Play-smile-and practice – das ist das Motto des schwedischen Bent Branderup-Trainers Christofer Dahlgren, den wir kommendes Wochenende in Graz zum ersten Mal begrüßen werden. Letzte Woche hat er mir im Interview erzählt, warum Entspannung der Schlüssel zur Ausbildung der Pferde ist. Im Gespräch mit Christofer hat mich vor allem beeindruckt, wie viele Gedanken sich der Ausbilder vor allem über die Psyche des Pferdes macht.
Dies hab ich mir zum Anlass genommen, mich im heutigen Blog mit dem „denkenden Reiter“ zu befassen. Über den Reitertakt könnt ihr hier nachlesen.
Warum reiten wir eigentlich Lektionen, um das Pferd zu schulen? Diese Gedanken haben sich bereits 1733 Francois Robichon de la Guérinière, 1814 der Oberbereiter der spanischen Hofreitschule – Max von Weyrother und Exzellenz von Hohlbein 1898 gemacht und schreiben in ihren Werken immer wieder vom denkenden Reiter, der durch die Arbeit mit dem Pferd an verschiedensten Lektionen die Stärken und Schwächen des Pferdes herausfindet. Dahlgren empfiehlt auch hier herauszufinden, ob sich ein Pferd beispielsweise in der Bewegung oder im Stehen besser lösen und entspannen kann.
In dieselbe Kerbe schlägt Exzellenz von Hohlbein in seinen „Directiven“:
„…dass jeder denkende Reiter Auskunft geben können müsse, warum und zu welchem Zeitpunkt er verschiedene Übungen von seinem Pferd verlangt. Ein denkender Reiter wird, die Stärken seines Pferdes ausnützend, an die Behebung seiner Schwächen herangehen. Damit wird er dem Pferd das Lernen erleichtern und sich selbst viel Zeit ersparen. Allerdings darf er sich nicht in den Schwächen seines Pferdes vergessen, ein Fehler, der nur allzu leicht aus jeder in jedem Menschen wohnenden Eitelkeit geboren werden kann. Grundbedingung ist also, dass der Reiter den Körperbau seines Pferdes kennt und ihn beurteilen kann“.
Für den Reiter heißt das also auf die Individualität seines Pferdes einzugehen. Um noch einmal Christofer Dahlgrens Philosophie zu betonen: Play – smile – and practice: Demnach erreicht man nur bei guter Stimmung des Pferdes eine hohe Leistungsbereitschaft.
Sich Zeit lassen
Auch dieses Credo behält der denkende Reiter stets im Kopf. Immer wieder lese ich in Foren bzw. höre ich in Diskussionen von der „guten alten Zeit, wo man sich Zeit gelassen hat“.
„Sich Zeit lassen. Das ist eine Erkenntnis, die gerade in unserer schnelllebigen und nach raschen Erfolgen heischenden Zeit nicht oft genug in Erinnerung gebracht werden kann“.
Ein aktuelles Zitat? Die gute „alte Zeit“? Mitnichten. So formulierte es der Oberbereiter der Wiener Hofreitschule Alois Podhajsky in seinem Werk „Die klassische Reitkunst“ 1965. Und er ergänzt:
„Effekthascherei und besonderer Auswüchse persönlicher Eitelkeit werden niemals zur Richtschnur für die Entwicklung einer Kunst werden können.“
Was heißt sich Zeit lassen? Mitunter der wichtigste Satz in der Pferdeausbildung, denn wer schnelle Fortschritte auf Kosten der Korrektheit erzwingt, landet rasch in der Sackgasse und arbeitet möglicherweise gegen das Temperament des Pferdes. Auch hier eine Weisheit des Oberst der Wiener Hofreitschule:
„Bekanntlich kommt man über Mängel im Körperbau leichter hinweg als über Temperamentfehler. Ja, diese wird der Reiter nur dann erfassen können, wenn es ihm gelingt, sich ganz in das Wesen seines vierbeinigen Mitarbeiters hineinzudenken. Deshalb muss der gute Reiter auch ein guter Psychologe sein“.
Auf die Couch gelegt?
Man muss kein Sigmund Freud sein, um sinnvoll mit seinem Pferd zu arbeiten. Gerne wird die Faustregel herangezogen: Temperamentvoller Reiter für eher ruhiges Pferd und umgekehrt. Auf Faustregeln sollte man sich aber gerade in der Reiterei nicht verlassen – denn kein Pferd reagiert strikt nach dem Lehrbuch. Vielmehr geht es darum – so hat es Jossy Reynvoet in seinem Kurs im April schön formuliert – „ein Entdecker zu werden und kein Pauschaltourist“.
Keine einfache Sache – gerade wenn Mensch und Pferd zusammen arbeiten kommt es gerne zu Interpretationen und „Schuldzuweisungen“. Für eigene Fehler darf das Pferd aber nicht als Sündenbock missbraucht werden.
Der Reiter darf auch nie vergessen, über Ursache und Wirkung nachzudenken. Warum reiten wir welche Lektionen und welche von ihnen wähle ich in welcher Situation für mein Pferd. Eine kleine Anregung zur Trainingsvorbereitung kann hier mein Trainingstagebuch geben.
„Nur so großes Wissen und reiche Erfahrung gepaart mit einem feinen Gefühl und vor allem einem ausgeprägten Einfühlungsvermögen in andere Lebewesen werden den Reiter zum individuellen Ausbilder heranreifen lassen und ihn dazu befähigen, sich vom Handwerksmäßigen zur Kunst zu erheben“. (Alois Podhajsky).
Für mich ist der denkende Reiter einer, der hinterfragt, Antworten sucht und sich nicht mit: „das war schon immer so“-Erklärungen zufrieden gibt. Hier komme ich noch einmal auf Christofer Dahlgren zurück. Seiner Meinung nach liegt es oft an der „Verhaftung im System“, wenn schlechtes Reiten zutage kommt. Schließlich streben viele Reitdisziplinen nach Leichtigkeit – die Ausbildung dürfe aber nicht stur in einer Systemverliebtheit stecken bleiben.
Ich freue mich schon sehr auf den Kurs am kommenden Wochenende mit Christofer Dahlgren. Ich bin schon sehr gespannt, wie Christofer unsere Pferde analysiert und welche Tipps er uns für die „psychologische“ Arbeit kombiniert mit Biomechanik auf unsere Reise zur Reitkunst mitgeben wird.
In diesem Sinne – werden wir zum Psychologen für unser Pferd – dann Reiten wir Einfach 🙂
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