Hand aufs Herz. Wie oft denken wir über Fehler nach, die wir als Menschen gemacht haben und wie oft schieben wir die Schuld gleich mal in Richtung Pferd. „Der lässt sich nicht stellen“! „Sie geht nicht genug vorwärts“. „Er lässt sich nicht versammeln“. Wie wichtig allerdings einige Eigenschaften für den Reiter sind, wurde bereits Francois Robichon de la Guérinière nicht müde zu betonen.
Aller Anfang ist der Mensch…
Wer reiten möchte, der muss bei sich selbst beginnen. Und natürlich eine Menge Theorie lernen. BereitsGuérinière prangerte die Fehleinschätzung an, Reiten sei eine bloße Übungssache:
„In Wirklichkeit ist Reiten ohne theoretische Grundlagen eine rein mechanische Angelegenheit, deren ganzer Erfolg in einer gezwungenen und unsicheren Ausführung besteht. Es ist ein falscher Glanz, der Halbkenner blendet, die mehr durch die Ausstrahlung eines Pferdes als durch das Können des Reiters beeindruckt werden. Daher erklärt sich auch die geringe Zahl gut ausgebildeter Pferde und das geringe Können, das man gegenwärtig bei den meisten feststellt, die sich als Reiter bezeichnen.“
Dieses Zitat aus der Zeit um 1733 könnte heute nicht aktueller sein.
Eigenschaften guter Reiter
- Wenn du weißt, was du kannst, kannst du tun was du willst. Warum sollten wir überhaupt fühlen, wann welches Hinterbein in der Luft ist? Warum lässt sich das Pferd nicht mit dem inneren Zügel wenden? Warum brauchen wir Ganaschenfreiheit bevor wir an Stellung denken? Und warum lohnt es sich so sehr über Balance nachzudenken? Und wie verläuft überhautp die Wirbelsäule des Pferdes?
Man kann unmöglich sofort alles wissen. Aber man kann als Reiter einen unbändigen Wissensdurst entwickeln. Wer nicht weiß, wie richtig überhaupt aussieht, der hält sich möglicherweise an das, was er sieht. Da wird dann eine deutlich sichtbare Einwirkung mit der Hand möglicherweise zum Vorbild – oder gedankenlos die Ansicht übernommen, ein Pferd habe ja wirklich nur gearbeitet, wenn es auch mal schwitzt.
„Die Meinung der Leute, die die Theorie in der Reitkunst für unnütz halten, kann mich nicht abhalten zu behaupten, dass umfassende theoretische Kenntnisse einer der wichtigsten Punkte sind, um sein Können zu vervollkommnen. Ohne diese Theorie ist die Ausführung immer unsicher. Die Theorie ist es, die uns die Natur, die Anlagen und Fähigkeiten des Pferdes entdecken und verstehen lässt und uns so ermöglicht, seine Anmut und Ausstrahlung zu entfalten“.
- Liebe zum PferdWer liebt sein Pferd nicht? Dass ein Großteil der Reiter seinen Pferden in tiefer Dankbarkeit begegnet, das fasste auch schon Gueriniere zusammen. Er meinte aber auch: Wer seinem Pferd nicht mit Liebe begegnet, wird nicht das finden, was er sich von den Pferden erhofft. Und: Dankbarkeit zeigt sich sicherlich nicht in der tausendsten bunten Decken-Bandagen Kombination. Wie können wir uns tatsächlich den Pferden gegenüber dankbar zeigen? Wer die Theorie gestrebert hat weiß –halten wir uns immer an der Natürlichkeit der Pferde. Und da kommen übermäßige Leckerli oder ein Ruhetag in der Box auch nicht vor. Und wer sein Pferd liebt, der ist auch DA, wenn gemeinsame Zeit verbracht wird. Telefonieren neben und auf dem Pferd – wer sich mit einem guten Freund zum Cafe verabredet würde sich auch vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn das Gegenüber ständig zum Handy greift und „nicht da“ ist.
