Dann tut er sie nicht alleine. Und zum Glück kommen auch alle an. Von verlorenen Gepäckstücken, die zum Sinnbild für das Abwerfen von unnötigem Ballast wurden, Würmern und Pferden.
Der lange weg nach Gotland
Sonntag, 10. Dezember 2017. 4 Uhr früh morgens. Es geht los. Ich bin überaus froh, dass ich direkt von Graz aus aufbrechen kann nach Gotland. Aber von Anfang an ist da irgendwie der Wurm drin. Ein Wurm für den ich ein paar Tage später wieder mehr Verständnis entwickeln werde. Dazu aber später. Während wir in Graz verspätet abheben (“Etwas am Flieger ist kaputt, aber wir haben einen Techniker hier”), begeben sich in Zürich meine liebe Schülerin Najat und in Wien meine lieben Schülerinnen Andrea und Viktoria ebenso auf die Reise. Wenn also einer nach Gotland geht, dann eben nicht alleine.
In Frankfurt habe ich einen etwas längeren Aufenthalt und plane nun mal so richtig durch zu schnaufen. Gönne mir einen riesigen Cafe Latte. Werde ich später bereuen, aber nun ja. Wir haben ein pünktliches Boarding, gleichzeitig beginnt es aber sehr stark zu schneien. Innerhalb weniger Minuten ist alles rund um den Flieger weiß und wir müssen den Flieger nochmal enteisen. In der Zwischenzeit erlebe ich eine Weihnachtsquadrille der anderen Art. Ein Haufen Schneepflüge steht in wunderbarer Formation bereit, aber es tut sich nichts. Mittlerweile hätten wir seit über einer Stunde in der Luft sein müssen.
Nun ja, wer mich kennt weiß: ich bin sehr organisiert, ich kann sehr schlecht stillsitzen und der große Cafe Latte macht die Sache nicht besser. Irgendwie schaffen wir es dann aber doch weiter nach Stockholm. Dort wartet schon Najat, wir beide müssen den späteren Flieger nach Gotland nehmen. Aber immerhin: An dem Tag wurden in Frankfurt 300 Flüge gestrichen, ich bin eine der wenigen, die Glück hatte und noch raus kam.
Irgendwann um Mitternacht nach einer spannend rutschigen Taxifahrt im verschneiten Gotland kommen wir dann an. Ich bin “mehr als durch” und das mit dem Abschalten hat nicht ganz geklappt.
Warum ich nicht gleich in Medias Res in Punkto Reiten gehe? Auch die Erlebnisse auf der Reise gehören dazu. Die Erwartungshaltung war: Ich entspanne mich ab Frankfurt, treffe die Mädels in Stockholm und freue mich auf ein Wiedersehen in Visby mit Hanna Engström. Erwartungshaltungen spielen uns auch im Zusammensein mit unseren Pferden diverse Streiche und letztendlich stellen uns solche Ereignisse vor spannende Aufgaben.
Ich gebe zu, Najat aus der Schweiz hat in einer stoischen Ruhe die Tatsache gemeistert, dass sie verspätet und ohne Koffer in Visby angekommen ist. Ein Hoch auf Najat, die dafür dann auch in den kommenden Tagen sehr reich belohnt wurde.
Diverse Wünsche?
Hanna hatte die Woche mit uns sehr gut strukturiert und geplant. Bereits im Vorfeld wurden die Wünsche aller Weekstudents besprochen und demnach ein kleiner Plan erstellt. Im Vorjahr hatte ich mich besonders über Hannas “bodywork” gefreut. Nach einer Woche auf Gotland kam ich ohne Rückenschmerzen zurück nach Hause und war selig. Die Vorfreude auf Bewegung und Achtsamkeit in den eigenen Körper war somit groß.
Und schon wieder eine Überraschung: Nach einer ersten Analyse auf dem Pferd, “befundete” mich Hanna für schmerzfrei. Klar gibt es mal wo Verspannungen, aber meinen großen Schmerzrucksack habe ich tatsächlich von mir geworfen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ich meine Achtsamkeit auf dem Pferd getrost ausschalten konnte – im Gegenteil – jetzt wurde so richtig gearbeitet, jedoch stets vom Sattel aus.
