Essenziell oder essentiell bedeutet „wesentlich“ beziehungsweise „lebensnotwendig“. Seinen Ursprung hat das Wort aus dem Lateinischen essentia = Das Wesen einer Sache, konzentrierter Auszug. 

Stichwort Konzentration – der innere Schenkel Ost für mich eine der wichtigsten Hilfen überhaupt. Der um sich herum biegende innere Schenkel: 

  • Sorgt für eine sichere Formgebung der Wirbelsäule
  • Sorgt für eine sicherer Schwingung der Wirbelsäule in Bewegung
  • Sorgt für Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Konzentration
  • Der innere Schenkel ist meine „Sicherheitslektion“, wenn sich das Pferd nur schwer konzentrieren kann und sich beispielsweise in der Fremde leicht ablenken lässt. 
  • Der innere, um sich herum biegende Schenkel ist die Basis für alle weiteren Hilfen

Essential – interiore femur

Entstehen bei dieser Überschrift große Fragezeichen? Der innere Schenkel ist zwischen Mensch und Pferd eine künstliche Kommunikation. Wir können von Pferden lernen, indem wir den Kopf abwenden und ihnen Platz machen – diese Höflichkeit finden wir auch bei Pferden vor. Unser innerer, indirekter Zügel an der Longe kann für das Pferd in der Natur ein Warnsignal des Ranghöheren bedeuten, wenn etwa ein übermutiger Jungspund zur Raison gebracht werden soll. 

Wir sprechen keine natürliche Pferdesprache – wir sind Menschen und Pferde sprechen weder Mensch, noch Latein. Soll heißen – wir müssen eine gemeinsame Sprache finden, wenn wir gemeinsam ausbilden wollen. 

Beim inneren Schenkel geht es also um den inneren, um sich herum biegenden Reiterschenkel. 

„Die Schenkel, als die unteren beweglichen Teile, dienen dazu, den Leib und die Hinterhand des Pferdes zu führen und es im Gehorsam zu erhalten. In der richtigen Haltung fallen die Schenkel vom Knie gerade und locker nach unten, so dass sie nahe am Pferd liegen, ohne es jedoch zu berühren. Die Oberschenkel und Knie werden etwas nach innen gedreht, damit die flache Seite wie angeleimt an den Satteltaschen anliegt. Auch wenn die Schenkel locker sein sollen, müssen sie ruhig gehaltne werden, weil sie sonst ständig den Bauch berühren und das Pferd durcheinander bringen.“

Francois Robichon de la Guérinière

„Genauso wie für die vom Sitz unabhängige Hand ist für diese „Freiheit“ der Unterschenkel ein losgelassener, gut ausbalancierter Sitz die Voraussetzung. Leider haben wir heute sehr viel Reiter, die versuchen, ein Pferd mit dem Gewicht, also mit dem Sitz anzuschieben, anstatt es an den Schenkeln zu haben. Dieser Schiebesitz macht den Reiter in der Mittelpositur fest und führt meist auch zu einer blockierenden Hand. ……..

…die Hilfen sind viel komplizierter und entsprechend der geschulten Empfindsamkeit des Pferdes und der Reaktionsgeschwindigkeit des Reiters auch variabel. Es soll hier kein Urteil über falsch und richtig gefällt werden, denn selbst Experten sind sich niemals darüber einig gewesen, ob die beiderseits gleichmässig oder die wechselseitig angewandte Schenkelhilfe die nützlichere ist, und wie weit der Bügeltritt als die Krone des Feingefühls in die Hilfen eingeschaltet wird. Hier soll versucht werden zu beschreiben, was es auf dem Gebiet alles gibt, und dann mag es jeder für sich ausprobieren, er wird sich nie mehr auf seinem Pferd langweilen. Aber alle Experten sind sich einig, dass die Unterschenkel dazu da sind, die Hilfen zu geben, mit denen wir unsere Wünsche dem Pferd begreiflich machen.“

Udo Bürger, Vollendete Reitkunst 

Udo Bürger bringt hier die Essenz auf den Punkt – es geht darum, die Wünsche begreiflich zu machen. Passend dazu möchte ich euch ein Video von unserem Amena zeigen. 

Der Schlüssel zu den Wünschen – der innere Schenkel 

Amena ist zum Zeitpunkt der Aufnahme fast fünf Jahre alt. Wir sind vor zwei Wochen erst umgezogen und für ihn ist noch alles sehr neu. Natürlich orientiert sich Amena in der Fremde an Freund Konrad und zeigt sich dementsprechend unkonzentriert. 
Amena ist zum Zeitpunkt der Aufnahme fast fünf Jahre alt. Wir sind vor zwei Wochen erst umgezogen und für ihn ist noch alles sehr neu. Natürlich orientiert sich Amena in der Fremde an Freund Konrad und zeigt sich dementsprechend unkonzentriert. 