- Ein gerechter PädagogeEin guter Reiter arbeitet nicht mit Angst und presst das Pferd nicht in eine bestimmte Form. Ein guter Pädagoge verdient sich auch den Gehorsam und Respekt, in dem er konsequent eine Linie verfolgt. Konsequenz meint nicht immer nur Strenge – Konsequenz bezieht sich auch auf unser Tun. So darf man sich nicht über das Verhalten des Pferdes wundern, wenn man das Pferd am einen Tag beim Ausreiten am Gras zupfen lässt und am anderen Tag nicht.Ein gerechter Pädagoge erkennt die Bemühungen seines Schülers an. Er bestärkt positives Verhalten, straft aber nicht, wenn das Pferd eine Übung noch nicht verstanden hat, oder physisch nicht in der Lage ist die Übung auszuführen. Durch seine theoretische Vorbildung kann er seinen Schüler außerdem physisch wie psychisch gut einschätzen.
- Ein guter Reiter hat einen PlanEin guter Reiter macht sich Gedanken über die tägliche Arbeit seines Pferdes. Das Zusammensein mit dem Menschen ist ja zum Lebensinhalt des Pferdes geworden. Wer kennt das nicht: Wenn die Arbeit keinen Spaß macht, das Studium keine Freude, dann bleibt die persönliche Motivation aus. Ein guter Reiter sorgt daher für Motivation, er sorgt für Ausgeglichenheit im Training. Er hat einen Plan und ein Konzept. Er lernt, welches beispielsweise das schwächere Hinterbein des Pferdes ist, er lernt über natürliche Schiefe und entwickelt einen Plan, der stark an einen Inhalt gebunden ist und nicht an Lektionen.
- Ein guter Reiter ist geduldigEin guter Reiter hat ein Ziel vor Augen –aber nicht um jeden Preis. Ein guter Reiter orientiert sich an den Möglichkeiten eines Pferdes. Ein guter Reiter weiß um die Stärken und Schwächen seines Pferdes. Er orientiert sich daran und reitet nicht auf den Schwächen des Pferdes herum. Heißt: Natürlich wird daran gearbeitet, das Pferd insgesamt physisch zu verbessern. Wer die Dressur für das Pferd nutzt, wurde vielleicht schon überrascht, wie sehr sich auch physische Schwächen verbessern ließen. Ein Beispiel ist Isländerstute Blida. Allerdings darf man dabei nicht vergessen: Die Gymnastizierung soll die Lebensqualität des Pferdes im besten Fall verbessern – wer zu akribisch arbeitet, nimmt dem Pferd möglicherweise die Freude, Gehlust und Ausstrahlung.
- Ein guter Reiter weiß, dass er nichts weiß.
Bent Branderup sagt:Ein Leben reicht nicht aus, um reiten zu lernen.
Wer wirklich reiten lernen will, der wird sich auf eine lebenslange Reise begeben. Vielleicht kommen wir nie an. Vielleicht sammeln wir aber riesige Meilensteine ein, die uns auch menschlich weiter bringen. Vielleicht lernen wir besser zu zuhören, vielleicht lernen wir uns selbst auch besser kennen.
Werden wir zu einem guten Reiter, dann Reiten wir Einfach 😉
PS: Welche Eigenschaften fehlen? Welche Erfahrung habt ihr gemacht? Wie immer freue ich mich via Facebook und hier bei den Kommentaren über eure Meinung, was einen guten Reiter ausmacht!
Ein guter Reiter läßt so viel Ausrüstung wie möglich weg und kopiert niemals das, was gerade im Stall so Mode ist. Ein guter Reiter hinterfragt den Sinn bzw erkennt den Unsinn von Ausbindern, Kandarren, Sperrriemen und dergl. Ein guter Reiter kopiert niemanden, keinen Reitlehrer oder Möchtegern-Guru. Ein guter Reiter findet seinen eigenen Weg mit seinem Pferd und kommt zur inneren und äußeren Harmonie.
Und deshalb plappern Sie nach, was die derzeitige Mode in der Pferdewelt ist? Wo ist denn der Unsinn von Ausbindern, Kandare und Sperrriemen? Und jetzt möchte ich nicht die Ausführen von Geitner rezitiert haben, denn das ist auch ein Modeguru. Nur der der mit Ausbindern, Sperrriemen und Kandaren sinnvoll und mit Bedacht umgehen kann, sollte diese nutzen…die meisten Reiter können es nicht, wie der einleitende Satz es schon so schön ausdrückt:“Es ist ein falscher Glanz, der Halbkenner blendet, die mehr durch die Ausstrahlung eines Pferdes als durch das Können des Reiters beeindruckt werden. Daher erklärt sich auch die geringe Zahl gut ausgebildeter Pferde und das geringe Können, das man gegenwärtig bei den meisten feststellt, die sich als Reiter bezeichnen.“
Ein guter Reiter ist in meinen Augen neben den oben aufgeführten Punkten vor allem auch ein Mensch der gelernt hat nein zu sagen, nein zu nicht artgerechter Haltung, nein zu nicht pferdegerechten Ausbildungsmethoden und nein zum Pferd als Sportgerät.
