Hankenbeugung – was ist das eigentlich? Was bezeichnet Hankenbeugung konkret und führen wirklich ganz viele Wege nach Rom – oder anders gesagt zur Versammlung? 

Was ist Hankenbeugung? 

Um die Hankenbeugung besser zu verstehen, arbeiten wir am besten zuerst mit einem Röntgenblick. Wir sehen auf der ersten Abbildung eine Vorhand links und eine Hinterhand rechts. 

Hankenbeugung: Vorhand und Hinterhand 

Die Vorhand (in blau eingezeichnet): Wir wandern abwärts vom (1) Schulterblatt zum (2) Schultergelenk (Buggelenk), weiter zum (3) Ellenbogengelenk, (4) Karpalgelenk, (5) Fesselgelenk, (6) Krongelenk und (7) Hufgelenk. 

Die Hinterhand (in rosa) vom Hüftgelenk (1) abwärts über den Oberschenkel (2) geht es zum Knie (3) und weiter zum Sprunggelenk (4) zum Fesselgelenk (5), Krongelenk (6) und (7) Hufgelenk. 

Wenn wir Vorhand und Hinterhand vergleichen, dann sehen wir deutliche Unterschiede im Aufbau des Skeletts und in der Funktionalität der Gelenke. In der Vorhand stehen die Knochen eher senkrecht zueinander, in der Hinterhand ist alles wie eine Sprungfeder aufeinander gebaut. Wenn wir ausschließlich das Skelett betrachten, könnte man meinen, die Knochen fielen ineinander, wie ein Kartenhaus. Dies wird jedoch durch starke Muskeln der Hinterhand und einen ausgeklügelten Bandapparat verhindert. 

Die Hinterhand ist über das Kreuzbein und das Becken mit der Wirbelsäule des Pferdes verbunden, während die Vorhand keine skelettäre Verbindung zum Rumpf aufweist. Die Vorhand hängt „lose“ in der Muskulatur (thorakale Muskelschlinge). Dies unterstreicht die Bedeutung der Hinterhand für das Reitpferd, da die Qualität der Tätigkeit der Hinterhand maßgeblich darüber entscheidet, ob der Rumpf zwischen den Schulterblättern bei Belastung durch einen Reiter absackt oder das Pferd den Brustkorb heben kann. 

Hankenbeugung und die Spannsägenkonstruktion 

Betrachten wir die Gelenke der Hinterhand noch einmal eingehend, dann ist die Zusammenarbeit von Knie und Sprunggelenk äußerst interessant. Die so genannte Spannsägenkonstruktion, bestehend aus zwei Sehnen, die zwischen Knie- und Sprunggelenk gespannt sind sorgt dafür, dass das Pferd aufrecht stehen kann (und das Kartenhaus nicht zusammenfällt). Dies bedeutet aber auch: Beugt das Knie, dann beugt auch das Sprunggelenk und umgekehrt. Beide Gelenke sind quasi in ihrer Tätigkeit „verheiratet“ und können nicht ohne einander. 

Hankenbeugung: Welche Gelenke sind dabei beteiligt? 

Hankenbeugung bezeichnet die Beugung von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk. 

Schon mal selbst Hankenbeugung ausprobiert? Eine Inspiration dazu gibt es im folgenden Video: 

Der Selbstversuch erklärt, warum Hankenbeugung kein einfaches Unterfangen für Pferde ist. Vielleicht denken wir das nächste Mal an den Selbsttest, wenn wir „noch einmal“ ein bisschen Beugung arbeiten möchten. 

Hankenbeugung und Muskelkraft

Welche Muskeln sind an der Hankenbeugung beteiligt? 

Bild 2: Welche Muskeln sind an der Hankenbeugung beteiligt?
  1. Der vierköpfige Oberschenkelmuskel hat vier Muskelköpfe, die vom Becken zum Oberschenkel und weiter zum Knie führen. Für die Versammlung hat der Muskel eine enorme Bedeutung, denn er ist für die Streckung des Knies zuständig, fixiert die Kniescheibe und bringt die Hüfte zur Beugung. Deswegen ist es Konrad im oberen Bild möglich, die Galopp Pirouette langsam auszuführen. Die Beugung des Hüftgelenks ist deutlich sichtbar. Je tiefer Konrad die Banken beugt, umso eher ist die Muskelkraft des vierköpfigen Oberschenkelmuskels gefragt. 
  2. Auch der zweiköpfige Oberschenkelmuskel und die Sitzbeinmuskeln sind an der Versammlung beteiligt. Diese Muskelgruppe ist für das Vorwärts in der Versammlung zuständig. Knickt das Pferd mit der Hinterhand weg, dann ist der zweiköpfige Oberschenkelmuskel zu schwach, der das Knie stabilisiert. Versammlung ist nicht nur Beugung in der Standbeinphase des Hinterbeins. Auch das Spielbein muss ausreichend gehoben und gebeugt werden – hier verraten die Sitzbeinmuskeln die Qualität der Versammlung – wenn die Zehe am Boden schleift, dann ist die Muskulatur nicht angespannt, sondern verspannt. Auch das Vorwärts in der Versammlung geht sukzessive verloren. 
  3. Die Kruppenmuskeln beugen und strecken das Hüftgelenk. Sind diese Museen verspannt, dann kann das Pferd den Rücken nicht mehr aufwölben. Wenn wir also in der Versammlung eine Verkürzung der Unterlinie und eine Verlängerung der Oberlinie sehen wollen, sind auch die Kruppenmuskeln in ihrer Verlängerung gen Lendenwirbelbereich und Rückenmuskulatur beteiligt. 
  4. Adduktoren oder die „Hosen“ bringen das Hinterbeine nach vorne in Richtung Schwerpunkt. Wenn diese Muskeln nicht korrekt arbeiten, dann sehen wir Taktunreinheiten in den Seitengängen. 

