Meine Güte, dieser Tage sind die Gefühle aber auch wieder am Kochen in der Pferdewelt.
Wenn es um unsere Pferde geht, dann werden wir immer auch sehr emotional.
Immer?
Reitkunst, Gefühle und Zweibeiner
Da sind mal zunächst unsere eigenen Emotionen. Die Wichtigste ist mit Sicherheit die Liebe, die uns schließlich zum Pferd brachte. Und da gab es für viele von uns, die seit Kindertagen von der Faszination Pferd in den Bann gezogen sind wirklich nur die Liebe. Sonst nichts. Ein Pferd musste einfach nur ein Pferd sein – wir waren schon glücklich, wenn wir Pferde auf der Koppel beobachten konnten. Später kam da die große Sehnsucht hinzu, wenn wir uns endlich wünschten, unseren vierbeinigen Seelenpartner an unserer Seite zu haben.
Und dann gab es Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen, Sorgen, Glücksgefühle, Horse-Highs und viele andere Emotionen.
Aber wie ist das mit den Emotionen bei unseren Pferden?
Reitkunst, Gefühle und Vierbeiner
Wir beobachten unsere Pferde sehr genau. Es gibt immer mehr zu lesen und zu lernen. Von den Calming Signals angefangen über viele weitere Interpretationen unserer Pferde. Da gibt es etwa Marc Lubetzky, der Pferde in freier Wildbahn beobachtet, um von ihnen noch mehr über Kommunikation und Emotionen zu lernen. Dann gibt es viele, verschiedene Trainer, die uns nicht nur auf eine Reise in den Pferdekörper mitnehmen, sondern das Pferd auch ganz nach Dr. Freud auf die Couch legen.
Wir wissen ziemlich genau, welche Freundschaften unsere Pferde schließen, wann Eifersucht mit im Spiel ist, ob ein Pferd niedergeschlagen ist oder freudig erregt.
All das beobachten wir im Zusammensein mit dem Pferd.
Und dann geht es ans Training:
Gefühlvoll im Training
Wenn ich meine Schüler begleite, dann wird es auch schon mal emotional. Wir freuen uns gemeinsam, wenn meine Schüler etwas noch nicht sehen oder spüren, dann leide ich auch mit und wir versuchen alle Inhalte Stück für Stück zu erarbeiten.
Wie geht es aber manchmal den Pferden emotional im Training?
Gefühl: Unsicherheit
Wie geht es wohl unseren Pferden, wenn wir mitten im Training sind und es ganz genau observieren. Nicht jedes Pferd kommt damit gut zurecht. Pferde sind Meister darin, Emotionen zu lesen, von daher sehen sie auch sehr genau, ob wir sie unsicher, kritisch, fragend, prüfend, beurteilend betrachten. Und nachdem wir gerade wenn es um Bewegung geht meist sehr kritisch hinschauen, kann sich das auf Dauer auch immens auf die Psyche des Pferdes auswirken.
Gefühl: Freude
Wie passt das eigentlich zusammen, dass wir Pferde formen und viel über Bewegungsabläufe nachdenken und sich Pferde eigentlich wie von selbst formen, wenn sie eben NICHT über einen Bewegungsablauf nachdenken, dafür aber ein sehr genaues emotionales Ziel vor Augen haben? Ein Beispiel sind Pferde im Spiel – hier geht es nicht darum, wie stark Gelenke in einem gewissen Winkel gebeugt werden – hier geht es darum, sich zu behaupten und sich stolz zu präsentieren. Aber wie oft haben wir bei der Schulung von Bewegungen auch tatsächlich noch im Fokus, worum es dem Pferd bei der Bewegung überhaupt gehen würde und wie das Pferd von Natur aus da hin kommt?
Ein Beispiel: Bei der statischen Arbeit im Stand haben wir den Vorteil viele Einzelheiten sehr genau im Detail erklären zu können. Wir sehen vielleicht die einzelnen Puzzleteile und das große Ganze. Für das Pferd ist aber im Stand die Idee von Bewegung gar nicht klar. Viele Fehler können sich einschleichen, weil das Pferd auch kein genaues Ziel vor Augen hat.
