Die Wirbelsäule – das Zentrum für Bewegung und Bewegungsqualität. Wie unsere Wirbelsäule das Pferd beeinflusst und umgekehrt.

Primäre Hilfe wird er genannt – der Sitz. Viel wurde schon geschrieben und gesagt über den Sitz und es gibt immer etwas Neues dazuzulernen und zu entdecken. 

Wer sorgt für Bewegung? Die Beine oder die Wirbelsäule? Das ist die Gretchenfrage gesunder Bewegung, nicht nur in der Reitkunst. 

Die Wirbelsäule und ihre Schwingung 

Die Wirbelsäule ist ein sehr altes Konzept. Eine großartige Leseempfehlung kann ich schon an dieser Stelle geben: Reiten nur mit Sitzhilfe“ von Dr. Brigitte Kaluza bringt die Entwicklung und Bewegung der Wirbelsäule voll auf den Punkt. 

In der Einfachheit sei aber verraten: Die Wirbelsäule des Pferdes schwingt im besten Fall dreidimensional, wir nehmen Schwingungen im Auf und Ab wahr, dann schwingt die Wirbelsäule zur Seite und freilich in Rotation.

Wenn ich einen neuen Reitschüler in der Reitbahn oder am Bildschirm begrüße, dann analysieren wir zuerst die Bewegung der Wirbelsäule. Das heißt, wir nehmen war, ob die Pferdewirbelsäule auf und ab, mehr zur Seite oder deutlich in Rotation schwingt. Meist nehmen die Reiter deutlich ein auf und ab wahr oder beschreiben, dass sie deutlich nach vorne oder zurück bewegt werden. 

Jedes Lebewesen hat eine für sich prominente Bewegung entwickelt, die immer individuell ist. Aber nicht immer ist Bewegung auch gesund, vor allem nicht, wenn sich das Pferd in diesem Fall für sich selbst schlecht bewegt und dann noch zusätzlich mit einem Reiter belastet wird. 

Wirbelsäule formen: Gemeinsam besprechen Andrea und ich die einzelnen Hilfen während eines Kurses

Wie kann ich die Schwingung beeinflussen? 

Ein Beispiel aus der Praxis. Die zarte Isländer Stute betritt das Viereck. Ihre Reiterin wird im Sattel sehr stark bewegt. Der Oberkörper wird immer wieder gegen den Widerrist bewegt, das Pferd wird hektisch und die Reiterin kann keine treibenden Hilfen einsetzen, da das Pferd immer schneller wird. 

Wir könnten jetzt natürlich mittels Paraden die Beine verlangsamen und freilich auch auf die Wirbelsäule einwirken. Durch die Hektik des Pferdes ist eine Durchlässigkeit der Paraden meist jedoch nicht gegeben. Das Pferd verliert somit auch die zuverlässige Formgebung der Wirbelsäule und wird fest im Rücken. 

Eine zweite Variante ist freilich den Fokus weg von den Beinen hin zur Schwingung der Wirbelsäule zu lenken. Entweder werden wir durch das Pferd bewegt, spüren also auch deutlich unbequeme Bewegungsmuster und werden in der Folge auch für das Pferd unbequem. Oder wir versuchen mit dem Sitz die Schwingung der Wirbelsäule zu beeinflussen. 

  • 1. Schritt: Wir spüren, wie uns das Pferd überhaupt bewegt. Gibt es einen Moment, wo das Pferd uns schnell bewegt, einen Moment, wo die Bewegung abrupt abreißt? Volle Konzentration auf die eigene, innere Hüfte. 
  • 2. Schritt: Wir versuchen nun die Bewegung in der Geschwindigkeit möglichst gleichmässig ablaufen zu lassen, dabei konzentrieren wir uns freilich zunächst auf die eigene innere Hüfte. 
  • 3. Schritt: Wir versuchen die Bewegung aus der eigenen Hüfte heraus langsamer zu gestalten, als das Pferd vorschlägt
  • 4. Schritt: Wir prüfen, ob das Pferd die Vorgaben aus unserem Sitz heraus übernimmt
  • 5. Schritt: Wahrnehmen: Wie fühlt sich die Bewegung des Pferdes an? Wie fühlt sich unsere Bewegung an? Wer ist der führende Tanzpartner? Decken wir eckige oder kantige Bewegungen auf? Läuft alles rund? Wenn nein, wieder zurück zu Schritt 1. 

Die Sache mit der Rotation

Wenn das Pferd in der Biegung unterwegs ist. Dann hätten wir aus Vogelperspektive betrachtet gerne zwei Zirkel, auf denen sich das Pferd bewegt. Das innere Beinpaar läuft freilich etwas weiter innen als das äußere Beinpaar. Die Biegung des Pferdes verläuft gleichmässig durch den gesamten Pferdekörper. 

