Braucht man ein Schulpferd, um hohe Lektionen zu lernen? Und schadet ein Training, das mehr als 15 Minuten dauert, dem Pferd?
In der Serie „Frag Bent“ gibt es heute wieder die deutsche Zusammenfassung aus zwei spannenden Videobotschaften von Bent Branderup:

Frage 9:

Ich glaube, ich kann kein Pferd in höheren Lektionen ausbilden, ohne zuvor selbst von einem weit ausgebildeten Schulpferd gelernt zu haben. Stellen Sie Schulpferde für die Ausbildung von Reitern zur Verfügung? 

Bent Branderup: Nein, bei mir gibt es keine Schulpferde derart, dass der Schüler auf einem komplett ausgebildeten Pferd sitzt und durch das Pferd und dessen Bewegungen sein Gefühl schult. Ich glaube auch nicht daran, dass es sehr nützlich ist, aus dem Gefühl für ein Endprodukt lernen zu können. Der Reiter weiß so vielleicht was er später einmal haben möchte, aber er kennt den Weg dahin ja nicht. Er weiß also nicht, wie er sein Pferd bis zur Piaffe beispielsweise ausbilden sollte.

Unsere Ausbildung in der Akademischen Reitkunst beginnt daher bei der Basis, Schritt für Schritt geht es in erster Linie um die Ausbildung des Menschen, damit dieser seinem Pferd ein guter Pädagoge wird.

Daher bringen wir dem Menschen heute die Pferdeausbildung Schritt für Schritt von Anfang an bei. In der Akademischen Reitkunst geht es ja um zwei Geister, die wollen, was zwei Körper können.

Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen, es ist nicht der Geist des Pferdes, der das Problem ist, und auch sehr selten dessen Körper. Für den Menschen muss einfach klar sein – wir gehen nun einen sehr langen Weg der Ausbildung. Dabei erlernt der Reiter Bodenarbeit, Longieren, Körpersprache und Kommunikation zuerst. Über seinen Körper stellt man Fragen an das Pferd, das heißt wir brauchen ein Gefühl für Körpersprache, wir müssen aber auch lernen die Antwort des Pferdes korrekt zu deuten. War die Frage des Reiters vielleicht falsch und die Antwort des Pferdes sogar trotzdem richtig? Wir müssen also ein Gefühl für das Pferd bekommen und es in der Gesamtheit sehen lernen. Das ist ein wesentlich längerer Weg, als mal schnell eben eine Piaffe zu fühlen. Ein Schulpferd, das sehr häufig lediglich zum Piaffieren mit einem Schüler benutzt wird, hat auch selten noch eine gute Piaffe, meist sind es zappelige Tritte auf der Stelle – also auch für das Pferd kann das gute Gefühl verloren gehen.

Die Idee, ein Schulpferd für die Ausbildung eines Reiters zu verwenden gibt es ja schon sehr lange. Damals waren die Schüler bereits Professionisten, die aufs Pferd gesetzt wurden, um einen extra Schliff dadurch zu erhalten. Natürlich ist diese Erfahrung damals wie heute nützlich, heute müssen wir aber einen anderen Weg gehen. Im Vergleich zu früher, wo die Reiter auch noch in den Krieg geschickt wurden und daher auch in ihrer Ausbildung mal zu einem Ende kommen mussten, haben wir heute keine Limits. Wir können unsere Zeit mit dem Pferd genießen und schön verbringen. Natürlich haben wir heute auch Ambitionen, manchmal ist der Ehrgeiz auch zu groß, dann muss man als Reiter einen Schritt zurück gehen und drüber nachdenken, wie die eigenen Ambitionen mit der Realität zusammen passen. Wir lernen heute also aus unserer eigenen Entwicklung. Daher ist nicht das ausgebildete Schulpferd der beste Lehrer, sondern zumeist das Leben gepaart mit etwas Geduld.

Frage 10: 

Ich habe Studien gelesen, die besagen, dass längeres Reiten – das betrifft schon eine 15 Minuten Einheit dem Pferd erheblichen Schaden zufügen können. Was sagen Sie zu diesem Statement?

Bent Branderup: Ich denke, es gibt sehr spannende Studien, die beide Seiten der Medaille beleuchten. Die einen sagen, das Pferd wird sich nicht zu seinem Vorteil entwickeln, wenn es nicht „arbeitet“, die anderen proklamieren das Gegenteil, nämlich Schonung in der Ausbildung. Beide Studien dazu haben interessanterweise auch recht.

Es kommt immer auf die Umstände an:

Einige Pferde profitieren nämlich tatsächlich davon, wenn mit ihnen intensiv trainiert wird, andere Pferde werden durch übermässiges Training ruiniert.

Vieles hängt natürlich auch davon ab, wie unser Pferd heute aufgezogen wird und wie wir es dann auch später halten. Eine Boxenhaltung mit nur wenig Bewegung ist auch für das tägliche Training eher hinderlich. Dann muss der Mensch für Bewegung sorgen, kann sich aber freilich nicht so sehr auf Details konzentrieren. Ich denke aber, die Einstellung und die Umsetzung in der modernen Pferdehaltung hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert.

Haben die Pferde also ausreichend Bewegung, dann müssen sie mit dem Reiter gemeinsam nicht so viel tun:

Ich persönlich arbeite mit meinen Pferden nicht so lange, also in eher kurzen Einheiten. Das funktioniert für mich und meine Pferde sehr gut, ich kann es aber meinen persönlichen Zugang nicht so einfach für jeden empfehlen, denn vielleicht ist etwas anderes für Sie und Ihr Pferd besser?

Ich habe Distanzreiter gesehen, die ein Pferd in einer Saison ruiniert haben und wiederum andere, die ein Pferd sogar für 20 Jahre im Einsatz hatten. Diese Pferde hatten wunderbare Hufe, woran man die gute qualitätsvolle Arbeit auch sehen konnte.

Wenn eine Sache richtig ist, muss dann das Gegenteil unbedingt falsch sein? Ich denke nicht. Pferde sind Individuen und daher gibt es auch einen individuellen Zugang – in jeder Sparte, egal ob Distanz- Springreiten oder die Akademischen Reitkunst. Je nach ihrem Zugang und dem individuellen Training haben die Reiter dann Erfolg – oder eben nicht. Auch in der Akademischen Reitkunst gibt es Reiter, die vielleicht weniger erfolgreich unterwegs sind – wir sind aber alle Lernende und versuchen auf unserem Weg das Beste zu geben.

Unser Ziel ist natürlich eines Tages auf unserem Pferd zu sitze und es zu reiten. Es geht also auch darum, das Pferd gut auf das Reiten vorzubereiten und hier bringen nicht alle Reiter sofort die Fähigkeiten zum Ausbilder des Pferdes mit. Einige Pferde sind von Natur aus so stark, dass sie sofort einen Reiter tragen können. Viele Pferde sind also nicht gut vorberietet und daran scheitert es – sie haben nicht die notwendige Muskulatur entwickelt einen Reiter zu tragen. Die Akademische Reitkunst bereitet ein Pferd in der Bodenarbeit schonend vor, später einmal ein gutes Reitpferd zu werden.

Wie könnte die nächste Frage an Bent Branderup lauten? Einfach auf seiner Facebook Seite kommentieren – und vielleicht wird auch Deine Frage gezogen!