Der Zirkel – der Reiter – ein Kreislauf um Geraderichtung und Balance. Erst neulich habe ich auf Facebook ein lustiges Bild entdeckt. Das Pferd beim Psychiater auf der Couch klagt sein Leid über die vielen Zirkel, die es machen muss. 

Warum haben wir mit dem Zirkel Kreislauf-Schwierigkeiten? 

Ich kann mich noch sehr lebhaft an eine Reitstunde anno 1995 erinnern. Mein Trainer damals hatte auch ein Faible für Mathematik. Als ich Runde um Runde um das Gleichmaß der Zirkellinie ritterte und mich häufig in Gedanken verlor, deckte er meine mentale Abwesenheit auf. Am nächsten Tag stand eine Schularbeit in Mathe am Programm und es ging ausgerechnet um die Berechnung von Kreisen und Kugeln (und weiß der Teufel…). 

Für eine nachhaltige Liebe zu Mathematik hat die damalige Stunde nicht gereicht, aber die punktgenaue Vorstellung von Formelpunkten, die ich anvisiert habe, hat die Liebe zum Zirkel jedenfalls verbessert. 

Die Schwierigkeit mit meinem „Kobld“ damals war die gleichmässige Linienführung. Später habe ich den Zirkel auch für Schwierigkeiten genutzt – mit „Barilla“ bin ich einen Zirkel nach dem anderen geritten. Intuitiv hatte ich hier manchmal das Gefühl eine Losgelassenheit zu bekommen, aber leider damals noch nicht nachhaltig. 

Der Mensch und der Zirkel und der ewige Kreislauf

Zum ersten Mal mit dem Zirkel konfrontiert werden wir als Reitanfänger an der Longe. Und später, wenn wir unser erstes eigenes Pferd longieren, setzen wir uns mit der Ausbildung auf der Kreislinie auseinander. Hier höre ich häufig im Unterricht folgende Schwierigkeiten: 

  • Mein Pferd will sich an der Longe nicht biegen
  • Mein Pferd kann keine Zirkellinie einhalten 
  • Mein Pferd hat Probleme, ein geordnetes Tempo zu halten
  • Mein Pferd kippt im Galopp wie ein Motorrad in die Kurve
Das Gefühl für die richtige Biegung spüren – das heißt es nicht nur für das Pferd, sondern auch für den Reiter

Kein Kreislauf? Die Basis für den Zirkel 

Egal, was und wie wir unser Pferd ausbilden wollen. Die Basis ist immer Kommunikation. Um eine gemeinsame Sprache zu sprechen, bedeutet dies Signale gemeinsam zu interpretieren. In der Bodenarbeit bringen wir dem Pferd daher sechs verschiedene Schenkelhilfen bei. 

  • Den um sich herum biegenden, inneren Schenkel
  • Den äußeren, von sich weg biegenden Schenkel
  • Den direkten, vorwärts treibenden Schenkel
  • Den verwahrenden Schenkel
  • Den von sich weg biegenden Schenkel
  • Den rahmenden Schenkel
  • Den Versammelnden Schenkel 

Außerdem lernt das Pferd direkte und indirekte Zügelhilfen kennen. Unsere Hand am Kappzaum lernt in den Pferdekörper zu spüren. Ich bin immer wieder überrascht, welch feine Nuancen sich hier aufspüren lassen. Fällt das Pferd eher auf die innere oder äußere Schulter? 

Versuch: Stelle dich hüftbreit vor dein Pferd und verbinde dich über die Hand mit dem Kappzaum. Fasse das Pferd am Kappzaum, Zeigefinger oberhalb des Nasenriemens, Daumen unterhalb des Nasenriemens. Nun schließe die Augen und spüre genau hin. Kannst du fühlen, welche Körperhälfte das Pferd eher belastet? Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man sein Gefühl schult hinsichtlich Balance und Losgelassenheit. Auch die „Hergabe“ des Genicks lässt sich so leicht erfühlen. Fühlt sich die Verbindung leicht und locker oder bereits geprägt durch einen Widerstand am Genick an? 

Mit der Hand lernen wir das Pferd zu formen, das Pferd wiederum lernt Stellung und Biegung kennen. In der Bodenarbeit vor dem Pferd formen wir den ersten Zirkel und spüren, ob das Pferd die Formgebung leicht halten kann, oder ob es auf eine Schulter fällt und den Zirkel vergrößert oder verkleinert. 

Ein Kreislauf und die Frage: wie laufen wir rückwärts? 

In der Frontposition vor dem Pferd verschaffen wir uns einen sehr guten Überblick. Der Nachteil kann jedoch sein, dass wir viel zu langsam unterwegs sind und das Pferd im Rückenschwung behindern. Das eine Pferd wird sich dann vielleicht im Hals festmachen, es lässt sich schwer lösen und wird zögerlich. Die dreidimensionale Schwingung der Wirbelsäule wird in ihrer Amplitude gehemmt, der Schwung kann nicht mehr von hinten nach vorne fließen. Ein anderes Pferd reagiert anders und fällt über die äußere Schulter nach draußen. Es verfügt über viel Schub und kanalisiert die Energie über die äußere Schulter. Natürlich wird auch hier die korrekte Formgebung verhindert. 