Mona, Flamenco und Indio
Hannas Pferde sind quasi Lügendetektoren. Jedes Pferde-Reiterpaar hat natürlich “altbekannte” Muster und Gewohnheiten.
“Mein Pferd will nicht wenden”, “Mein Pferd hat wenig Energie”, oder: “Mein Pferd lässt mich nicht Sitzen”….
…das Problem sitzt halt immer im Sattel. Und so legen Hannas Vierbeiner auf Ekeskogs ganz genau den Huf in die Reiterwunde und machen unmissverständlich klar:
“Wenn du so sitzt, dann kann ich nicht wenden, …dann habe ich keine Energie, ….oder ich kann dich als Reiter einfach so nicht sitzen lassen”.
Pferde sind jedoch wunderbare Pädagogen, sie sind ehrlich, schonungslos, wenn etwas richtig läuft, dann geben sie aber auch unmittelbar ein brummelndes Feedback. Hannas Pferde im Dialog mit der “Chefpädagogin” sind schon alleine eine Reise wert und laden mit Sicherheit dazu ein, auch zu Hause etwas öfter auf den eigenen vierbeinigen Pädagogen zu hören.
Für uns als Weekstudents ist es natürlich herrlich, sich ganz auf sich selbst und den Sitz fokussieren zu können. Das Feedback der Pferde ist sofort da, sie atmen mit uns gemeinsam tief aus, schnauben ab, brummeln und wiehern leise, wenn sie mit ihren Reitern zufrieden sind. Es lohnt sich sicherlich, diese Anzeichen zu “kultivieren”, sie achtsamer und bewusster wahrzunehmen – nämlich als unmittelbares Feedback an uns Reiter.
Meine drei vierbeinigen “Reisebegleiter” in dieser Woche waren Stute Mona, Alter Real Flamenco und Hannas PRE Indio.
Mit Mona hat mich Hanna zum Gehirnjogging eingeladen: Wenn sich das innere Pferdebein nach vorne bewegt, dann senkt sich die innere Hüfte des Pferdes ab. Der Brustkorb rotiert in diesem Moment nach innen-unten, die äußere Oberlinie dehnt und hebt sich. Soweit der Pferdekörper, bei dem sich der Schwung aus der Hinterhand im Idealfall auch in der Tätigkeit der Vorhand widerspiegelt.
Soweit so gut, aber wie sieht die Sache beim Reiter aus? Wie sehr müssen wir beispielsweise im Oberkörper rotieren? Reicht es schon aus, in der eigenen Hüfte die korrekte Rotation zu finden? Wie überall im Leben macht die Dosis das Gift: und so führt eine übertriebene Rotation aus der Schulter heraus dazu, dass der Reiter im Oberkörper zu sehr kippt und dann stark nach einer Seite lehnt. Dieses unbeabsichtigte Lehnen wirkt sich natürlich auch auf das Pferd aus (meist nicht unbedingt zum Positiven), was die Reiterhand wiederum korrigieren möchte (sich dabei aber natürlich relativ schwer tut).
Ich hatte alle Zeit der Welt in den ersten Einheiten meine Verbindung zur Wirbelsäule des Pferdes zu spüren und natürlich auch die Bewegung in der eigenen Wirbelsäule achtsam vom Steißbein bis zum Nacken wahrzunehmen. Dabei haben wir uns auch auf die Bewegung des Kopfes konzentriert, wobei das Anziehen und Loslassen des Kinns auch helfen kann, die eigene Rumpfspannung zu verbessern.
Am Nachmittag lernte ich dann “Flamenco” kennen und verliebte mich dann sofort. Klein, freundlich und sehr beweglich. Flamenco wurde in dieser Woche eigentlich zu meinem wichtigsten Lehrmeister.
Mehr darüber gibt es nächste Woche im zweiten Teil meines Reiseberichts…
Ein Hoch auf dich Anna, wie wertschätzend und neutral du alle Energien vereint hast. Love you for that!
Danke Najat 🙂 Es war eine wunderbare Woche. Danke, dass du dabei warst!
Schöner Bericht!
Man möchte eigentlich nicht eine Woche bis zum nächsten Teil warten müssen. 😉
🙂 Teil zwei gibt es heute. 🙂 Danke für das schöne Feedback