Freilich kann die Schwungrichtung der Pferdebeine die Rotation der Wirbelsäule beeinflussen. Geht es nun darum die Pferdebeine zu korrigieren oder die Wirbelsäule zu bewegen? 

Ein von Reitern häufig geschildertes Phänomen ist die ungleichmäßige Biegung. Der Reiter kommt am inneren Sitzknochen deutlicher zum Sitzen, das äußere Gesäß fällt nach „unten“ durch. Scheinbar kann man außen nur schlecht auf dem Brustkorb des Pferdes Platz nehmen. Der innere Steigbügel scheint kürzer, der äußere länger. 

Wirbelsäule spüren: Andrea und ihre wunderschöne Lusitanostute Galàctika von La Perla hochkonzentriert

In einer korrekten Biegung wünschen wir uns freilich eine Dehnungsbereitschaft der äußeren Oberlinie und ein Anheben des Brustkorbes außen.

Wir können uns nun intensiv darauf konzentrieren, innen tiefer zu sitzen. Meist hilft das jedoch nur wenig und der Gedanke an das Gegenteil ist weit aufschlussreicher: Denken wir doch mal, dass wir dem Brustkorb außen mit unserem Gesäß Platz machen, ihn einladen nach oben zu schwingen. 

  • 1. Schritt: Wir spüren wann das innere Hinterbein abfusst.
  • 2. Schritt: Wenn das innere Hinterbein nach vorne greift, heben wir außen unser Knie ein bisschen an, um das äußere Gesäß ebenso etwas anzuheben. 
  • 3. Schritt: Wir wiederholen die Bewegungsabfolge mehrmals und prüfen, ob wir dem Pferd tatsächlich am äußeren Brustkorb mehr Raum gegeben haben. 
  • 4. Schritt: Wir prüfen, ob das innere Vorderbein tatsächlich auf dem inneren Zirkel läuft oder nach außen kreuzt. In diesem Fall würde sich der Brustkorb durch die kreuzende Bewegung des inneren Vorderbeins ständig innen heben.
  • 5. Schritt: Wir wiederholen den Prozess, bis wir definitiv den inneren Steigbügel etwas länger beschreiben würden. 

Die Sache mit den Übergängen 

Wir kennen unser Pferd in und auswendig. Wir können über seine Vorlieben und Macken ganze Bücher füllen und unter Pferdeleuten wird abendfüllend über die Charaktereigenschaften des geliebten Vierbeiners diskutiert. 

Wie gut können wir allerdings den Takt, das Tempo und die Bewegung im Schritt, Trab und Galopp beschreiben? 

Es gibt sehr viele Möglichkeiten einen Übergang zu reiten. Einerseits können wir uns das innere Hinterbein diagonal zum äußeren Vorderbein vorwärts treiben. Durch das schnellere Abfussen des Hinterbeins ändert sich der Takt und das Pferd wird vom Schritt in den Trab wechseln. 

Im Falle meines Amena ist ein Treiben mit dem Schenkel jedoch kontraproduktiv. Amena hat in der Bodenarbeit sehr gut zwischen den einzelnen Schenkelhilfen zu unterscheiden gelernt und wir haben – auch weil ich dies mit einigen Pferden nicht so akribisch erarbeitet hatte, dem treibenden Schenkel vor allem das „unter den Schwerpunkt treiben“ und versammeln zugeschrieben. 

Wirbelsäule sehen: Vor dem Reiten schult Andrea ihr Gefühl und ihren Blick – so schult man auch das „Auge“ für das Gesäß.

Ich muss Amena also die Größe der Schwingung vorgeben. Amena schwingt im Trab anders als in der Versammlung. Demnach kann ich beim jungen Pferd sowohl durch Stimmhilfen, als auch durch die veränderte Geschwindigkeit meines Hüftschwungs vom Schritt in den Trab kommen. 

Auch bei den Übergängen von einer höheren in eine niedrigere Gangart kann ich mir freilich die Erinnerung an das Bewegungskonzept des Pferdes zu Nutze machen. Ich beginne (laut oder leise, ganz wie es mir gefällt) den Takt langsamer zu zählen und das Pferd vom Trab in den Schritt zu dirigieren. Diese Übergänge gelingen meist ohne viel Handeinsatz, was das Pferd freilich für die Arbeit mit den Paraden fein erhält, außerdem ist die Bewegung vom Trab in den Schritt eher gleitend, der Übergang stockt nicht. 

Und dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit durch den Sitz die Schwungrichtung traversal oder verbal zu beeinflussen. Aber das ist eine andere Geschichte 😉 

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