Wenn wir vorwärts laufen ist ein gleichmässiger Zirkel schon schwer genug. Rückwärts unterwegs werden wir häufig Opfer unserer Händigkeit. Wir fallen auf der einen Hand in den Zirkel und auf der anderen Hand aus dem Zirkel. Freilich folgt uns das Pferd bereitwillig und wird noch schiefer. 

Bevor wir also das Pferd gymnastizieren, sollten wir immer auch uns selbst und unser Tun unter die Lupe nehmen. Hier kann man folgendes ausprobieren: 

Auf dem Zirkel vorwärts unterwegs. Laufen wir hier lieber rechts rum oder links rum? Ich persönlich laufe beispielsweise lieber links herum. Mein linkes Bein trägt, mein rechtes Bein schiebt. Wechsle ich die Hand und lasse nun mein tragendes Bein bewusst links außen und das schiebende rechts, werde ich mich selbst sofort nach außen stellen und den Zirkel vergrößern. Wenn wir also links oder rechts herum unterwegs sind, hilft das Bewusstsein über die eigene Schiefe enorm, sich auf der Kreisbahn gerade zu richten. Was uns hilft? Manchmal auch die Idee sich über ein leichtes Kruppeherein gerade zu richten. 

Die Hand lernt eine Mitteilung für das Pferd zu sein, umgekehrt lernt das Pferd der Hand zu vertrauen, wichtige Informationen weiter zu geben.

Ein Kreislauf und die Frage: Wie laufen wir vorwärts? 

Ein häufiges Problem im Unterricht: Das Pferd vergrößert den Zirkel und läuft über die äußere Schulter. Bevor wir nun das Pferd korrigieren, ist der Blick auf sich selbst ratsam. Wie sind wir eigentlich unterwegs. Die meisten Ausbilder bewegen sich gerne etwas mit dem Pferd mit. Gerade zu Beginn der Ausbildung ist es auch ratsam den Zirkel allmählich zu vergrößern – nach dem Motto: Vom leichten zum Schweren versuchen wir den Zirkel zunehmend mit konstanter Formgebung zu vergrößern. Anfangs hilft die geringere Distanz zwischen Mensch und Pferd rahmende und verwahrende sowie biegende Hilfen zu kommunizieren. 

Es lohnt sich, sich selbst zu beobachten. Drehe ich meine direkte Hand permanent zum Pferd und vergrößere ich die Zirkellinie mit dem Bein, das dem Pferd zugewandt ist (mein eigenes äußeres Hinterbein quasi) wirke ich stark als innerer Zügel auf das Pferd. 

Reisen wir in die Zeit von Antoine de Pluvinel und studieren wir den Einzelpilar. Der Pilar ist ein „um sich herum biegendes Element“. Wir können uns ebenso in einen Pilaren verwandeln – das gibt auch Aufschluss darüber, wo wir uns „hingezogen“ fühlen – vielleicht war nicht das Pferd der Auslöser, sondern wir? 

Der Kreislauf: Die innere Schulter und der Zirkel 

Da wir so gerne auf dem Zirkel reiten, übersehen wir häufig, dass es ja im Grunde zwei Zirkel sind, auf denen wir unterwegs sind. Es gibt einen inneren und einen äußeren Zirkel – das Pferd hat ein inneres und ein äußeres Beinpaar. Häufig treten Pferde mit dem inneren Vorderfuß über den äußeren Vorderfuß. Es hat den Anschein, ein Seiltänzer wäre auf einer einzigen Spur unterwegs. 

Ausgelöst wird dieser Effekt häufig durch uns Reiter. Wir spüren und fühlen in unserem Alltag viel mehr mit unseren Händen und Fingern, als mit unserem Gesäß. Somit bemerken wir, dass es nicht „rund“ läuft – die Ursache ist das innere Hinterbein. Anstelle der Korrektur über den Sitz probieren wir mit der inneren Hand als indirekter Zügel das Pferd noch weiter nach außen zu lotsen Das Pferd fällt über die innere Schulter nach draußen, der Brustkorb kommt innen hoch und wir verschärfen die Korrektur, da das innere Hinterbein nun ja erst recht keine Chance hat, zum Schwerpunkt zu treten. Wir verlieren die Lust am Zirkel und werden verzweifelt – ein schlimmer Kreislauf entsteht. 

„Um den inneren Schenkel wird also gleichsam der Pferdekörper der Länge nach entsprechend der Tour gebogen, weshalb diesem Schenkel eine große Bedeutung zukommt. Er ist in der Wendung wichtiger als die innere Zügelhilfe“.

Alois Podhajsky, Die klassische Reitkunst

Was können wir also tun, um dem Pferd den Kreislauf der Zirkel Depression zu durchbrechen? 

Schulen wir unser Pferd vom Boden aus, so dass es wider den Gesetzen der Natur den Zirkel beherrscht und sich auf der gebogenen Linie gut tragen kann. 

Schulen wir unsere Hilfengebung für eine feine Kommunikation zuerst am Boden und später vom Sattel. 

Nehmen wir uns Zeit zu spüren und bringen wir uns selbst ins Gleichgewicht, unser Pferd wird es uns danken. 

Der Kreislauf zum Weiterlesen