Wie bewegt sich mein Pferd? Wo sind die Hinterbeine? Was passiert gerade im Pferdekörper? Ist mein Pferd noch mental da? Geistig anwesend? Hat es etwas richtig gemacht? Bin ich mit einer neuen Herausforderung überfordert? Wie schaffe ich das Lehrender und Lernender gleichzeitig zu sein und wo ist das gute Gefühl?
Erst neulich war ich im Gespräch mit meiner lieben Kollegin Julia Kiegerl. Ihr ist es besonders wichtig, dem Pferd immer ein gutes Gefühl im Training zu geben – egal ob was mal gut klappt oder schlecht. Das Pferd soll immer mit einem guten Gefühl aus einer Trainingseinheit gehen. Ich bin stolz, wenn solche Prioritäten ganz oben auf der Liste stehen – und eine Erinnerung daran tut auch immer wieder gut!
Farbenlehre
Der grüne Bereich ist etwas, in dem man sich wohl fühlt. Der gelbe geht so ein bisschen an unserer Grenzen und der rote Bereich ist gänzlich tabu. Wenn wir mit Pferden trainieren dann gibt es verschiedene Skalen und Richtwerte an die wir uns halten können.
Mein Kollege Christofer Dahlgren hat es in einem Gespräch wunderbar auf den Punkt gebracht. Es gibt Tage, da ist er einfach mit seinen Pferden zusammen, genießt den Moment, das Zusammensein. Es geht um keine Inhalte, sondern ums Putzen, Kraulen, den Besuch auf der Weide. Wirklich um eine gute Zeit. Dann gibt es Tage, wo in der Komfort-Zone Altbekanntes geübt wird. Pferd und Reiter können sich in ihrem Tun sicher fühlen und sicherlich noch ein paar Details verbessern oder wiederholen. Und dann gibt es eben Tage an denen Neues gelernt wird.
Andere Trainer gestalten ihre Trainingspläne dann eben gerne nach physiologischen und biomechanischen Grundsätzen. Wann wird Muskulatur wie gearbeitet. Wann braucht man eine Pause, wann wieder Aktivierung und wie sollte die Pause zwischen den Trainingseinheiten geplant sein.
Mehr über Trainingspläne zum Nachlesen gibt es hier:
- Training für den Reiter
- Abwechslung ins Training bringen durch Dualgassen und Co
- Selbstständig werden
- Ständige Wiederholungen?
Die akademische Berufskrankheit
Wenn ich mich mit Kollegen austausche oder worüber wir auf der Sommerakademie immer wieder herzlich lachen und uns auf die „Schippe“ nehmen:
Wir sind so bierernst, wir sind Detailfuzzler, wir sind Detailverliebt, wir zerlegen die ganze Biomechanik…kurz – wir sind einfach zu ernst.
Gut, da könnten wir jetzt auch Roberto Blanco auflegen, während wir in der Reithalle sind. Und ja, das ist ernst gemeint – manchmal treffe ich auf Schüler, die nur noch Probleme sehen:
„Der Rücken ist nicht da“. „Die Hinterbeine schleifen“. „Die Hinterbeine kommen nicht gut drunter“. „Jetzt ist er schon wieder auf die Schulter gefallen“.
Ja. Das stimmt. Aber wenn wir immer nur noch alles in Problemen sehen, dann bekommen das unsere Pferde auch wirklich mit. Ich habe mich dabei ertappt, als ich mal unter Kollegen auf der Sommerakademie von meinen Pferden berichtet habe und ständig im Fokus hatte, was alles nicht gut funktioniert.
Tabbys Hankenbiegung könnte besser sein.
