Handarbeit – nein hier geht es in der Reitkunst nicht ums Stricken, sondern um Geben und Nehmen von Informationen. Wie das auf hohem Niveau gelingen kann, verrät Bianca Grön in ihrem heutigen Gastartikel:
Die Voraussetzung für die so genannte Handarbeit ist eine gute Vorbereitung – sowohl für den Reiter,als auch für das Pferd in der Longen- und Bodenarbeit. Für die Handarbeit gibt es zwei Führpositionen. Wenn man sich auf der linken Hand befindet, kann man sich entweder links, also innen vom Pferd, oder außen platzieren. Die Zügel werden wie vom Sattel aus einhändig geführt.
Im Gegensatz zur Bodenarbeit, in der man eine Position vor dem Pferd einnimmt und mit dem Kappzaum den Kopf platzieren kann, kommt es in der Handarbeit um das Geben und Nehmen von Informationen an. Bent Branderup sagt in diesem Zusammenhang:
„Eine gute Hand sucht nach Information. Einer Hand, der das Pferd vertraut, wird Information gegeben“.
Aber was war der ursprüngliche Zweck der Handarbeit?
In der heutigen Zeit sind die Pilaren aus den Reithallen verschwunden. Die Handarbeit ist eine Möglichkeit, um die ursprüngliche Pilarenarbeit zu ersetzen, die die alten Meister zur Ausbildung der Pferde benutzt hatten. Bent Branderup selbst bildet seine Pferde zwar in den Pilaren aus, jedoch lehrt er diese Arbeit nicht, da sie ohne konkrete Anleitung im Eigenversuch für Pferd und Mensch zur Gefahr werden kann.
Neben der Möglichkeit die Pilarenarbeit zu ersetzen, ist Handarbeit – von außen geführt noch eine sehr gute Möglichkeit, um die Reiterhand sehr weit zu schulen, ohne „Nebengeräusche“ durch den Sitz zu erzeugen.
Aber wie erkennt man, ob die Hand des Reiters bereits ein gewisses Level erreicht hat?
Eine ungeschulte Hand wird das Pferd eher blockieren, während eine geschulte Reiterhand gelernt hat, die Bewegungsenergie in den verschiedenen Lektionen zu fühlen und zu führen.
In der von innen geführten Handarbeit mit den Zügeln in beiden Händen arbeiten wir viel mit Hilfe der Wand. Dies mag zwar einerseits einer Unterstützung gleich kommen – andererseits werden so Fehler – wie ein Ausfallen der Hinterhand oder der Schulter durch die Präsenz der Wand kaschiert. In der von außen geführten Handarbeit sind wir unabhängig von der Wand und werden leichter auf Probleme, die bereits bestehen oder von uns selbst erzeugt werden aufmerksam. Führen wir jedoch das Pferd zwischen unseren Hilfen in Balance, dann haben wir eine Basis um die einzelnen Körperteile gut aufeinander abzustimmen und auf lange Sicht eine enorme Geschmeidigkeit des Pferdes zu erlangen.
Übrigens: Handarbeit hat auch eine lange Geschichte und Tradition. Römische Reliefs aus dem ersten Jahrhundert nach Christus stellen bereits die verschiedensten Möglichkeiten der Führpositionen dar. Dies unterstreicht noch einmal: Wir müssen nichts Neues in der Reiterei erfinden – wir müssen uns lediglich auf jahrtausende alte Grundlagen in der Arbeit mit dem Pferd konzentrieren.
Mit der Hand lässt sich damals wie heute nichts produzieren – aber wir können Einfluss auf einen positiven Bewegungsablauf des Pferdes nehmen, beispielsweise lassen sich die Arbeit mit dem Schulschritt und der Schulparade auch wunderbar mit der von außen geführten Handarbeit kombinieren.
Vielen Dank an Bianca Grön für den heutigen Gastartikel!
Alle Fotocredits: Lotte Lekholm
PS: Wer mehr über die Handarbeit von außen geführt erfahren möchte, dem lege ich das heute veröffentlichte Video von Bent Branderup und Bianca Grön dazu ans Herz, das in acht Teilen erscheint. Bent zeigt darin mit seinem PRE „Cara“ die verschiedenen Führpositionen in der Praxis und geht auf die Einwirkungen der Hand in der Boden – und Handarbeit ein. Knabstrupperhengst Tableau demonstriert, wie die Hinterhand durch eine geschulte Parade geschmeidiger werden kann. Und natürlich gibt es auch wieder viele Ausschnitte aus Unterrichtseinheiten von Bent und seinen Schülern rund um das Thema Handarbeit.
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