Wenn unser Pferd beispielsweise bei einem kleinen Sprung über ein Cavaletti (und nein, das kann das Pferd auch alleine an der Longe 😜) hier wohl in der Lage ist von der Hüfte abwärts alle Gelenke der Hinterhand zu beugen, dann kann es wohl nicht sein, dass wir dem Pferd bei der Arbeit im Stand absolute „Unbeugsamkeit“ attestieren. Manchmal fehlt es dem Pferd einfach auch an einer gewissen Emotion bei der Arbeit im Stand.
Wir können mit Sicherheit alle den Satz runterbeten, dass das Pferd ein Bewegungstier ist. Und sehr bewegungsfreudig noch dazu. Aber achten wir bei der Arbeit auch immer darauf, die Bewegungsfreude gemeinsam zu antizipieren?
Freude darf nicht nur im Danach stattfinden, wenn etwas gelungen ist. Freude muss auch spürbar sein im Mittendrin. Und das ist für uns Tüftler und Nerds gar nicht so einfach unser kritisches Gesicht gegen ein Spaßgesicht einzutauschen.
Gefühl: Angst und Unsicherheit
Manche Positionen rund um das Pferd machen für das Pferd zu Beginn der Ausbildung vielleicht auch mal gar keinen Sinn. Es fühlt sich bedrängt, eingeschränkt, eingesperrt, observiert. All diese Gefühle können eine große Unsicherheit auslösen und wir interpretieren den Ausdruck unseres Pferdes dann auch mal gerne falsch und „korrigieren“, auch wenn das Pferd deutlich sagen wollte, dass es sich schlichtweg nicht auskennt und unsicher fühlt.
Gefühl: Langeweile
Hand aufs Herz – wer hat sich nicht gedacht, eine Sache ist für das Pferd langweilig. Vielleicht auch nicht. Vielleicht übertragen wir häufig auch unsere Gefühle auf das Pferd, vor allem dann, wenn wir einen Inhalt auch noch nicht wirklich verstanden haben. Ging mir so beispielsweise mit Mathe. Fand ich komplett entbehrlich und wünschte dem Mathebuch, es würde seine Probleme lieber selbst lösen, als ständig mich damit zu nerven. Inhalte, die uns nicht logisch erscheinen, lehnen wir naturgemäß ab, die Ablehnung wird dann gerne auch mit Langeweile gleich gesetzt. Und wenn wir heute noch das Lesebuch der ersten Klasse der Schule lesen müssten, dann wäre uns auch sehr langweilig. Und manchmal – das ist aber für uns auch emotional sehr schwer – da müssen wir uns vielleicht auch eingestehen, dass wir für unser Pferd nicht die richtigen Aufgaben wählen. Vielleicht mag es unsern Pferd gerne auch mal „wild“ und ungestüm und wir hingegen sehnen uns nach Sicherheit und viel Arbeit im Schritt, während unser Pferd eben gerne den Wind in der Mähne spüren würde.
Gefühl: Stolz und Selbstsicherheit
Wir müssen nicht alles können – aber das, was wir können, das können wir gut. Und damit können wir auch zufrieden sein. Selbst wenn wir von hohen Zielen träumen (Levade wäre doch ganz cool) aber noch dabei sind den Rückenschwung des Pferdes überhaupt wahrzunehmen – so können wir doch auf jeden erreichten Meilenstein stolz sein. Unsere Pflicht ist es, dem Pferd in jeder verbrachten Stunde das „Superstar“ Gefühl zu geben.
Diese Beispiele sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt der Bandbreite an Emotionen, die uns begleiten.
Gefühl und Reitkunst zur weiteren Inspiration
- Früher war alles besser? Podcast mit Stefanie Niggemeier
- Reitkunst und die Emotionen
- Inspirationen von Mark Lubetzky
- Einfach Reiten Akademie
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