Hankenbeugung und Steinbrecht

Die großen Muskeln müssen in der Versammlung tatsächlich hart schuften – dafür braucht es eine gründliche Vorbereitung. Gustav Steinbrecht bringt die Voraussetzung für Versammlung auf den Punkt: 

„Ist die Seitenbiegung der Wirbelreihe genügend ausgebildet, ist durch Rieten von gebogenen Linien das Hinterbein einzeln an stärkere Belastung gewöhnt, sind die Streckmuskeln des Halses nachgiebig gemacht, und der Widerstand des Genicks beseitigt, so gehe. Man zur Belastung beider Hinterbeine über“. 

Gustav Steinbrecht, das Gymnasium des Pferdes, 1885

Hankenbeugung und Pädagogik

Viele Wege führen nach Rom

Aussage, die in Reiterkreisen öfter fällt, wenn man über Methoden und Reitweisen diskutiert

Dieses Zitat ist genauer unter die Lupe zu nehmen. Sind tatsächlich alle Wege zielführend? Gustav Steinbrecht findet auch hierfür aufklärende Worte: 

„Hierbei (bei der Versammlung) wirkt der Hals gleichsam als Hebel bei Übertragung der Last auf die Hinterhand; je mehr er sich aufrichtet, desto m ehr wirkt er niederdrückend und belastend auf diese. Bei dieser Arbeit diene aber als Grundsatz, dass die stärkere Last den Hinterbeinen niemals aufgezwungen werden darf, sondern dass das Pferd sich diese gewissermaßen selbst holen muss. Der Reiter soll nämlich nicht in erster Linie mit seinen Händen die Hinterbeine belasten suchen, sondern durch seine vortreibenden Hilfen die Hinterbeine veranlassen, mehr unter die Gewichtsmasse zu treten und sich selbst dadurch zu belasten, wobei die Hände entweder passiv auszuhalten und das Pferd am Vorwärtsdrang hindern, oder durch aktives Eingreifen, die sogenannten durchgehenden Arrêts, die Gewichte zur Biegung der vortretenden Hinterschenkel noch zurückzuverlegen haben. Die Ausrichtung der Vorhand bildete ich dann von selbst, je mehr die Hinterhand gesenkt und gebogen ist.“

Gustav Steinbrecht, Das Gymnasium des Pferdes, 1885

Eines meiner Lieblingszitate von Bent Branderup bei seinen Kursen lautet. 

„Du kannst den Stuhl nicht heben, auf dem du sitzt“

Bent Branderup, Sommerkurs in Hart bei Graz, 2020

Das wäre die schnelle Antwort auf die Frage, ob man mit der Hand das Pferd aufrichten kann. 

Steinbrechts Version dazu: 

„Es ist daher ein ganz nutzloses und widernatürliches Bemühen, wenn viele Reiter Hals und Kopf ihrer Pferde gewaltsam in die Höhe richten, bevor sie imstande sind, die Hinterbeine mit ihren Schenkeln entsprechend heranzuhaltne. Sie werden das gehobene Gewicht selbst tragen, also ununterbrochen mit der Hand stützen müssen und nicht die Hinterhand belasten, sondern nur den Rücken ihrer Pferde unnatürlich durchbiegen.“ 

Gustav Steinbrecht, das Gymnasium des Pferdes, 1885

Wege zur Versammlung und Schwierigkeiten 

Im folgenden Video erzähle ich über die verschiedenen Wege bzw. Erfahrungen mit meinen Pferden. 

Grundsätzlich sind mir folgende Schritte in der Ausbildung wichtig: 

  • Ausbildung von Synchronität und Spiegelung der Körpersprache
  • Flüssiges Vorwärts
  • Ausbildung der Hand (Paraden an der Longe sowie Handarbeit)
  • Kombination der einzelnen Puzzlesteine
  • Immer im Hinterkopf das Vorwärts behalten! 

Hankenbeugung zum Weiterlesen: