Eitel Wonne ist eine österreichische Redewendung und bedeutet im Grunde das Gefühl der absoluten Glückseligkeit empfinden, ähnlich wie die deutsche Redewendung auf Wolke sieben schweben. Also, ist alles eitel Wonne in der Pferdewelt? 

Eitel Wonne in meiner kleinen Pferdewelt

Vor ein paar Tagen habe ich meine Bücher durchgesehen und aussortiert. Dabei fiel mir ein Buch aus Kindertagen – nämlich „Sofies Welt – eine Roman über die Geschichte der Philosophie“ in die Finger und ich habe gleich mal begonnen, es neu zu lesen. Gerade philosophische Werke lassen sich ja immer und immer wieder lesen und mein Ich von heute wird alles anders lesen, als das Ich von gestern. 

Und wer sich mit Philosophie beschäftigt, der sucht vielleicht manchmal nach der Bedeutung des Seins, des Glücks, hinterfragt das Tun und lässt sich in Gedanken treiben. 

Wer das Buch nicht kennt: Die 14-jährige Sofie Amundsen aus Norwegen erhält eines Tages einen mysteriösen Brief, indem sie gefragt wird, wer sie sei. Dadurch angeregt, beginnt sie über sich selbst und ihr Verhältnis zur Welt nachdenken. Immer wieder kommen neue Briefe mit Fragen, Informationen über die Welt der Philosophie und kniffeligen Denkaufgaben. 

So wird Sofie im Roman gefragt, ob alle Pferde gleich sind. Für mich als Pferdemensch war hier beim Mitfiebern und Mitdenken freilich klar, dass alle Pferde dieselben Knochen, Bänder und Sehnen haben, aber jeder weiß, das Pferd aus dem Lehrbuch gibt es nicht. Kein Pferd gleicht dem anderen. 

Und so bin ich mit meinen Gedanken abgeschweift und habe über Sein und Schein in der Reiterwelt nachgedacht. 

Lebe deinen Traum – das geht alles so easy 

Ich bin mit Pferden aufgewachsen und trotzdem habe ich verhältnismässig lange gebraucht, um meinen Traum tatsächlich zu leben. Mein erster Berufswunsch war „Pferdewirt“, Tierarzt schied leider aufgrund einer unüberwindbaren Angst vor Hunden aus. Und in der Pubertät kamen dann Journalistin und Schauspielerin als Berufswünsche dazu. Ich bin keinen geradlinigen Weg gegangen, aber manchmal kommt man gerade auf den Umwegen schneller oder – ich würde sagen – auf jeden Fall reicher ans Ziel, denn jeder Umweg führt freilich dazu, dass wir auf der ungewollten Strecke etwas mitnehmen. 

Sehr oft wird mir gesagt: „Das ist toll, du lebst ja wirklich dein Hobby“.

Irgendwie ein Satz, mit dem ich nichts anfangen kann. Hobbys waren für mich immer veränderbar. Mal war nächtelanges Tanzen ein Hobby und dann gab es im Winter für mich das Skifahren. Aber ich habe auch Freunde, die das ganze Jahr über dem Schnee hinterher hechten. Also sprechen wir lieber von Leidenschaft. 

Schlagen wir beim klugen Wikipedia nach, dann steht da: 

„Leidenschaft (gesteigert, aber als Begriff abkommend: Inbrunst) ist eine das Gemüt völlig ergreifende Emotion. Sie umfasst Formen der Liebe und des Hasses, wird aber auch für religiösen, moralischen und politischen Enthusiasmus benutzt und beschreibt die intensive Verfolgung von Zeilen von beispielsweise Kunstliebhabern, Sammlern oder von Tierfreunden. Im heutigen Alltagssprachgebrauch ist ein Zusammenhang mi „Leiden“, von dem sie abgeleitet ist, kaum noch präsent.“

Wikipedia über Leidenschaft

Liebe, Hass? Moralisch und politisch? Enthusiasmus und Religion? Das klingt kompliziert, da war die Begrifflichkeit des Hobby noch irgendwie harmloser. 

Die Leidenschaft im Internet 

Ich lese freilich in sozialen Medien. Ich poste meine Blogbeiträge in sozialen Medien. Hier wird das Wort Leidenschaft aber sehr konkret spürbar, wenn man bemerkt, dass jeder Recht haben möchte. 

Wie war das noch mit Sokrates, der wusste, dass er nichts wusste? Gleichzeitig wurde er vom Orakel von Delphi zum klügsten Mann Griechenlands auserkoren. Wie kann sich der klügste Mann als unwissend bezeichnen? 

In der Reitkunst ist es doch ähnlich. Ich führe relativ akribisch Buch. Relativ, weil ich jetzt doch länger nicht mehr so stark mitschreibe, dafür aber meine Arbeit mit den Pferden so regelmässig filme und dabei mitkommentiere – also einigen wir uns darauf: Ich dokumentiere seit vielen Jahren die Arbeit mit meinen Pferden sehr gewissenhaft. So wird mir auch bewusst, woran ich gestern gearbeitet habe, was ich damals nicht wusste, dass ich dazwischen schon wieder einen Haufen dazu gelernt habe und morgen vermutlich schon wieder mehr weiß als heute. 

Aber werde ich jemals da ankommen? 

Wenn wir in den sozialen Medien beispielsweise immer wieder miteinander „streiten“ und „diskutieren“, wenn wir gegenseitige Positionen beziehen und unbedingt Recht haben wollen, wen sich der eine auf die Heeresdienstvorschrift beruft, die ja die Grundlage der Reiterei war, dann ist es einfach auch schon historisch so, dass vor der HDV12 was war, danach was kam und wir vermutlich alle noch nicht der Weisheit letzter Schluss gefunden haben. 

Mit Pferden sein bedeutet für mich einfach auch, ständig selbst zu wachsen und hier finde ich wohl eine große Parallele zur Philosophie. Nicht umsonst lesen sich auch die Werke der Alten Meister durchaus philosophisch und weise. 

Dass man im Internet mit viel Emotion eine Sache verteidigt, das kann ja sein, gerade wenn man eben sehr zu dieser Sache steht. Leider verpassen wir dabei einen richtig großen Wissensschatz, wenn wir uns weniger häufig gegenseitig belehren wollen, als uns kluge Fragen zu stellen. 

Mit den ewigen Glaubenskämpfen ist weder der Reiterei geholfen und schon gar nicht den Pferden. Es ist also nicht alles eitel Wonne im Internet. 

Eitel Wonne mit dem eigenen Traum? 

Ich habe eigentlich davon angefangen zu erzählen, wie das alles bei mir gekommen ist?

In meinem Beruf hatte ich die Aufgabe, zuerst bei den Radionachrichten, später als Pressesprecher Inhalte einfach auf den Punkt zu bringen. In einer Radionachrichtensendung hat man nur wenige Minuten überhaupt Zeit einen komplizierten Sachverhalt zu erklären. Es muss also einfach, aber gleichzeitig gewissermaßen anspruchsvoll aufbereitet sein. 

Und das Gleiche – das wollte ich für mich selbst tun, als ich die Reitkunst näher verstehen wollte – und warum nicht auch gleich für Andere. Also packte ich meine Gedanken, mein Wissen und meine Erfahrungen in diesen Blog. Das ist mittlerweile bald 10 Jahre her, dass diese Reise gestartet ist und es kommt mir manchmal beinahe wie gestern vor. Und es erstaunt mich dann doch, dass ich bislang jede Woche ein bis zwei Themen im Blog veröffentlicht habe und die Ideen nie ausgegangen sind. Davor fürchte ich mich am Allerwenigsten. 

Später bin ich dann auch durch Österreich gefahren, habe hier und da unterrichtet, viele Stunden im Auto verbracht. Und war da alles eitel Wonne? Ich lebte ja schließlich schon meinen Traum!? 

