Ich habe jetzt lange überlegt, wie ich diesen Beitrag starten soll. Soll ich darüber erzählen, was ich beim Anschauen der Olympischen Reiterspiele in der Dressur empfunden habe? Soll ich das Ganze mit Inhalten aus der Kommunikationswissenschaft füllen? Die erste Möglichkeit hätte sich der Popularität der Spiele bedient und der zweite Zugang ist mir irgendwie zu trocken. 

Ich habe mich daher entschieden, einfach aus dem Leben zu erzählen. Wie sie so läuft, die Kommunikation mit meinen Pferden und was mir im heurigen Jahr bislang wichtig war. 

Gemeinsam oder Selbstläufer? 

Mein Lipizzaner Konrad (Conversano Aquileja I) zu beschreiben gelingt nicht, ohne dass ich einen verliebten Gesichtsausdruck aufsetze. Ich bekomme von Konrad so unglaublich viel zurück, ja, ich fühle mich von diesem Pferd wirklich richtig geliebt. Konrad weiß, dass er einen absolut speziellen Platz in meinem Herzen hat.

Von seiner Seite aus war es wohl Liebe auf den zweiten Blick, ich war sofort hin und weg. Und mit all seinen Ideen und dem eifrigen Bemühen meine Fragen zu verstehen hat er nicht nur mich verzaubert. Schon bald hieß es, wenn wir etwas Neues probiert haben und dies auf Anhieb recht gut gelungen war: „Ja, das ist ja der Konrad“….mit dem Untertitel, dass der Konrad schließlich alles weiß und kann. Und auch der Konrad ist dieser Meinung. 

Darf ich mitspielen? 

Im heurigen Frühjahr war Konrad extrem motiviert. Ich stand auf der Aufstiegshilfe und sortierte die Zügel und Konrad piaffierte und „levadierte“ schon mal ohne mich los. Ich hatte meine liebe Mühe und Not aufzusteigen und ein Wörtchen mitzureden. Konrad war so „hyper“, er schien in einer anderen Welt. 

War das schon immer so? 

Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht über Pausen, über die Dosierung von Lob und Feedback. Und über die Gemeinsamkeit. Weder ich noch Konrad wollten Monologe führen, die vom Gegenüber nur schemenhaft wahrgenommen werden. 

Ich bin ein großer Freund von Lob und positiver Verstärkung in dem Sinne, dass ich gerne Kekse füttere. Bei Konrad habe ich dann die Kekse überdacht, nicht weil er unhöflich wäre und übergriffig, aber weil ich das Gefühl hatte, er benimmt sich wie die Motten auf dem Weg zum Licht. Nicht links und rechts schauen, nicht mehr nachdenken, sondern einfach nur reagieren. 

Der Unterschied zwischen einer Antwort und einer Reaktion? Da musste ich gleich mal an meine ruhmreiche Vergangenheit in Mathematik denken. Ich bin ein Kind der Sprachen, nicht der Zahlen. Demnach hatte ich mit Mathe immer meine Schwierigkeiten. Erstens keine Begeisterung und zweitens eben keinen Plan. Trotzdem habe ich sehr gute Noten geschrieben, weil ich einfach gut Aufgaben pauken kann und somit perfekt mit einem „Wenn dann….Automatismus“ ausgestattet war. Von Verständnis jedoch keine Spur. 

Bei einer sehr guten Note habe ich mich allerdings nicht so glücklich gefühlt, wie bei positivem Feedback auf eine Englisch Arbeit, bei der mir das Schreiben eines Aufsatzes auch richtig Spaß gemacht hat. Kompetenz macht nämlich Freude. Die „Zufallstreffer“ in Mathematik haben mich also immer ein bisschen im Dunkeln gelassen und es fühlte sich einfach auch immer krass nach „raten“ an. Denn sicher war ich mir auch nicht immer, ob ich mir die richtige „Wenn dann“ Lösung ausgewählt hatte. 

Verstehst du mich? 

Ich möchte, dass Konrad also auf meine Hilfen wartet, sie tatsächlich auch versteht und daraus umsetzt. Ich möchte, dass sich Konrad über mein Lob noch viel bewusster freut. 

Was haben wir also gemacht? Man könnte sagen nichts. Konrads Aufgeregtheit lässt sich zum damaligen Zeitpunkt auch mit Sicherheit auf einen Stallwechsel zurück führen. Konrad, ganz der Hausmeister war in der geschlossenen Halle zu Beginn sehr nervös, wenn Amena und Mandrake draußen die Rangfolge klärten und quietschten. Konrad konnte schlecht zuhören, weil er durch sämtliche Umwelteinflüsse abgelenkt war. 

Wir haben also wie gesagt nichts gemacht. Ich bin einige Tage lediglich am Halfter und Strick mit Konrad in der Halle unterwegs gewesen und habe genau nichts erwartet. Gerade Konrad, der mir alles recht machen möchte, reagiert auf meine Erwartungshaltung extrem. Es war mir also wirklich egal, was passiert, die einzige Voraussetzung war das Zusammensein – sprich, wir waren durch den Strick miteinander verbunden und sind so unterwegs gewesen. 

