen. Wir haben auch jetzt genügend Material aus Langzeitstudien – wir konnten Vorurteile widerlegen und konnten nachweislich zeigen, dass der Megasus weder den Huf einengt noch auf Dauer abhängig macht von einem Hufschutz. Ob man uns unterstützt, das darf zum Glück jeder selbst für sich entscheiden – aber in erster Linie verliere ich auch nicht den Glauben an die Sache durch unser Team, das vom Megasus überzeugt ist und uns auch trotzdem weiter unterstützt – auch wenn wir quasi nicht mehr unter normalen Voraussetzungen miteinander weiterarbeiten konnten.
Louisa, Team Megasus
Ich muss nochmal fragen – warum soll man euch unterstützen, wenn es doch viele andere klebbare Varianten von Hufschutz gibt oder eben auch Hufschuhe?
Louisa: weil Megasus der einzige Hufschutz ist, der das Eisen tatsächlich ablösen kann. Es gibt viele klebbare Hufschuhe, die allerdings vom Material zu weich sind. Man kann auch keine Stollen eindrehen, oder auf jedem Terrain unterwegs sein. Möglicherweise ist das Material auch zu hart und dann rutscht das Pferd weg. Es handelt sich durchweg um einkomponentige Produkte, die natürlich in der Herstellung um ein Vielfaches günstiger sind. Der Megasus mit seinen zwei Kunststoffkomponenten ist halt wirklich ein Premiumprodukt mit der Härte des Hufs, aber der Stoßdämpfung für die Gelenke – sowie gutem Grip. Man kann vom Hufeisen nicht unbedingt auf jeden Klebebeschlag umsteigen, weil manche eben zu weich sind. Der Huf stößt dann vom starren Gefühl des „Eingegipst“ seins zu viel zu viel Bewegung im Huf. Das schmerzt, es kommt zu Abszessen.
Es gibt Lösungen mit Metallkern – dann ist man aber wieder mit Metall unterwegs – alternative Hufbeschläge sind in den letzten Jahren auf 10 Prozent Marktanteil gestiegen. Also alle Alternativen im Vergleich zum Eisen. 90 Prozent der Reiter sind mit Hufeisen unterwegs – und das ist halt unsere Mission – tatsächlich einen machbaren Übergang und Umstieg zu bieten.
Und vergleichbare Modelle zum Kleben oder Kletten?
Louisa: Diese haben durch die beweglichen Klipps einen Vorteil nicht, den der Megasus hat: Der Megasus kann jede Hufform abbilden, jeder Clip passt sich individuell an die Begebenheiten an. Durch diese individuelle Anpassbarkeit kann man orthopädisch gut auf die Situation eingehen. Hier sind zwei weitere Begriffe wichtig, nämlich Pronation und Supination. Unter Pronation beschreibt man die Einwärtsdrehung einer Gliedmaße – das ist damit die Gegenbewegung zur Supination. Bei der Pronation des Hufs handelt es sich um eine natürliche Dämpfungsbewegung nach innen – aber es kann auch zuviel sein. Sprich eine Überbewegung wirkt sich schädlich auf Sehnen, Bänder und Gelenke aus. Laufschuhe werden heutzutage auch genau an die individuelle Bewegung angepasst. So werden die meisten Laufschuhe im Außenbereich abgenutzt. Durch mehr Hufschutzüberstand innen haben wir beispielsweise bei deiner Stute Tabby versucht, das Ungleichgewicht der Hufwände auszugleichen. Damit wurde eine Stabilisation der Hufsituation erreicht. Wir wollten somit ein Abkippen nach innen verhindern. Dies passiert bei uns Menschen beispielsweise, wenn wir zu weiche, instabile Schuhe tragen – zum Beispiel bequeme Plastiklatschen im Sommer. Wir kippen dann mit den Füßen über den Schuh hinaus. Der Megasus kann eben hier durch das Clip-System eine orthopädische Verbesserung schaffen. Mittlerweile haben wir nach vielen Tests auch hier zahlreiche Dokumentationen, die den Erfolg dieses Systems bestätigen.
Was habt ihr noch durch eure Dokumentationen herausgefunden?
Louisa: Eine Frage lautete: Wird der Huf durch den Megasus geweitet? Da können wir jetzt ganz klar sagen – Nein, er bekommt eine ursprüngliche, stabile Hufform, selbst im Dauereinsatz.
Themenwechsel – das liebe Geld. Natürlich hat das Megasus-Probetragen meiner Pferde auch für Interesse gesorgt und viele Fragen erreichten mich auch über Facebook oder direkt Face to Face. Oft wurde hier aber die Preisfrage genannt, wenn es um die Frage ging: Megasus oder eben doch eine andere Variante. War bzw. wäre der Megasus einfach zu teuer?