Einmal ging ein Autoreifen in Flammen auf (irgendwas mit der Handbremse) auf dem Weg zu einer Schülerin, manchmal entgleisten meine Touren (nicht nur Züge, sondern auch Bahnschranken gingen nicht mehr auf), ich strandete an Flughäfen (meist Frankfurt – an dieser Stelle liebe Grüße), ich sagte Reitstunden ab, um bei einer Euthanasie eines Pferdes dabei zu sein, weil der Besitzer nicht konnte, ich fuhr rechts ran an der Autobahn um die Druckerpresse zu stoppen, weil ich für ein Buchprojekt noch eine wichtige Änderung durchgeben musste. Klingt manchmal ganz schön wahnsinnig – und würde ich es wieder tun? 

Ich würde es jederzeit wieder tun. 

Später habe ich auch Schülern von mir in die Selbstständigkeit geholfen und das Team Einfach Reiten gegründet. 

Alles eitel Wonne als Ausbilder meiner Pferde? 

Eigentlich kommt jetzt der Wichtigste Teil dieses Blogs. Eigentlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht, dass wir im Internet, wo wir uns doch tatsächlich am Häufigsten aufhalten meist nur perfekte Bilder sehen. Influenza – übrigens aus dem lateinischen influens „Einfluss“ ist eine lebensbedrohliche Krankheit, während Influencer, aus eigenem Antrieb Texte, Bilder, Audio und Video zu einem Themengebiet in hoher und regelmässiger Frequenz veröffentlichen. 

Influencer zu sein ist mittlerweile für viele ein lukrativer Traumjob geworden, aber bevor es den Begriff überhaupt gab, hatte ich mich auch innerhalb meines equinen Netzwerks in den sozialen Medien ausgetauscht. 

2012 etwa wurde zum Thema Schulparade in der Ritterschaft der Akademischen Reitkunst geforscht und überall wurden Bilder zum Thema hochgeladen, wie die Primeln im Frühling reckte sich scheinbar jeder nach der Schulparade und zu meiner großen Schande hatte es auch schon jeder kapiert, nur ich kiefelte weiterhin an den Grundlagen und kam nicht voran. 

Tatsächlich hat es mit Pina und Tabby dann noch weitere vier Jahre gedauert, bis wir 2016 – Heureka und endlich einen Verständnisdurchbruch erzielt haben. Und dazwischen hatten wir – erinnern wir uns an die Geschichte von den Umwegen viele weitere Erkenntnisse mitgenommen. 

Ich wäre jedoch nicht selbstbewusst gewesen damals alle meine Fehler zu posten und zu sagen, was mir jetzt schon wieder schief gelaufen ist. Schließlich hat man sich ordentlich „gekampelt und geschneutzt“ (wieder so eine österreichische Redewendung für gepflegt, sicher und stilvoll aufzuregen) im Internet zu präsentieren. 

Eine kleine Anekdote am Rande – ich habe das versucht, habe immer wieder meine „wie aus dem Ei gepellt Anfälle“ und vermutlich ist das auch gut so, aber am liebsten mag ich trotzdem meine Hoodies. Ist halt so. 

In der Ausbildung meiner Pferde lief also nicht immer alles am Schnürchen und es wäre gelogen, wenn ich über jeden Inhalt sage: Ist ja ein Klacks, das geht ganz einfach. 

Genug von der Harmonie 

Wer mich kennt weiß, die Anna ist sehr italophil. Ich liebe Italien. Wenn ich „meine“ Familie auf Sardinien besucht habe, dann habe ich es immer geliebt, wie das Essen Mittags angepriesen wird, wie es gefeiert wird, wie man sich an den Sonnenstrahlen, am Morgentau aber auch am Nebel erfreuen kann. Der Österreicher hingegen hat eine raunzende Seele und die meldet sich halt auch einfach immer wieder bei mir zu Wort. Dann hat man genug von der Schönheit und erfreut sich beim „Raunzen“. 

