…oder die Sache mit der Bikinifigur

Effizientes Muskeltraining ist keine Sache von wegen Sommer und Bikinifigur. Freilich geht es nicht um die Zweibeiner, sondern um die Vierbeiner. Da die meisten Weiden viel zu üppig sind, ist die Sorge vor ungewollten Fettdepots durchaus berechtigt. 

Effizientes Muskeltraining: Fallbeispiel Tarabaya

Tabby rank und schlank im April 2016. 

Nicht immer ist jedoch nur der Weidegang die Ursache für unliebsame Fettpölster. Müßiggang ist nicht nur eine Sache von Faulheit. Oft liegen auch Schmerzen dahinter. Wir sehen drei Fotos meiner Fuchsstute Tarabaya, genannt „Tabby“. Tabby wohnt am „Horse Resort am Sonnenhof“. Dort gibt es einen Trail, den die Pferde in den Wintermonaten nutzen. Sie laufen dabei von Heuraufe zu Heuraufe; um ans Wasser zu kommen müssen sie zurück zum Stall laufen. Die Herde ist den ganzen Tag in Bewegung. Etwas mehr als 20 Damen teilen sich nicht nur den Trail, sondern auch die Sommerweiden. Tarabaya hat „Problemhufe“, das heißt sie ist von Geburt an vorne zeheneng, hinten etwas faßbeinig. 

Tabby hat enorm zugenommen. Foto vom März 2017

Die Fehlstellung an den Hufen wirkt sich auch auf die Dicke der Sohle aus, Tabby war zweimal lahm, obwohl sie ganz sicher schon Schmerzen hatte, hat sich mein tapferes Stütchen kaum etwas anmerken lassen – sie war in der Halle und am Platz sowie bei unseren Ausritten im Wald nie lahm oder auffallend fühlig. Dass sie jedoch zugenommen hatte, war unbestritten. Rückblickend kann ich sagen, dass Tabby, je eher sie die Hufe plagten weniger auf Trail und Weide gelaufen ist. Zusätzlich zur Änderung des Futterplans wurde natürlich die Hufbearbeitung in Angriff genommen. Auf dem letzten der drei Bilder sehen wir Tabby wieder auf dem Weg zurück zur Traumfigur. Das erste Foto wurde 2016 im April aufgenommen, das zweite Foto ist vom Juni 2017, das dritte Foto ist Juni 2019. 

Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, welches Training Tabby wieder zur alten Form verholfen hat, gibt es noch einige, spannende Fragen, mit denen wir uns auseinander setzen können. 

Tabby im Juni 2019. Fitness steht und fällt mit dem Fundament – den Hufen. 

Effizientes Muskeltraining – welche Muskeln gibt es eigentlich? 

Muskel ist nicht gleich Muskel. Grundsätzlich können wir zwischen Muskeln unterscheiden, die sehr viele sehnige Anteile besitzen und Muskeln, die sehr fleischig sind. Die erste Gruppe gehört zu jenen Muskeln, die für längere Zeit Haltearbeit verrichten können. Bei der Haltearbeit sind die Sehnenplatten die wichtigsten Verbündeten der Muskeln, während die Muskelfasern die aktiven Bewegungen in der Arbeitsteilung übernehmen. Ein Beispiel wäre hier der gerade Bauchmuskeln. Die so genannten Bewegungsmuskeln sind eben die fleischigen Muskeln, zb der lange Rückenmuskel. 

Um die verschiedenen Muskeln und ihre Funktion besser zusammen zu fassen unterscheiden wir zwischen dynamischen Musklen und statischen Muskeln. 

Effizientes Muskeltraining für dynamische und statische Muskeln

Die dynamischen, also die fleischigen Muskeln sorgen für Schnelligkeit und Kraft in der Bewegung. Sie haben einen großen Muskelbauch und können sich stark zusammen ziehen. 

Die sehnig durchsetzten, statischen Muskeln liegen oft nahe an den Gelenken und haben eine Verbindung zu Gelenkkapseln und Bändern. Statik bedeutet auch, dass hier eine starke Kommunikation über die Nerven passiert, da die Muskeln nahe an den Gelenken sitzen, wird über die Nerven ständig Information für exakte Motorik und Verbesserung der Statik durchgegeben. Der Reiter kann genau fühlen, wann die statischen Muskeln gut ausgebildet sind – nämlich dann, wenn das Pferd auf eine minimale Gewichtshilfe die Kommunikation aus dem Sitz mühelos übersetzen kann. 

Die Erarbeitung der Hilfengebung, die Schulung einer gemeinsamen Kommunikation beinhaltet also nicht nur eine mentale Komponente des Verstehens sondern eine enorme physische Komponente. 

Effizientes Muskeltraining oder die Frage: Wie arbeiten Muskeln eigentlich?

Bei der Muskelarbeit kann unterschieden werden in: 

  • Isometrische Muskelarbeit
  • Konzentrische Muskelarbeit
  • Exzentrische Muskelarbeit

Isometrische Muskelarbeit

Bei der isometrischen Muskelarbeit geht es vorwiegend um Haltearbeit. Bei folgender Übung kann man als Reiter eine Idee von isometrischer Haltearbeit bekommen: Wenn man sich mit dem Rücken an eine Wand lehnt und langsam „in die Knie“ geht, so als ob man auf einem Stuhl an die Wand gelehnt, sitzen würde, werden die Oberschenkel bald eine Information an den Sportler geben. Hohe Versammlung, beispielsweise eine lang ausgehaltene Schulparade oder Levade können der isometrischen Muskelarbeit zugeschrieben werden. Wer selbst das kleine Experiment ausführt wird verstehen, warum diese Arbeit unheimlich viel Kraft braucht und nicht allzu lange ausgeführt werden kann – schon gar nicht ohne entsprechendes Training. Eine Überlastung der Muskeln zieht unweigerlich Konsequenzen nach sich, anstatt die Muskeln zu kräftigen, kommt es genau zum Gegenteil. 

Konzentrische Muskelarbeit

Bei der konzentrischen Arbeit zieht sich der Muskel zusammen, er kontrahiert also. Wir haben schon gehört, dass Bewegungsmuskeln stark kontrahieren können.  Wenn wir Stiegen steigen, also eine Treppe aufwärts laufen, dann spüren wir, was es bedeutet konzentrisch zu arbeiten. 

Exzentrische Muskelarbeit

Bedeutet genau das Gegenteil der konzentrischen Arbeit: Hier dehnen sich die Muskeln, das heißt der Muskelursprung und der Muskelansatz trennen sich voneinander. Exzentrische Muskelarbeit kann sehr effizient sein, sie kommt beispielsweise zum Einsatz, wenn das Pferd bergab geht. 

Wie trainiert man Muskeln am besten? 

Grundsätzlich: Dauerhaft, kontinuierlich und niemals überlastend. Ich habe vor einigen Jahren ein Training mitgemacht und war hochmotiviert. Dabei hat meine Rückenmuskulatur nach und nach kompensatorisch gearbeitet und die Aufgabe der Bauchmuskeln übernommen. Das Krafttraining war voll daneben gegangen, ich hatte es tatsächlich so stark übertrieben, dass ich in der Badewanne liegend, die Rückenmuskeln links und rechts der Wirbelsäule beinahe schon als aufgeblasenes Schlauchboot wahrgenommen habe. Wenn ein Muskelkater passiert, dann ist „Herbert“ gestorben. Mehr darüber hat uns Annika Keller letzten Oktober erzählt. Du hast es verpasst? Dann verlinke ich dir den Beitrag ganz unten! 

Wenn ein Muskel überlastet, dann werden auch die Faszien überreizt und es kommt zu sehr schmerzhaften Verklebungen. Verklebungen führen wieder zu Unbeweglichkeit – wer klebt, der bewegt sich nicht, oder anders gesagt, wird die Gleitfähigkeit der einzelnen Muskelbündel nicht mehr möglich. 

Überlastung durch Training?

