Hanna Engström in Österreich
Viel zu oft neigen wir in der Ausbildung eines Reitersitzes dazu, den Reiter in Schablonen – oder anderes gesagt – in ein perfektes Bild zu pressen.
Steifheiten und Unsicherheiten im Sitz sind vorprogrammiert. Nicht jedoch wenn Hanna Engström ins Spiel kommt.
Im Dezember 2016 habe ich eine wunderbare Trainerfortbildung bei Hanna genossen – letzte Woche war ich in Oberösterreich „Mäuschen“ als Hanna dort erstmals zu einem Kurs geladen wurde.
Gleich zu Beginn bricht Hanna wie gewohnt das Eis. Kurssprache ist englisch, aber die lockere Art der schwedischen Trainerin lässt sämtliche Sprachbarrieren vergessen. Hanna fragt zunächst mal alle Teilnehmer nach ihren speziellen Wünschen und Zielen für den Zweitageskurs. Natürlich wünscht sich jeder der Teilnehmer am Sitz zu arbeiten, schließlich ist Hanna für ihr spezielles Sitzprogramm bekannt.
Warum sich die Pferde aber im Gelände gut sitzen und steuern lassen und im Viereck noch nicht – hier stellt Hanna einige Fragen, die auch zum Nachdenken anregen und erklärt warum wir überhaupt die Dressur nutzen.
„In der Akademischen Reitkunst stellen wir dem Pferd quasi seinen eigenen Körper nochmal vor. Es lernt sich neu kennen und soll als Reitpferd ein eigenes Körperbewusstsein entwickeln. Erst dann arbeiten wir mit der Schulung der Hilfengebung und der Verfeinerung dieser“, erklärt Hanna.
Für den Reiter ergibt sich durch die detailgenaue Arbeit die Fähigkeit den Pferdekörper zu „lesen“ um beispielsweise Balanceprobleme rasch und unproblematisch zu entschlüsseln.
Balance
Balance ist überhaupt das Stichwort für den ersten Teil in Hannas „Seat Program“. Dabei werden die Pferde im Unterricht geführt oder longiert, der Reiter kann den gesamten Fokus auf sich selbst legen und hat so die Möglichkeit sich voll und ganz auf seinen Sitz zu konzentrieren. Neben dem Kappzaum bevorzugt Hanna einen Ledersattel in Punkto Ausrüstung. Sinn dahinter ist die Vermeidung von Druck afu den Pferderücken. Die ersten Übungen betreffen schließlich den Reiter ganz alleine, daher möchte Hanna vor allem bei unbekannten Schülern den Rücken der Pferde entlasten.
In der ersten Einheit sitzen die Reiter also später auf und Hanna „interviewt“ den Reiter durch den gesamten Körper. Wo sitzen Verspannungen? Wie ist das Gefühl in den Füßen, in den Beinen, in den Waden, in den Oberschenkeln? Wie sitzt man auf? Was spürt man wo? Wie können wir Balanceunterschiede aufspüren? Wo möchten wir eventuell eigene Schiefen im Körper ausgleichen?
Bevor es aber auf die Pferderücken geht, lässt Hanna noch ein paar Körperübungen in der Halle erfühlen. AUch hier spüren wir in die Balance und fühlen, wie wir auf unseren Füßen stehen. Wie fühlt es sich an, auf Zehenspitzen oder auf der Ferse sein Gewicht auszubalancieren? Wann und wo verliert man eher die Balance? Einige Übungen werden auch noch für die Öffnung, Rotation und Beweglichkeit des Brustkorbs gemacht. Wie immer fragt Hanna alle Teilnehmer nach Schmerzen, Unsicherheiten und dem Gefühl.
Es ist sehr spannend später die einzelnen Reiter in der Praxis zu beobachten – vor allem da ich hier keinen der Teilnehmer kenne. Sind meine eigenen Schüler am „Start“ hört das Analysieren im Kopf auch nicht auf, so kann ich mich also quasi voll und ganz zurücklehnen und Hannas Analysen folgen.
Die Reiter fühlen sich teilweise beweglicher, nach der ersten Einheit sind bereits durch die ersten Übungen mit Achtsamkeit und Körperbewusstsein kleinere Blockaden verschwunden, einige Teilnehmer geben an, nun sicherer im Sattel zu sitzen, tiefer ans Pferd zu kommen bzw. leichter mit der Bewegung mitzuschwingen.
Nach der Mittagspause lässt uns Hanna Kreise ziehen. Ich stelle fest, dass meine Bewegungen noch immer im Herzrhythmus laufen. Was das bedeutet?
Bei meiner Weiterbildung bei Hanna habe ich herausgefunden, dass ich mich selbst lieber im Rhythmus meines Herzens, als im Rhythmus meines Atems bewege. Das erzeugt im Alltag gerne eine innere Unruhe, wenn ich stillstehen muss, in der Bewegung komme ich so in einen schönen Einklang mit mir selbst.
Daran hat sich jedenfalls nichts geändert. 😉
Das ehrliche Pferd
In der Nachmittagseinheit „interviewt“ Hanna nicht mehr den Reiter, sondern das Pferd. Hanna möchte über den Reiter jede einzelne Bewegung des Pferdes erfahren. Und das funktioniert so:
Hanna stellt verschiedene Fragen, der Reiter spürt ins Pferd hinein und gibt die Antwort.
So erfahren wir als Zuschauer quasi von den Pferden, wie sich die Wirbelsäule der Tiere bewegt, welche Biegung ihnen leichter fällt auf dem Zirkel, nämlich nach links oder nach rechts? Wo hat sich der Hals hinbewegt? Ist das Genick nachgiebig und fühlbar? Was spürt denn der Reiter vor oder hinter de m Sattel? Keine Antwort ist übrigens falsch – immer wieder ist es erstaunlich wie rasch Reiter Bewegungen erfühlen – oder anders gesagt – wie genau die Pferde unseren Fragen antworten.
Ich freue mich bereits auf einen erneuten Besuch bei Hanna im Dezember 2017. Und für alle, die nicht einen „magischen“ Besuch bei Hanna auf Gotland unternehmen können – im April 2018 kommt Hanna auch zu uns nach Österreich auf den wunderbaren Sonnenhof. 🙂
Mehr über Hanna gibt es in meinen Reiseberichten Teil 1 und Teil 2.
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