Als ich vor über 10 Jahren zur Akademischen Reitkunst kam, war es gerade die Leichtigkeit, die mich so unendlich fasziniert hatte. Jahrelang plagte ich mich mit meiner Stute Barilla. Ich hatte damals unwissend den Schub verstärkt und mein Pferd permanent auf die Hand geritten. Gefühlt hatte ich eine Tonne in der Hand, es fühlte sich alles so unendlich schwer an und das wirkte sich zuletzt auch auf unsere Beziehung aus.
Doch zum Glück sollte es anders kommen. Durch eine Freundin kam ich zur Akademischen Reitkunst und ihren Schilderungen von Leichtigkeit konnte ich nicht glauben. Erst als ich Eva und ihren Warmblüter Anton in einer Piaffe miteinander tanzen sah, da wußte ich: Das will ich auch. Wobei es mir weniger um die Piaffe ging, als um die feine Verbindung zwischen den Beiden. Der Zügel lose und so gar nicht straff, die Verbindung zwischen Mensch und Pferd ebenso leicht und tänzerisch. Eine wunderbar geformte Oberlinie.
Also zog ich aus, um die Leichtigkeit mit Barilla zu finden.
Leichtigkeit ist nicht gleich Leichtigkeit
In der Akademischen Reitkunst arbeiten wir an Leichtigkeit oder besser gesagt an Balance. Wenn wir doch viel Gewicht in der Hand spüren, dann hat das Pferd seinen Schwerpunkt zu stark auf die Vorhand verlagert, es sucht in der Reiterhand nach einem „fünften Bein“, um sich abzustützen. Wenn das passiert, dann wird das Gewicht förmlich auf die Schultern geworfen, ein echtes Schwingen der Wirbelsäule aus der Hinterhand ist dann nicht mehr gegeben. Ein Teufelskreis entsteht, denn unsere erste Reaktion – und durchaus menschlich? Wir wollen das unschöne Gefühl vor uns, vor dem Reiter mit der Hand reparieren, sind wir doch im Alltag auch äußerst „Handlastig“ und alles, was wir fühlen, manifestiert sich zuerst „vor“ uns. Wir sind es zu Beginn unserer Reise auch noch nicht gewohnt nach „hinten“ in die Hinterhand des Pferdes zu spüren. Die Hand wirkt dann rückwärts und „würgt“ den Rückenschwung noch mal ganz deutlich ab, wenn die Wirbelsäule durch unsere „Reparaturmaßnahmen“ komprimiert wird. Der Hinterfuß wird dann auch nicht besser nach vorne kommen sondern nach hinten raus gedrückt.
Wann ist Leichtigkeit „echt“?
Mit der Tätigkeit der Hinterhand steht und fällt quasi ein gutes Ergebnis. Wenn das Pferd seinen Hinterfuß nach vorne unter die Masse, also unter den Schwerpunkt setzt, dann kann es den Brustkorb heben. Die Schultern und die Führung zwischen den Schultern wird leicht, das Pferd kann seinen Hals und Kopf gut tragen und somit wird es auch leicht, den Reiter zu tragen.
Wir arbeiten also mit Balance, mentaler und physischer Losgelassenheit, Durchlässigkeit, Tempo und Takt und tasten uns nach und nach an die Formgebung heran. Egal ob wir das Pferd zur Dehnungshaltung einladen möchten oder später an mehr Aufrichtung arbeiten, das Pferd darf nie durch die Reiterhand in eine Form gepresst werden.
Ist Leichtigkeit immer richtig?
Nein. Leider.
Es gibt verschiedene Formen von falscher Leichtigkeit.
Sehr häufig treffe ich auf Pferde, die sich auf den ersten Blick rein optisch in eine schöne Position begeben, die Formgebung des Halses scheint korrekt, wenn aber die Reiterhand zur Dehnung einlädt und der Reiter das Pferd zum Rausstrecken des Halses auffordert, dann passiert….nichts. Das Pferd bleibt in der zuvor beschrieben Haltung und traut der Hand nicht. Die Ursache für dieses Phänomen kann ein zusammengezogener oder ein steifer Hals sein.
Daher ist eine der ersten Übungen, die ich am Boden umsetze, das Prinzip der nachgiebigen Hand vorzustellen. Dabei löse ich das Pferd noch gar nicht abwärts, sondern frage mal sanft am Kappzaum oder am Halfter nach, ob das Pferd den Kopf einfach mal zur Seite nehmen möchte. Kommt es meiner vorsichtigen Frage nach, dann nehme ich die Hand unmittelbar weg vom Halfter oder Kappzaum in meinen Bereich und lobe das Pferd. Ich frage also nach, ob meine Hand etwas formen darf, kommt das Pferd meiner Bitte nach, dann ist die Hand sofort nachgiebig. Das Verständnis und Vertrauen in eine nachgiebige Hand ist für die weitere Ausbildung ein riesiges Plus.
Mit meiner Stute Pina habe ich lange an einer korrekten Dehnungshaltung gearbeitet. Mit Trense oder gebisslos kein Problem – das bloße Gewicht der Kandare reichte beim ersten Mal schon aus, dass sie die Nase hinter der Senkrechten positionierte und im Rücken fest wurde. Freilich – das Problem wäre so oder so da gewesen. Als wir nach einer passenden Kandare suchten, wurde es nur offensichtlich, woran wir eigentlich noch arbeiten mussten.