Dies hat auch unweigerlich Auswirkungen auf den Muskelstoffwechsel. Dieser wird gehemmt, wenn zu wenig Sauerstoff in das Bindegewebe kommt. Wird das Pferd dann weiter belastet, spricht man von einer Arbeit in der anaeroben Phase (also ohne Sauerstoff, mit Sauerstoff wäre dann die aerobe Phase). Klingt nach Stress und ist es auch, weshalb eine erhöhte Adrenalinausschüttung, die letztlich den Stoffwechsel des Muskels hemmt, nicht mehr lange auf sich warten lässt. Wenn sich Pferde am Bauch nicht mehr gerne anfassen lassen, muss dies nicht unbedingt nur an einem Gurtzwang liegen; der Bauchmuskel kann in einer bestimmten Stellung verharren, er wird fest und schmerzhaft. Damit dies nicht passiert, müssen Sauerstoff und Nährstoffe in die Muskelzellen transportiert, Abfallstoffe heraus transportiert werden. Überlastung verursacht Risse im Muskelgewebe, tritt dann noch Flüssigkeit, die nicht mehr abtransportiert werden kann ins Gewebe ein, dann wird die Sache so richtig schmerzhaft. 

Muskeltraining sollte also nicht aus einer Übermotivation „hop oder drop“ passieren. Die erste wichtige Grundlage für eine geschmeidige Muskulatur ist immer die Aufzucht. Fohlen und Jungpferde, die große Flächen, möglichst bergauf und bergab zur Verfügung hatten, haben nicht nur ihr gesamtes Nervensystem trainiert, sie haben alle Sinne geschult und sind trittischer und selbstsicher, um das gemeinsame Training mit dem Menschen zu beginnen. 

Muskeltraining sieht auch immer unterschiedlich aus – es ist auf jeden Fall empfehlenswert sein Pferd mit bloßen Händen abzutasten und die Muskulatur genauer zu beobachten. Wo hat das Pferd übermässige Muskeln, wo gibt es Dellen und Löcher, die man als Reiter nicht unbedingt schätzt? 

Atrophie und Hyperthrophie

„Der Trapezmuskel“ ist atrophiert“.

Hört man leider öfter im Stall….

Eine häufige Diagnose, die nicht immer stimmt. Welcher Muskel hat welche Funktion? Das ist für uns Reiter besonders wichtig, wenn wir eine Atrophie, also einen Muskelschwund oder eine Hypertrophie – das krasse Gegenteil nämlich eine Muskelzunahme orten und analysieren wollen. 

Dem Muskelschwund wird automatisch kein gutes Zeugnis ausgestellt, aber auch die Hypertrophie, also die Zunahme kann ein großes Problem für das Pferd darstellen bzw. sich symptomatisch so äußern. Pferde mit einer Trageschwäche haben in der Regel keine gute Oberlinie bzw. fehlt es ebenda an Muskulatur während wir an den Schultern starke Muskelpakete finden und an den Sitzbeinhöckern eine stark verspannte Muskulatur. 

Man kann am Pferd also rein den Muskelschwund oder die Zunahme – oder eben auch beide Probleme finden. Die eigentliche Ursache sitzt meist im Sattel (oder ist auch häufig ein unpassender Sattel). Wenn junge Pferde überbelastet werden zeigt sich dies in der Dysbalance der Muskulatur. Wenn ein Pferd kompensatorisch arbeitet, lässt sich dies auch an der Muskulatur erkennen. 

Was der Reiter tun kann?

Für den Reiter ist hier der wichtigste Hinweis: Niemals zu einseitig arbeiten. Wenn wir uns heute wundern, warum die Pferde auf den Stichen der Alten Meister so gut bemuskelt aussahen, dann liegt das nicht nur am durchdachten Training, sondern auch am Sinn dahinter. Ist ein Training zweckgebunden, das heißt – muss das Pferd die gelernten Details auch „praktisch“ umsetzen, profitiert das Pferd mit allen Sinnen, aber auch mit der Muskulatur. Wird in der Praxis jedoch immer das gleiche Bewegungsschema geübt, möglicherweise auch noch mit einigen Fehlern, dann kann es zu einer Überlastung kommen. Ein modernes Beispiel wäre ein abwechslungsreicher Parcours wie in der Working Equitation versus das ständige Üben eines Schulhalts, ohne dynamsich-praktische Bewegungskompetenzen zu fördern. Dieses Beispiel soll auf keinen Fall bedeuten, dass der Schulhalt per se schlecht ist. Selbst nicht in Perfektion ausgeführt, hat der Weg des Lernens geholfen, Pferde in den Gelenken geschmeidiger zu machen, sowie die Haltearbeit zu verbessern – und damit auch die Tragkraft. Auch am Ziel vorbei: Ein im hohen Tempo und wider bessern Wissens gegen die Scherkräfte gerittener Parcours ist dann vermeintlich gut gemeint, aber nicht gut umgesetzt. Bei der Muskelarbeit und beim Muskeltraining kommt es also viel auf das Fingerspitzengefühl des zweibeinigen Trainers an. 

