In der Serie: Fragen wir Bent geht es heute um den korrekten Reitersitz.
Diesmal wurde aus den zahlreichen Postings auf Bents Seite das Thema Sitz gezogen:

Wie kann man denn den Reitersitz ausbilden, welche Methoden ergeben hier einen Sinn?

Bent Branderup: Früher wurde die Akademische Reitkunst in den Reitakademien Europas weitergegeben. Ein junger Mann, der die Schule besuchte hatte bereits viele tausende Kilometer auf dem Pferderücken abgespult. Er konnte nicht wie heute mit dem Flugzeug reisen und er kam auch nicht zu Fuß. Er wurde vom Pferd transportiert. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass er über viel Erfahrung verfügte, sondern über viele Kilometer.

Wir sehen heute viele Reiter mit starkem Hand- und Beineinsatz. In der Akademischen Reitkunst haben wir aber unser Ideal von Reitmeister Antoine de Pluvinel abgeleitet, der bereits das Ziel hatte, das Pferd lediglich aus der Hüfte, also mit dem Sitz zu dirigieren. Wenn ein junger Mann in die Reitakademien kam, dann wurde er auf ein gut ausgebildetes Schulpferd zwischen die Pilaren gesetzt. Er musste dann plötzlich feststellen, dass das feinfühlige Pferd auf sämtliche Bewegungen aus seinem Sitz reagierte und ein bloßes Stillstehen bereits eine Herausforderung war, da das Pferd auf alles reagierte. Egal was der Reiter mit seinem Körper tat, das Pferd hat ihn gespiegelt. Daher versuchen wir in der Akademischen Reitkunst ein tatsächliches Verständnis des Pferdes für den Sitz zu erarbeiten.

Daher macht eine Ausbildung des Pferdes im Stand durchaus Sinn, nicht nur um Hankenbiegung auszubilden. Wenn wir einen Reiter mit einem unausgebildeten Sitz auf ein galoppierendes Pferd setzen, wird er die Kontrolle über Hand und Beine verlieren – es hilft also nicht nur steif und „schön“ zu sitzen.

In meiner Ausbildung wurde ich bei verschiedenen Ausbildern nur daraufhin getrimmt, eine bestimmte Form einzunehmen und sie zu wahren. Unterschiedliche Ausbilder wollten aber auch einen unterschiedlichen Sitz sehen.

So zu tun, als ob man tatsächlich einen funktionalen Sitz hätte – das hat nur wenig Sinn. Nur wenn das Pferd ein Verständnis für den Sitz entwickelt, dann können wir von einem funktionalen Sitz sprechen.

Wir wollen das Pferd also durch den Sitz formen. Bei der Arbeit im Stand erfühlen wir eine erste Rotation des Brustkorbs, wir arbeiten an Stellung und Biegung sowie an der Verschiebung des Schwerpunkts im Schulterherein mit einer vorwärts-abwärts Tendenz, sowie im Kruppeherein mit einer leichten Parade.

Auch in den Reitakademien wurde so ausgebildet – zuerst mal im Stand zwischen den Pilaren, später mit Bewegung auf der Stelle. Wir haben aber heute nicht mehr die entsprechend ausgebildeten Pferde. Daher müssen wir im vorwärts arbeiten – am besten an der Longe. Ist das Pferd aber ungenügend ausgebildet, oder ist es der Longeur, dann kommen wir auch hier in eine Sackgasse.

Unsere Praktikanten sind eine große Hilfe beim Anreiten meiner jungen Pferde, denn sie haben bereits die Bodenarbeits- und Longenprüfung und können mich so als Longeur unterstützen. Gemeinsam erklären wir dem Pferd dann die unterschiedlichen Hilfen und Botschaften. Für das Pferd entsteht so ein logischer Aufbau in der Ausbildung zwischen Bodenarbeit, Longieren und erstem Reiten.

Ist das Pferd sehr gut ausgebildet und reagiert es auf kleinste Signale – der Reiter verfügt aber noch nicht über einen ausgebildeten Sitz, dann ist das fast schon ein Luxusproblem. Wir haben Schüler, die sehr gute Arbeit vom Boden machen und die nun ihre Defizite vom Sitz erkennen. Sie müssen nun an ihrem Körper arbeiten, ein Bewusstsein für den Körper entwickeln. Dabei ist es auch ganz egal was hilft – ob Ballett, Kung Fu oder Achtsamkeitsarbeit.

Es kann kontraproduktiv sein, wenn der Sitz andere Botschaften erzählt, die sich von der Kommunikation unterscheiden, die das Pferd bereits vom Boden aus gelernt hat – manche Sitzprogramme schulen einen „Look-a-like“ Sitz, der zwar gut aussieht, aber nicht funktional ist.

Am besten wir fragen das Pferd, wie sich der gute Sitz anfühlt.

Zuerst arbeiten wir im Stand mit Form und Balance, aber wir können dabei keinen Schwung ausbilden. Wir brauchen diesen aber im Körper – das bedeutet Schritt-, Trab,- Galopp- und Töltschwingungen. Das Problem ist, dass viele Reiter die einzelnen Schwingungen nicht in ihrem Körper spüren oder finden, wenn sie sich in Bewegung setzen. So frage ich Schüler immer, wie der Tölt in ihrem Körper aussieht – nämlich tatsächlich Tölt, oder findet sich in Reiterkörper mehr Passbewegung? Wie schaut dann der Trab aus? Plötzlich spüren wir – da gibt es gar keinen Trab im Körper des Reiters. Kein Wunder, dass das Pferd nicht traben kann, wenn der Schwung im Pferdekörper durch den Reiter blockiert wird.

Wenn wir ein Pferd ausbilden, dann müssen wir führen können – gleichsam einem Tanz. Der führende Herr muss es ja auch der Dame vermitteln können. Das Pferd soll künftig unseren Körper spiegeln. Alle anderen Hilfen sind sekundär.
Aber was bedeutet sekundär in diesem Zusammenhang? Nach und nach wollen wir Sekundarhilfen wie Hand, Bein, Gerte usw. aussetzen, um das Pferd nur noch mit dem Sitz zu dirigieren. Das ist schon sehr fortgeschritten und die wenigsten Reiter kommen so weit, alle Sekundarhilfen auslassen zu können. Wenn wir die Sekundarhilfen jedoch reduzieren können, dann wissen wir – der Sitz ist gut.

Fragen wir also unser Pferd, denn das menschliche Auge wird nur beurteilen wie korrekt der Sitz hinsichtlich der Optik sein wird. Das Pferd wird uns Feedback geben, ob die Botschaften aus dem Sitz ankommen und verständlich sind. Vielleicht erzählen wir aber auch kompletten Nonsense mit unserem Sitz, dann zahlt es sich freilich auch aus, ständig auf das Feedback des Pferdes zu hören.

Das komplette Video mit der Frage an Bent findet ihr nochmal im Original hier:

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