Louisa: Wenn man an Preise denkt, haben die Pferdebesitzer das Intervalldenken des Hufeisens im Kopf. Der Megasus durchbricht dieses Denken, weil man nach sechs Wochen Montage in der Regel noch 1-3 Wochen Barhuf weiterreiten kann, weil so viel gesundes Hufhorn nachgewachsen ist. Es kommt natürlich darauf an, wo die Pferde gehalten werden, welcher Untergrund vorhanden ist und wie man reitet. Tester haben berichtet, dass sie – da sie den Megasus mal montiert hatten und dann wieder eine Barhuf-Phase eingelegt hatten – eben auf die gleichen Kosten wie mit einem Hufeisen gekommen wären. Auch Sommer und Winterverhältnisse machen da sicherlich einen Unterschied. Grundsätzlich kostet der Megasus das 1,5 oder 2-fache eines Hufeisens. Allerdings können die Sohlenplatten mehrfach verwendet werden.
Bei der berittenen Polizei in Houston hat man eine spannende Sache festgestellt – die Pferde wurden auf barhuf umgestellt und einige Pferde, die man eigentlich schon in Pension schicken wollten, konnten sich wieder besser bewegen.
Für mich ist es eine gewisse Logik, dass ein Eisen Schaden verursachen muss. Ein Orthopäde würde uns Menschen ja auch keinen Eisenschuh bei einem Senkfuß verordnen. Die Frage ist – gebe ich für spätere Behandlungen mehr aus oder lasse ich es gar nicht so weit kommen?
Ihr wollt nochmal durchstarten mit einer völlig verrückten Idee – noch bevor die Idee konkret präsentiert wurde, gab es schon Postings zu lesen mit dem Tonus: „Die haben es vergeigt, nochmal kriegen die meine Unterstützung nicht“. Was sagst du dazu?
Louisa: Wir haben versucht mit wenigen Mitteln das Unmögliche zu schaffen. Eine Sache abzulösen, zu der es tausende Jahre keine Alternative gab. Bislang hat das ja auch noch niemand geschafft, das Hufeisen nachhaltig abzulösen. Stillstand bringt uns ja nicht weiter. Es hätte sein können – und wir sind extrem weit gekommen – deswegen stecken wir den Kopf nicht in den Sand und geben nicht auf. Ab heute gibt es auf Kickstarter das lustige Kartenspiel. Das Spiel macht einfach Spaß und du kannst ein Kartenspiel bekommen – oder eben nicht.
Erzähl mal mehr über das Kartenspiel?
Louisa: Die Mutter meiner Freundin hat jahrelang in einer Sockenfabrik gearbeitet. Irgendwann hat die Firma das Gehalt in Socken bezahlt, als alles eingestellt wurde – also bekam jeder jahrelang quasi Socken verschenkt, die allerdings im Schuh rutschten und eine Rolle gebildet hat. Und dann kam der Hemdhalter. Eine Erfindung, die es wirklich gibt – also ein Elastikband, wie Hosenträger, aber für Socken und Hemd. Und diese verborgene Erfindung (die übrigens von der US Army etabliert wurde, damit auf der Parade auch tatsächlich alles dort sitzt, wo es sitzen soll) – diese Erfindung wurde eben Inspiration für ein Kartenspiel, das Freunde und Familie zusammenbringt und Spaß macht. Konkret geht es darum Paare zu bilden und diese seinen Mitspielern abzujagen. Ein Heidenspaß für eine gesellige Runde.
Über Kickstarter kann man also ein lustiges Kartenspiel bekommen…
Louisa: …und damit gleichzeitig Megasus unterstützen. Ja genau.
Das Kartenspiel ist null Risiko. Du hast es – oder du hast es nicht. Du kannst Kartenspielen – oder eben nicht. Und wenn man die Karten bestellt, dann gibt man auch gleichzeitig eine Unterstützung an Megasus.
„Straps Collapse“ ist ab heute online – wer es mag auch in einer Megasus Edition.
Megasus ist ja insolvent und wird von einem Masseverwalter betreut. Steht er hinter der aktuellen Idee?
Louisa: Ja. Denn es kommt so auch wieder frischer Wind in die Verhandlungen. Die Aktion ist freilich mit ihm akkordiert. Ich bin jedenfalls sehr dankbar für die ersten positiven Reaktionen, nachdem wir unseren Newsletter am Wochenende ausgeschickt hatten. Ich bin dankbar, dass nach wie vor so viele Menschen an unser Produkt glauben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Straps Collapse zum Spielen findet ihr unter diesem Link
PS: Warum ich dieses Interview mit Louisa geführt habe? Einerseits verfolge ich die Entwicklung von Megasus schon länger. Natürlich habe ich auch die vielen Diskussionen in Social Media verfolgt und wollte nun selbst auch ein paar kritische Fragen stellen. Meine Pferde fanden die Megasus gut, aber die interessieren sich natürlich nicht für wirtschaftliche Fragen, Forschung und Entwicklung. Ich selbst wurde nicht selbst und ständig geboren – aber mit einem Traum. Hätte es nicht eine Hand voll Menschen gegeben, die an mich geglaubt haben – ich hätte es wohl selbst nicht geschafft – schließlich waren mir selbst auch einige: „Das geht nicht“, „Das kannst du nicht“-Hürden in den Weg gelegt. Megasus wird einige Handvoll Menschen mehr brauchen, um tatsächlich weiter in der Umsetzung zu bleiben. Unternehmen und nicht Unterlassen – das habe ich vor ein paar Jahren gelernt 😉
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