Der Einsatz von Hilfszügeln wird immer wieder heftig diskutiert. Die einen meinen, Hilfszügel sollen dem Pferd helfen, eine bestimmte Haltung einzunehmen und über den Rücken zu schwingen. Die anderen meinen, nur der, der keinen Hilfszügel benötigt, dürfte ihn einsetzen. In der Akademischen Reitkunst kommen wir gänzlich ohne Hilfszügel aus.
Was aber sagte man früher über Hilfszügel?
Gustav Steinbrecht plädiert zur geduldigen Arbeit. Er bezeichnete den Griff zum Hilfszügel als „groben Schwindel“ oder „Unverstand“,
..“wenn Leute sich damit abmühen, künstlich zusammengesetzte Zäumungen oder andere Werkzeuge zu erdenken, die die mühsame Bearbeitung des Pferdes unnötig machen und das rohe Pferd sogleich befähigen sollen, allen Hilfen, in gleicher Weise wie ein gerittenes, richtige Folge zu leisten“.
Steinbrecht geht von einer schmerzhaften Einwirkung aus, die zwar jedem Pferd vorübergehend eine bestimmte Haltung mit entsprechenden Bewegungen aufzwingen könne. Hilfszügel bezeichnet er als tote Maschinen, (Aufsatzzaum, spanischer Reiter), die eine künstliche Aufrichtung der Vorhand erzeugen, mit einer erzwungenen Belastung der Hinterhand einhergehen.
„Auch auf das Maul wirken dieses toten Werkzeuge verderblich ein, indem sie das Pferd durch ihren steten, gleichmässigen Druck entweder veranlassen, sich fehlerhaft darauf zu stützen, und dadurch das tote Maul erzeugen, oder zwingen sich dem Gebiss ganz zu entziehen und hinter dem Zügel zu gehen.“
Die beste Einwirkung, so Steinbrecht sei die Hand des Reiters, da nur sie die Einwirkung auf das Gebiss richtig beurteilen könne. Freilich gehört aber auch viel Zeit dazu, die Reiterhand dementsprechend zu schulen.
Interessant ist jedoch, dass sich Steinbrecht wohl hauptsächlich gegen starre Vorrichtungen aussprach. Über Martingal oder Schlaufzügel sagte er:
„So lange er (der Reiter) die Werkzeuge in der eigenen Hand führt, kann er deren Wirkung genau abmessen und berechnen und wird daher Gefahren vermeiden können, was aber aufhört, sobald das eigene Gefühl ihn nicht mehr unterstützen kann“.
Damit stellt der Reitmeister allerdings keinen Freibrief für die Benutzung von Hilfszügeln aus. Erstens betont Steinbrecht in jedem Kapitel die Entwicklung des Reitertakts, also des feinen Reitergefühls, andererseits warnt er vor der Benutzung aller beizäumenden Hilfszügel, ohne Ausnahme, wie er selbst betont, da sich der Reiter so zu leicht täuschen lasse.
„Jeder beizäumende Zügel, mag er nun einen Namen haben, welchen er will, wirkt eigentlich nur dann gut, wenn er gar nicht wirkt. Ein fortwährend anstehender, beizäumender Hilfszügel ist das Nachteiligste, was man sich denken kann, denn das Pferd spannt, indem es sich auf ihn stützend, dauernd die unteren Halsmuskeln, die es loslassen soll, weshalb der dauernde, derartige Gebrauch eines solchen Hilfszügels ein sicheres Mittel ist, einen Hirschhals herauszuarbeiten. Dabei täuscht ein damit gerittenes Pferd einen unerfahrenen Reiter fortwährend, indem es alle seine Lektionen statt in losgelassenen, in gespannten Zusatand ausführt und gewöhnt sich so an eine Stütze, dass es, ihrer beraubt, vollständig haltungslos und steuerlos wird.“
Gueriniere erwähnt in seinem Werk den Stoßzügel, der das Pferd daran hindern soll gegen die Hand zu stoßen oder mit dem Kopf zu schlagen. Diese Hoffnung zerschlägt sich – geht es nach dem französischen Reitmeister zu einem großen Irrtum, der Hilfszügel würde mehr schaden als nutzen und die Pferde erst recht in diesen Angewohnheiten bestärken. Geht es nach Gueriniere solle man diesen und alle anderen Hilfszügel aus guten Reitställen verbannen.
Er rät dazu zur „Reitkunst zu greifen und nicht einen Hilfszügel zu Rate zu ziehen“.
Reitkunst heißt langwieriges Lernen. Schulung von Körper und Geist – und das in zweifacher Hinsicht, schließlich:
„müssen zwei Geister wollen, was zwei Körper können“ (Bent Branderup)
Und dafür gibt es einfach keinen magischen Knopf. Hilfszügel wurden früher übrigens auch Nothzügel genannt. So schreibt Adolf Kästner über den Nothzügel und meint damit alle Vorrichtungen, die fest am Pferd verschnallt werden. Er nimmt dabei eine ähnliche Unterscheidung wie Steinbrecht zwischen starren Hilfszügeln und Hilfszügeln, die in der Reiterhand zum Einsatz kommen vor. Aber auch er unterstreicht, „dass der Hilfszügel nur von demjenigen Reiter mit wirklichen Nutzen gebraucht werden könne, welcher auch ohne dieselben zum Zwecke zu gelangen versteht“.
Der Schlaufzügel ist in vielen Reithallen leider ein oft gesehener Gast. Klar, kostet eine günstige Variante um die 17 Euro. Guter Reitunterricht ist eben auch eine größere Investition. Wie heißt es aber auch so schön: Gutes Reiten kann man nicht kaufen, man muss es lernen.
In der Akademischen Reitkunst kommt man – wie schon eingangs erwähnt ohne den Einsatz von Hilfszügeln aus. Hier geht es in erster Linie um die Schulung des Gefühls, vom Boden, wie vom Sattel aus. Auch das Pferd lernt alle Hilfen einzeln kennen. Später geht es darum mit der geschulten Hand Informationen aufzunehmen und auch wiederum an das Pferd weiterzugeben. Einen Hilfszügel als Übersetzer möchten wir hier gänzlich ablehnen!
Schulen wir also unser Gefühl – pur – also ohne Hilfszügel, dann Reiten wir später Einfach 🙂
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