Wir haben also akribisch an einer guten Verbindung gearbeitet. Schwierig ist es natürlich, eine solche Leichtigkeit von einer korrekten Leichtigkeit zu unterscheiden. Was uns hier auch geholfen hat, war die Ausbildung in der Handarbeitsposition von außen geführt. Nun konnte ich die Tätigkeit der Hinterhand ganz eindeutig observieren und spüren, was in der Hand ankam und was eben nicht ankam. Zusätzlich war es angenehm, Pina quasi im Blick behalten zu können und die Einschätzung dessen, was ich in der Hand fühlte wurde zunehmend deutlicher. So konnte ich auch im Sattel besser beurteilen, ob Leichtigkeit echt und harmonisch oder eben nicht korrekt war.
Kein Pferd verhält sich wie das andere. Die Beobachtung von Monumenten und Statuen in so manchem historischen Innenstadzentrum lädt auf eine Spurensuche in Punkto „Aufgerollter Hals“ ein. Dabei scheint das Pferd stolz und aufgerichtet, der Unterhals ist jedoch deutlich auszumachen und der Brustkorb ist zwischen den Schulterblättern abgesunken.
Was ist zu hoch? Was ist zu tief?
Grundsätzlich gilt – aus jeder Position muss ein vorwärts reiten und eine Einladung zur Dehnungsbereitschaft mit einem bereitwilligen „Ja“ beantwortet werden. Kein Pferd gleicht dem anderen, daher kann für das eine Pferd eine tiefere Kopfhaltung möglich sein, für das nächste Pferd hätte dies eine Blockierung des korrekten Rückenschwungs zur Folge.
Und die Zäumung?
„Pferde, die sich zu stark beizäumen oder aufsetzen: In beiden Fällen muss man dem Pferd ein mildes Mundstück geben, weil ein scharfes Mundstück es noch mehr zum Aufsetzen bringt, denn es verfällt in diesen Fehler nur, um den Zwang des Mundstückes zu entgehen. Kurze Bäume in Verbindung mit einem dem inneren Bau des Mauls angepasstes Mundstück sind für solche Pferde zweckmässig. Bei Pferden, die sich zu stark beizäumen und auf der Brust aufsetzen hilft eine Unterlegtrense.“
François Robichon de la Guérinière
Guérinière betont jedoch, dass es nicht ausreicht, dem Pferd eine vernünftige Zäumung zu verpassen. Damit schließt sich der Kreis zum erneuten Plädoyer die Reiterhand umfassend auszubilden und das Gefühl zu schulen, denn….
„….ohne eine gute Hand und viel Einfühlungsvermögen des Reiters bleibt auch die am besten angepasste Zäumung nutzlos. Nur durch Reitkunst, bei der geeignete Lektionen mit einer Zäumung, die dem Maul des Pferdes nicht wehtut, sinnvoll angewendet werden, wird man bei der Ausbildung des Pferdes Erfolg haben.“
François Robichon de la Guérinière
Reisen wir von Frankreich weiter nach Deutschland zu Udo Bürger.
Er attestiert Pferden mit Anlehnungsproblemen auch Probleme mit Tempo und Takt.
„….dabei machen sich die Pferde im Gang selbstständig, verhalten sich oder eilen und stürmen ohne die Hilfen zu beachten, die (Bein)Folge wird unregelmässig, sie üben Resistenz. ….In diesem Sinne fängt jede Korrektur der Anlehnung beim Gang an. Erst muss der reine Gang in freiem Vortritt bei absolut passiver Anlehnung in Ordnung sein, ehe der Reiter sich mit den Zügeln eine Einwirkung hinsichtlich Durchlässigkeit erlauben darf“.
Udo Bürger
Anlehnung und Gewicht in der Hand?
Ist Gewicht in der Hand immer negativ? Grundsätzlich streben wir wie gesagt danach, dass sich das Pferd durch die Tätigkeit aus der Hinterhand selbst gut tragen kann und auch uns dahingehend gut mitnimmt. Wenn es jedoch zu Gewicht in der Hand kommt – okay. Wie? Hat sie jetzt okay gesagt? Ja, denn ohne diese Information in unserer Hand wissen wir ja nicht, was wir eigentlich korrigieren wollen und wo unsere Hausübung liegt. Das heißt freilich nicht, dass wir dieses Ergebnis für immer haben wollen – ein bisschen Gewicht in der Hand ist allerdings ein offensichtlicheres Indiz für die gestellte Hausübung, falsche Leichtigkeit ist manchmal schwieriger zu entlarven. Das Pferd muss lernen, zur Hand des Reiters zu suchen. Die Schulung echter Leichtigkeit entsteht aus der Schulung der Hinterhand gepaart mit dem richtigen Reitergefühl.
Ausbilden mit Leichtigkeit?
Ja, manchmal gibt es Hürden. Leichtigkeit muss daher auch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Wer den Weg zur Akademischen Reitkunst sucht und startet, der stolpert rasch in der Bodenarbeit über Leichtigkeit. Völlig unvoreingenommen tasten wir uns an neue Inhalte heran und sind verblüfft, wie einfach alles von der Hand geht. Und dann? Dann kommt später der Umstieg vom Boden in den Sattel und sie ist dahin, die Leichtigkeit. Es wird also Hürden und Schwierigkeiten geben, aber diese schulen auch unsere Ausdauer zu lernen und zu üben. Manchmal erklimmen wir in der Ausbildung von unserem Pferd und uns selbst scheinbar mühelos mehrere Treppenstufen, manchmal verharren wir auf einer Stufe. Nicht immer ist alles leicht – damit wir unbeschwert und losgelassen trainieren können, müssen wir auch unsere eigene Ausdauer schulen – und das bezieht sich auf Körper und Geist. Daher gehört zur echten Leichtigkeit auch, dass wir uns selbst physisch und mental fit halten.
Arbeiten wir an echter Leichtigkeit, dann Reiten wir Einfach. 😉
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