Die Vorteile der Bodenarbeit? Schulung der Hilfen für Pferd und Mensch, Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und wachsendes Vertrauen in die spätere Reiterhand.
Die Vorteile der Longenarbeit? Überprüfung der HIlfengebung auf Distanz und Nutzung der gesamten Bewegungsmöglichkeit des Pferdes in allen Grundgangarten.
Und die Handarbeit?
In der Handarbeit arbeiten wir unser Pferd mit Zügeln, so wie wir sie beim Reiten nutzen würden. Diese Position bringt uns viele Vorteile für das spätere Reiten oder für das Verfeinern diverser Hilfen, wenn unser Pferd bereits geritten ist.
Für mich und meine Stute Amira war und ist die Handarbeit für viele Dinge der Schlüssel, für das, was unter dem Sattel noch nicht so klappte oder eben vielleicht auch noch das Verständnis fehlte. Aus dieser Position habe ich die Möglichkeit viele einzelne Komponenten auseinander zu nehmen, um sie dann wieder Stück für Stück zusammenzusetzen.
Die Handarbeit hilft auch vielen Pferden, die mit dem Menschen in der Frontposition nicht so glücklich sind, aber auch denjenigen, die sich auf Abstand schwertun, zuzuhören oder Hilfen anzunehmen.
6 Vorteile der Handarbeit
1. Die Hand ausbilden
Jeder Ausbilder wünscht sich eine feine Hand, die dem Pferdemaul folgt. Manchmal passiert es aber, dass das Pferd sich festhält und diese Steifheit sich mit der Hand nicht so einfach lösen lässt. Wir Menschen sind schon alleine durch unseren Alltag sehr „handlästig“ und versuchen zuerst mal alles mit diesem wichtigen Werkzeug zu regeln.
Die Handarbeit soll uns aber aufzeigen, was im Pferdekörper passiert, wenn wir gewisse Dinge in der Hand spüren:
- Wird das Pferd schwer auf der Hand? – Ist da vielleicht ein Hinterbein ausgefallen?
- Stellt sich das Pferd nach außen? – Haben wir vielleicht die Biegung um den inneren Schenkel verloren?
- Hebt das Pferd sich heraus? – Ist der Schwung aus der Hinterhand verloren gegangen?
Die Hand soll niemals beizäumend wirken, sondern immer unser Informationslieferant sein, was im Pferdekörper passiert. Hat die Hand dies einmal gelernt, haben wir es im Sattel viel einfacher, Fehlerquellen zu eruieren.
2. Erklärung der Zügelhilfen
Während wir die Zügelhilfen bei der Bodenarbeit und beim Longieren durch die Gerte zeigend oder berührend einsetzen und schulen, wirken nun die Hilfen in der Handarbeit erstmals physisch präsent ein. Das Pferd lernt nun deutlich zwischen den direkten und indirekten Zügelhilfen zu unterscheiden und profitiert dadurch auch für die Arbeit unter dem Sattel.
3. Das Suchen zur Reiterhand erarbeiten
Immer zur nachgiebigen Reiterhand hin – das ist für viele Pferde nicht immer glaubhaft oder generell logisch. Manche Pferde haben mit der Hand (und dem Gebiss) schlechte Erfahrungen gemacht und weichen der Hand lieber aus oder verharren in einer Position, die sie für richtig oder erwünscht halten. Wir wünschen uns jedoch, dass das Pferd der Hand folgt. Soll heißen – wenn der Ausbilder den Zügel aus der Hand gleiten lässt, nachgibt und den Rahmen verlängert, dann soll das Pferd mit Maul und Nase folgen und sich strecken dürfen, ohne eine unangenehme Konsequenz zu fürchten.
Die Hilfe des Nachgebens ist im übrigen die einzige Hilfe, die sich nicht wirklich verstärken lässt – daher ist es wichtig, dem Pferd in der Handarbeit zu zeigen, was eine nachgiebige und verlässliche Reiterhand bedeutet. Werden die Zügel im Rahmen verkürzt, dann wünschen wir uns, dass das Pferd auch hier vertrauensvoll folgt. Dies bedeutet freilich nicht, ein Gewicht auf die Hand zu bekommen, es bedeutet aber auch nicht, dass sich das Pferd hinter der Hand verkriechen oder über der Hand herausheben soll. Wir wünschen uns eine gute Beziehung zwischen Hand und Nase oder Pferdemaul – genau so wie wir selbst gerne „Händchen halten „möchten.