Ja. Daran arbeiten wir auch. Nur weil wir jetzt Roberto Blanco im Hinterkopf mitpfeifen, heißt das noch lange nicht, dass wir nicht ernsthaft daran arbeiten, Tabbys Körper fit und gesund zu halten. Aber ich konzentriere mich noch mehr darauf was wir bereits am Konto haben:
Im Fall von Tabby wurde aus einem „heißen Ofen“ ein sehr liebes und aufmerksames Pferd, auf das ich mich wirklich immer verlassen kann. Auswärts ist sie gut gelaunt, voll bei mir – und selbst wenn sie noch energetisch sehr aufdrehen kann (sie ist ja auch eine rote Stute), beruhigt sie andere Pferde in fremder Umgebung, hört mir gut zu, bemüht sich für mich. Tabby hört ganz wunderbar auf meinen Sitz und hört auch am Boden sehr gut auf meinen Körper.
Ich denke auch nicht umsonst stellt Bent Branderup das Schlusswort seiner Wochenendseminare unter das Motto: Gemeinsam Zeit schön verbringen.
Wir machen uns also viele gute Gedanken rund um das Pferdewohl. Wir dürfen aber nicht aus allem eine Krankheit machen – und – um erneut auf den Ratschlag von Christofer Dahlgren zurück zu greifen: Play smile and practice.
Trotzdem ist uns eines sehr wichtig in der Ausbildung:
Das Pferd ist der Champ
Unseren Pferden eben ein gutes Gefühl zu geben. Und manchmal gelingt uns das nicht, weil wir selbst so unter Konzentration stehen. Wenn ich sehr konzentriert auf meinen Pferden unterwegs bin, dann klappt das Timing mit dem Lob auch nicht unbedingt. Daher greife ich auch gerne auf Boden- oder Handarbeit zurück, wobei ich selbst einfach schneller mit dem Lob bin. Andere Reiter helfen sich durch den Clicker, wenn emotionales Lob zum rechten Zeitpunkt vor lauter Konzentration schwer fällt. Auch mir hat dieser Ansatz sehr geholfen mein Timing für Lob zu verbessern. Manchmal kann es auch sein, dass wir auf dem Weg noch kein perfektes Gefühl haben – selbst wenn etwas noch nicht perfekt gelingt, sollten wir die Bemühungen des Pferdes loben. Das fällt uns vor lauter Kopflastigkeit natürlich auch sehr schwer. Hier kann natürlich ein Trainer helfen, der uns durch unbekannte Fährwasser wie ein Navi leitet und durch motivierendes „jetzt ist gut“ hilft das Lob mit dem noch unbekannten Gefühl zu verknüpfen.
Oft ist es auch schwer, etwas Gutes in Worte zu fassen. Wonach fühlt sich denn Harmonie an? Richtig, nach nichts. Wenn das Pferd aber schwer in der Hand liegt dann können wir das mit tausend Worten beschreiben.
Im Zweifel einmal lieber zu oft gelobt als zu wenig.
Je besser wir uns Aufgaben vorstellen können, umso besser können wir freilich auch loben.
Gestalten wir daher unsere Trainingseinheiten nicht nur für die Pferde kurz – sondern auch für unsere eigene Konzentration. Meditation schult unsere Achtsamkeit, gute Vorbereitung vor einer Trainingseinheit verhindert, dass wir uns mental „verrennen“ und auch die emotionalen Aspekte einer gelungen Übung nicht aus den Augen verlieren. Und es kann auch hilfreich sein, sich vor der Trainingseinheit vorzustellen, wie man das Pferd lobt.
Ich komme auch immer wieder an meine Grenze. Ich merke, dass ich mir Kritik zu Herzen nehme und diese dann völlig ungewollt an meine Pferde weiter gebe. Ich selbst bin sehr selbstkritisch und arbeite oft sehr hart an mir. Das kann aber zu permanenter Unzufriedenheit führen. So möchte ich nicht für meine Pferde sein. Es ist ein Thema, das mich wohl immer begleiten wird, denn in mir schlummert ein Motor, der alles richtig machen möchte. Nun gilt es quasi diesen Motor in die richtige Richtung zu steuern. Meine Pferde machen mich glücklich. So oder so. Egal was sie können. Egal wie sie sich bewegen. Und eigentlich machen sie alles richtig: denn sie machen mich glücklich.
Hören wir öfter Roberto Blanco, dann Reiten wir Einfach 🙂
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