Die Essenz erforschen

Wenn wir von essenziellen Hilfen sprechen, dann lohnt es sich immer, der Sache auf den Grund zu gehen. 

Hilfen müssen miteinander verbunden sein und sich ergänzen oder erweitern. Ein Konzert der Hilfengebung bleibt immer in einer Harmonie. Weil mir der Gedanke zur Musik so gut gefällt, würde ich meinen, Hilfen sind vermutlich nicht mit modernem Jazz zu übersetzen – da eignet sich vielleicht eher Smetanas Moldau dazu. 

Von der Musik zur Praxis

Häufig sehe ich folgendes Bild. Der Ausbilder löst am Kappzaum und nutzt dabei auch den inneren Schenkel. Sobald das Pferd im Genick nachgibt, wird eilig die Gerte gehoben und der Ausbilder versucht nun, der Hinterhand des Pferdes mehr Last aufzutragen. 

Die innere Hüfte rotiert nach oben, der Brustkorb kommt innen hoch, das Pferd nimmt die Lende nach oben. 

Essenzielle Hilfengebung bedeutet die Essenz einer Sache zu erforschen. Und zwar Schritt für Schritt. Das bedeutet folgende Bausteine müssen fließend ineinander greifen: 

  • Das Pferd kann ruhig und aufmerksam stehen
  • Das Pferd versteht die Einwirkung der Hand des Ausbilders und löst sich vertrauensvoll zur nachgiebigen Hand vorwärts-abwärts 
  • Das Pferd lässt sich vertrauensvoll stellen
  • Der innere Schenkel ist jedoch die überragende Hilfe, wenn es um Stellung und Biegung geht
  • Vom inneren Schenkel wird die äußere Schulter frei gelöst 
  • Vom inneren Schenkel zum äußeren Schenkel – die innere Hüfte kommt deutlich weiter nach vorne
  • Vom inneren Schenkel zum äußeren Schenkel, von der Nase bis zu den Gelenken der Hinterhand: Das Pferd versteht die Kommunikation zwischen Schenkel und Hand und beugt die Hinterhandgelenke zur Parade. 

Essenzielle Hilfengebung bedeutet im Prinzip jede einfache Lektion auf ihren Inhalt hin herunter zu brechen. 

Wann ist Hilfengebung nicht essenziell? 

  • Wenn zu viele Werkzeuge zur Verfügung stehen und der Ausbilder nicht in Ruhe kommuniziert
  • Wenn die Hilfe nicht verstanden wurde sondern nur die Übung erinnert. 
  • Wenn die Hilfen sich nicht gleichen 

Zuviel des Guten ist nicht essenziell 

Wir würden gerne abwärts lösen. Zunächst wird vom inneren Schenkel gefragt. Das Pferd nimmt jedoch den Kopf nach oben und schaut nach links aus dem Fenster. Der Ausbilder zupft am Kappzaum, doch das Pferd nimmt den Kopf nur noch höher und drückt dem Menschen den Unterhals entgegen. Nun wird der äußere, indirekte Zügel kommuniziert. Klappt wieder nicht, das Pferd fällt nun mit der Hinterhand aus. 

Zu viele Hilfen bedeuten zu viel des Guten und sind nicht essenziell – schon gar nicht

Wenn die Hilfe nicht verstanden wurde

Wie komme ich darauf, ob eine Hilfe verstanden wurde? Bei meinem Konrad war ich etwa im Herbst 2018 super sicher, dass er die Kruppeherein Hilfe sehr gut verstanden hatte. Der äußere, von sich weg biegende Schenkel war doch mit Sicherheit klar. Auf unserem ersten Auswärtskurs habe ich jedoch immer wieder feststellen müssen -ich kann mich nicht vollends darauf verlassen, dass Konrad auch auf die Hilfe hört und wirklich bei mir ist. Dies ist natürlich ein extremes Beispiel -aber gerade auf einem Auswärtskurs oder Training fallen viele Kleinigkeiten auf, die zu Hause wie am Schnürchen liefen. Vielleicht weil sie immer in derselben Reihenfolge abgefragt wurden, vielleicht, weil sich das Pferd tatsächlich am besten an die Übung erinnert und eben nicht an die Hilfe. Und das kann passieren: 

Wenn die Hilfen sich nicht gleichen. 

Der Mensch sagt zwar verschiedene Dinge – aber die Übung bleibt dieselbe. Dem Pferd bleibt nichts anderes übrig, einfach das Programm abzuspulen – wenn die Hilfen nicht reliabel, also verlässlich immer dieselbe Bedeutung haben, wird es für das Pferd schwierig eine gemeinsame Kommunikation mit dem Menschen zu entwickeln. 

Über die Entwicklung generell schreibe ich in einem der nächsten Blogbeiträge. 

Essenzielle Hilfengebung zum Weiterlesen