Wichtig ist an dieser Stelle auch, dass das Pferd „Nein“ sagen kann. 

Wird eine Übung im Crossover gearbeitet beispielsweise für das Pferd Zuviel, dann kann es „Nein“ sagen und dies auch durch ein Ausfallen der Hinterhand beispielsweise zeigen. Wird das Pferd aber beispielsweise durch den Einsatz von Hilfszügeln in eine bestimmte Position gezwungen, dann müssen die Muskeln – ja richtig – isometrische Arbeit leisten. Diese kann jedoch nicht lange und auf Dauer geleistet werden – die betroffene Muskulatur wird in Mitleidenschaft gezogen – wir befinden uns erneut im Teufelskreis. 

Die Figur muss wieder her

Mein Rezept für die Arbeit mit Tabby war: 

Ich habe mir jede Woche einen eigenen Plan, angepasst auch an die Witterungsbedingungen zurecht gelegt. Sofern möglich waren wir mindestens einmal länger im Gelände. Sollten Witterung oder Terminkalender einen Strich durch die Rechnung machen haben wir uns durch Reiten zur Musik fit gehalten. Es reicht wenn der Reiter Musik im Ohr hat – etwas, was den Rhythmus vorgibt – man glaubt gar nicht, wie ungleichmässig man oft unterwegs ist und wie anstrengend es sein kann, fünf Minuten im ruhigen Trab gleichmässig „dahin zu joggen“. 

Wir haben wenige Tage gehabt, wo wir an Präzision gearbeitet haben, also ganz genau und in Richtung Feinschliff, unser Fokus lag primär darauf in Bewegung zu kommen. Wir haben uns auch mit Tempounterschieden gespielt sowie viele Übergänge und Galopp genutzt. 

Einmal in der Woche stand Versammlung auf dem Spiel – für Tabby eine schwierige Sache, da sie hier nicht so richtig an die eigenen Fähigkeiten glauben mag. Dieses Training konnte schon nach fünf Minuten beendet sein. 

Ein Jojo-Effekt ist uns bekannt. Falle ich im regelmässigen Trainingsplan aus, dann büßen wir das figurtechnisch auf jeden Fall. 

Bewegungsfreude kommt an erster Stelle

Wichtig ist jedoch, die Freude muss bei Reiter und Pferd stimmen und selbstverständlich muss auch die Fütterung entsprechend angepasst werden. 

Jedes Pferd ist anders. Während Tabby beispielsweise einen hohen Muskeltonus hat, ist Pina meine blütige Pzredswit Stute im Tonus eher weich. Für Tabby zählt daher auch immer die Losgelassenheit und Durchlässigkeit enorm. Mentale Balance ist ganz wichtig, um auch physisch loslassen zu können. Für Tabby ist es wichtig, jede Aufgabe nicht nur über den Einsatz von Kraft zu lösen. Pina indes darf ruhig ein bisschen mehr Haltearbeit verrichten, um einen höheren Tonus zu bekommen. 

Für jeden Reiter ist es eine Empfehlung, zumindest ein Buch über die Funktionalität verschiedener Muskeln im Schrank zu haben. Die Funktion gibt auch Aufschluss darüber, warum eine Hypertrophie oder Atrophie vorliegen könnte. Gleichzeitig muss auch das eigene Pferd entsprechend analysiert werden. Ist es eher Boxer oder Sprinter? Marathonläufer, Speer-Werfer? Welche Bilder aus der Athletik kommen uns beim Betrachten des Pferdes in den Kopf? 

Die vielen Facetten der Bodenarbeit laden uns ein, nicht nur unser Gefühl zu schulen, sondern auch das Pferd bei der Arbeit zu beobachten und entsprechend zu analysieren. 

Schulen wir Muskeln effizient, dann reiten wir Einfach 

Effizientes Muskeltraining – zum Weiterlesen