Ich stimme dir voll zu. NEIN zu sagen ist viel schwieriger, als ein bequemes JA, das oftmals aus Unwissenheit gewählt wird.
– Mein NEIN zu Boxenhaltung
– Mein NEIN zu gewaltorientierten Ausbildungsmethoden
– Mein NEIN zu Hilfs-Tools
– und Mein NEIN zum Sportgerät
– Mein JA zum Sportpartner (Freizeit oder Turniersport)
Ich finde den Begriff „guter“ Reiter sehr irreführend, schon wird wieder gruppiert was ein vermeintlich „guter“ Reiter zu machen und zu lassen hat.
Es gibt verschiedene Ansätze wie man mit dem Partner Pferd umgehen kann, sie zeigen uns doch genau, was sie wollen, wir müssen nur lernen richtig zu zuhören.
Es spielt für mich dabei keine Rolle ob jemand Bodenarbeit macht, longiert mit Kappzaum oder mit Ausbindern usw. ob er reitet, Gelände, Dressur oder Springen. Wenn es dem Pferd und dem Reiter Freude bereitet, das ist doch schön. Ob ich dabei die Neuste Schabracke drauf habe oder eine alte Decke die gefühlt viele Jahre alt ist, spielt doch keine Rolle, wenn man mit dem Pferd verbunden ist. Ich finde es sollte jeder die Freiheit haben und seine Erfahrungen sammeln ohne dass man gleich als schlechter Reiter oder Mensch angeprangert wird. Wer will denn entscheiden was gut und richtig ist, es gibt verschiedene Ansätze und man muss auf das Pferd schauen ob es glücklich ist oder nicht, wenn man dann etwas ändert und auch was ausprobiert , kommt man weiter, dabei geht es nicht um irgendwann einmal fertig zu sein, Lernen und Weiterentwicklung dauert das ganze Leben.
Für mich gilt:
Je mehr der Mensch weiß, weiß er dass er nichts weiß.
Soll heißen, um so mehr wir lernen, wird uns klar, wie klein der Wissensanteil ist, den wir haben ?
Bravo! Für mich ein vollkommen richtiger und natürlicher Zugang… .
Entscheidend ist, dass sich die Partner Pferd und Mensch beide wohl fühlen und gesund bleiben – was auch immer sie miteinander unternehmen….
Für mich persönlich eine wertvolle Erkenntnis: Ein „guter“ Reiter wächst, wächst erst zu einem guten Reiter heran. Befasst man sich mit dem Reiten, der Ausbildung von Pferden, den Umgang mit ihnen und mit ihrer Haltung, wird man tendenziell mit hehren Idealen konfrontiert – z.B. in Form einer Eigenschaftenliste wie in diesem Artikel. Leider erzeugen Ideale häufig einen inneren Druck, denn als guter Reiter müsste man doch schon längst „dort oben“ angekommen sein. Mit Druck gelangt man jedoch nirgendwo hin, schon gar nicht zu einem harmonischen Miteinander mit seinem Pferd. Deshalb sage ich mir immer wieder vor: „Ein guter Reiter wächst“ – und gestatte mir damit auch Fehler, Irrtümer, ja, sogar Ungerechtigkeiten gegenüber meinem Pferd. Für mich ist es gerade die grenzenlose Duldsamkeit des Pferdes, die es uns ermöglicht, mit und an unseren Pferden zu wachsen – am Ende vielleicht sogar zu einem guten Reiter. Insofern sind die oben beschriebenen Eigenschaften – als Ziele und nicht als Voraussetzungen verstanden – wunderbare Wegweiser in Richtung „gutes Reiten“ (als Oberbegriff für die gesamte Mensch-Pferd-Beziehung). Den langen Weg dorthin – das unverzichtbare Lernen –, aber auch das Fehlgehen – das unvermeidbare Irren – dürfen wir uns ruhigen Gewissens zugestehen und auf unserem jeweiligen Niveau weiterhin „Einfach reiten“.