Der Benefit davon? Nix. Denn eigentlich wird es immer Schlimmer, egal worüber man sich beschwert, das Glas wird durchs Raunzen nicht leerer, irgendwie findet man immer ein weiteres Detail worüber man sich echauffieren kann. 

Jedenfalls – manchmal habe ich genug von der Harmonie. Manchmal sagt mein raunzendes Österreicher-Ich bei all den vielen perfekten, gestylten Bildern: So war es nicht immer, es gibt immer einen Weg, wir alle müssen Ausbildung lernen, wir alle müssen mit unserem Pferd kommunizieren lernen. Was wir sehen, ist das Ende, jedoch nicht der Anfang. 

Ich weiß das und manchmal passiert es sogar mir, dass ich bei all der Perfektion die Mühe dahinter nicht mehr sehen kann. Und das höre ich auch häufig von Schülern. 

Also manchmal habe ich genug von Harmonie. 

Alles eitel Wonne im Pferdeparadies

Im heurigen Jahr habe ich einen großen Wechsel vollzogen. Ich bin mit meinen Pferden umgezogen und habe mir ein „Pferdeparadies“ errichtet. Wir waren stolz über jeden Baufortschritt und jede Hürde, die wir geschafft haben. 

Und manchmal kann man sich gar nicht freuen, wenn dann kommentiert wird, ob man im Lotto gewonnen habe, dass man sich ja doch sehr nobel einen Zaun angeschafft hat, ob man denn eh weiß, wie man was genehmigen lässt usw. usf. 

Es ist dann traurig, dass man sich weniger drüber freut, was man geschafft hat, als drüber nachzudenken, die Dinge zu rechtfertigen – denn schließlich zahlt man ja als Selbstversorger weit weniger als im Einstellbetrieb mit Vollpension. Auf die Jahre umgerechnet bei X Pferden hat man die Summe der Investitionen wieder drin und schließlich ist man 2014 das letzte Mal im Urlaub gewesen. 

Es könnte also alles eitel Wonne sein, aber irgendwie lässt man sich da auch wieder raus reißen und genießt gar nicht so stark was ist. Einfach weil nach außen hin alles immer eitel Wonne, unproblematisch und perfekt ist.

Was ich heute sagen möchte: 

Ich liebe mein Leben mit den Pferden. Es gibt Hochs und Tiefs. Bald werde ich an den Verlust meiner Tabby erinnert, wenn sich der Jahrestag nähert, wo ich sie gehen lassen musste. Und bald nähert sich auch der Jahrestag, wo ich mich in das Bild von Mandrake verliebt habe. Freund und Leid liegen in der Pferdewelt so nah beieinander und natürlich menschelt es auch, so gibt es häufig auch Wegbegleiter, mit denen man nahe eine lange Zeit verbringt und dann kommen die Weggabelungen, wo man einen anderen Weg einschlägt. 

Wir leben im Stall schließlich alles: Wir haben die Beziehung zu unserem Pferd, wir haben Ausbildungsziele, etwas, was wir für uns, etwas, was wir gemeinsam mit unserem Pferd lernen möchten. Wir kümmern uns um die beste Betreuung unseres Pferdes, wir schließen Freundschaften, wir beobachten mit Argusaugen, was die „Anderen“ in der Halle so tun. Manchmal freuen wir uns mit, manchmal schaffen wir das nicht. Das ist okay. Das ist menschlich. 

Wir können durch unsere Pferde auch so unheimlich viel lernen. Manchmal darf dafür alles eitel Wonne sein und manchmal ist es eben nicht so. Und wenn man zu Hause verzweifelt, weil man den einen Inhalt seinem Pferd nicht erklären kann und alle Welt scheinbar eitel Wonne das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde gefunden hat – dann ist das sicherlich nicht so. 

Wir sitzen alle im selben Boot. Und das ist auch okay. 

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