4. Wo braucht mich mein Pferd?
In der Handarbeit stehen uns viele Möglichkeiten zur Verfügung, uns rund um das Pferd zu positionieren. Einserseits gibt es die Position von innen geführt – vorwärts oder rückwärts gehend – sowie auch von außen geführt – vorwärts oder rückwärts gehend.
Durch die verschiedenen Positionen, können wir sehr einfach herausfinden, wo uns das Pferd gerade am ehesten braucht und wo es eventuell auch unter dem Sattel mehr Unterstützung benötigt.
Zum Beispiel tendieren einige Pferde über die äußere Schulter zu laufen und somit schwer auf der Hand zu werden. Hier ist es dann weniger sinnvoll von innen geführt am äußeren Zügel zu ziehen, sondern sich in die äußere Position zu begeben, um mit dem Körper präsenter für den äußeren Zügel zu sein und das Pferd so zu einer guten Balance zwischen den Schultern zu führen. Man kann dem Pferd dadurch ein gutes Gefühl geben und den äußeren Zügel genauer erklären, ohne das Zug auf den äußeren Zügel kommen muss, bis das Pferd verstanden hat, worum es geht. Dann kann man sich in der Position wieder verändern und überprüfen, ob das Pferd verstanden hat.
5. Übergänge erarbeiten
Handarbeit mag für den einen eine Konditionsfrage sein – für den anderen werden Übergänge so spielerisch vorbereitet, wenn wir sogar im Trab und Galopp mit dem Pferd unterwegs sind. Ein besonderes „Schmankerl“ ist die Schulung der Übergänge. In einem Übergang von einer niedrigeren Gangart zu einer höheren Gangart hätten wir doch gerne, dass das Pferd nicht davoneilt oder sich heraushebt. In der Handarbeit wiederholen wir zunächst Übergänge, ohne das Pferd durch das Reitergewicht in Balanceschwierigkeiten zu bringen. Der Unterschied zur Longenarbeit ist hier der klar definierte Rahmen, in dem sich das Pferd bewegen soll. Wir beginnen der Ausbildung des Pferdes entsprechend natürlich mit einem zunächst längerem Rahmen, je nach der Fähigkeit sich zu auszubalancieren und zu tragen, wird der Rahmen dementsprechend angepasst.
Bei den Übergängen von einer höheren, in eine niedrigere Gangarten ist unser Ziel, den Rahmen und die Form des Pferdes beizubehalten und keine abrupten Bremsungen sondern fließende Übergänge auszubilden.
Durch die eigene Körpersprache, Präsenz und den Bewegungsfluss können wir hier das Pferd am Boden sehr gut unterstützen und zur Spiegelung von Bewegung einladen.
6. Sei kreativ
Handarbeit bietet viele Möglichkeiten, den Stundenplan des Pferdes aufzufrischen und abwechslungsreich zu gestalten. Vielleicht findet nicht jeder sofort an der Position Gefallen. Vielleicht sieht die Arbeit auf den ersten Blick schwer aus, gerade wenn wir nicht das ideale Größenverhältnis zwischen Mensch und Pferd vorfinden. Der Benefit für uns als Ausbilder ist ganz klar, unser Gefühl und unsere Wahrnehmung noch besser zu schulen und damit auch in der Zukunft den Trainingsplan des Pferdes gezielter gestalten zu können. Als Entdecker spüren wir zudem Schwierigkeiten oder Hindernisse auf, die uns aus einer anderen Position vielleicht gar nicht so bewusst waren. Gerade beim Reiten „überfallen“ wir uns selbst und das Pferd mit vielen Hilfen gleichzeitig: die Handarbeit kann differenziert dazu führen, dass wir Stolpersteine entlarven und herausfinden, wie wir unserem Pferd tatsächlich am Besten helfen können!
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