Ich habe sehr auf Anzeichen von Entspannung, oder auch Beschwichtigungssignale des Pferdes geachtet. „Beschwichtigen“ finde ich by the way eigentlich ein ganz krasses Wort. Für mich drückt es auch immer ein bisschen aus, als würde der Mensch mit einer unglaublichen Dominanz auf das Pferd zugehen, welches dann seinen Ausbilder beschwichtigen und beruhigen muss. 

Ich weiß schon, diese Signale zielen auch auf das Pferd selbst ab. 

Was ich sagen möchte – durch die Bezeichnung „Beschwichtigungssignale“ habe ich auch nochmal sehr stark über meine eigene Rolle als Ausbilder und Mensch gegenüber meinem Pferd nachgedacht, denn ich möchte nicht immer beschwichtigt werden. Wenn ich meinen Partner in einer Beziehung immer beschwichtigen müsste, was sagt das über den Partner und über mich aus? 

Zurück zur Praxis. Wir waren also unterwegs und ich habe darauf geachtet, ob Konrad seinen Kopf senkt im Spazieren, ob er tief ausatmet, ob er zur Seite schaut und mir Platz gibt, ob er mehrfach blinzelt und wie sich der Tonus der Muskulatur verändert. Ich habe mir überlegt, was ich mir selbst auch für mich gewünscht hätte, im Zustand von Anspannung und Erregtheit, jedem alles recht machen zu müssen. 

Wenn Konrad mit sehr minimalen Zeichen kommuniziert hat, dann habe ich diese „Willkommen geheißen“, aber nicht bewertet. Eine sehr schwierige Sache, denn schließlich liegt mir ein „Braaaavoooooo“ oder „Guuuuuuut“ ja schon total vorgeformt auf der Zunge. Manchmal ist es mir also auch passiert, dass ich das gelobt habe. 

Gemeinsam sein – worum ging es mir dabei? 

Erstens war das Ziel Erwartungen völlig auszuschalten. Konrad und ich sind uns sehr ähnlich, ich reagiere auch immer sehr den Erwartungen entsprechend, bemühe mich, es im Grunde allen recht zu machen und dabei kann schon auch mal Stress entstehen. 

Lernen kann freilich nur im stressfreien Zustand stattfinden und auch das Feiern von Erfolgen. Bleibt das Stresslevel, also die Motivation unbedingt zu gefallen, unbedingt alles richtig zu machen hoch, dann wird man auch die eigene Leistung nicht anerkennen können. Zufriedenheit stellt sich dann selten ein. 

Wenn ich also wirklich nichts von Konrad wollte, dann habe ich mich sehr – zurück zur Basis – damit gespielt, dass wir uns sehr aufeinander einlassen, nichts gefordert wird und im Miteinander zufrieden sind. 

Wenn sich Konrad entspannt hat, dann habe ich signalisiert, dass es Raum gibt für die Entspannung, mich aber sehr bemüht, diese Entspannung nicht extra zu loben. Denn gerade bei Konrad würde die erneute Bestätigung die Entspannung ja wieder zur Leistung machen und wir wären erneut im Dilemma des selbstgemachten Leistungsdrucks. 

Gemeinsam kommunizieren

Ich habe in diesem Frühjahr die Kommunikation mit meinen Pferden also noch einmal gehörig überdacht.  Ich hege einen sehr achtsamen Umgang mit meinen Pferden und dennoch war ich überrascht, wie viele Details ich hinzufügen konnte. 

Nach drei Spaziergängen in der Halle oder am Platz, wobei sich Konrad bewusst Raum für Entspannung genommen hat, hatte sich unsere Kommunikation enorm verbessert. Wir hören einander besser zu und Konrad weiß, dass wir den Dingen Zeit und Raum geben. Ich habe immer gelobt und bestätigt und – das ist ja grundsätzlich positiv – deswegen ist Konrad ja auch immer unglaublich motiviert. Ich habe aber durch das gemeinsam Innehalten noch einen viel tieferen Zugang entwickelt und schaue noch viel genauer hin, wie Kommunikation und Lernen ablaufen. 

Aktuell haben meine Pferde zwei Wochen frei. Es gibt einfach viel zu tun und dann steht ja auch die Sommerakademie der Akademischen Reitkunst in Dänemark an. Sehr stolz bin ich übrigens, dass mich meine liebe Schülerin Martina Frei heuer begleitet. Sie hat sich die Prüfung zum Squire mit ihrem Mio sehr verdient erritten. 

Meine Pferde und ich – wir sprechen aber aktuell sehr viel miteinander. Und das gibt mir nicht das Gefühl, nichts zu tun. Und irgendwie hat sich auch mein ganz persönlicher Ehrgeiz in eine ganz andere Richtung entwickelt…aber das ist eine andere Geschichte! 

Gemeinsam Weiterlesen und Hören