In der Bodenarbeit geht es darum, eine gemeinsame Kommunikation mit dem Pferd zu entwickeln. Pferd und Mensch lernen eine gemeinsame Sprache.
An dieser Stelle ein Hinweis in eigener Sache. Es gibt ein Online Kurs-Projekt von „Einfach Reiten“, das sich ausschließlich dem Thema „Bodenarbeit“ widmet. Aktuell starten wir in die zweite Runde. Neugierig? Dann klicke hier.
Und nicht immer funktionieren die Dinge so, wie der zweibeinige Pädagoge dies geplant hat. Miteinander sprechen, bedeutet nicht im Umkehrschluss einander zu verstehen.
Aus menschlicher Sicht können wir Reiter ohne Luft zu holen, ohne Punkt und Komma sofort gut aufzählen, was nicht gut gelaufen ist, aber wie würde ein Pferd unsere Einwirkung interpretieren?
Kommunikation als Einbahnstraße?
Kommunikation ist keine Einbeinstraße, entweder man kommuniziert miteinander und wird verstanden – oder man wird nicht verstanden.
Man kann nicht nicht kommunizieren.
Paul Watzlawick
Wenn wir jedoch die Kommunikation mit dem Pferd genauer unter die Lupe nehmen, wird eine Sache besonders spannend. Wir als Mensch, als Reiter, als Ausbilder, als Freund unseres Pferdes, als Kümmerer und Sorgentante – wir haben in jedem Fall eine Intention. Vielleicht sind wir auch getrieben von einem Terminkalender, Zeitdruck, von unserem Ehrgeiz, vom Ehrgeiz anderer („das Pferd sollte doch endlich etwas können), Erwartungen und Verpflichtungen.
Das Pferd ist. Meistens ist es gut so, wie es ist.
Wenn ich aber Sätze höre, wie…
„Der ver….dich doch nur.“ „Der will nicht“. „Der führt dich an der Nase herum“.
Diverse Reiter
…dann ist mein unmittelbarer Gedanke:
Das Pferd hat keine geplante Absicht für die eine Stunde, die wir am Tag mit ihm verbringen
(oder auch längere Zeit). Das Pferd sitzt nicht morgens in der Box und überlegt sich einen Plan für die Zeit von 15 bis 16 Uhr. Wir schon. Und bei der Umsetzung kann uns auch die eigene Intention, so gut sie gemeint ist, im Wege stehen.
Ich verwende ja gerne immer wieder Bilder aus der Schauspielerei. Wenn wir die Arbeit mit dem Pferd von außen betrachten, einen Schritt „aus der Szene gehen“. Wie war die Rollenverteilung und Darbietung?
Wer hatte die Hauptrolle? Wer die Nebenrolle? Wer war aktiv? Wer war passiv? Welches Gefühl hat mein Gegenüber in mir ausgelöst.
Und so kann es schon spannend sein, sich eine Szene aus dem Theater vorzustellen, wobei ein Akteur eine absolut absichtsvoll geleitete, zielbehaftete Kommunikationsstrategie an den Tag legt. Sein Gegenüber ist quasi nur aufs Zuhören beschränkt. Im besten Fall soll der Zuhörer auf das Gesagte reagieren und etwas umsetzen. Aber wie oft fragt der Akteur nach der Meinung des Gegenüber?
Ein Versuch nachvollziehbarer Kommunikation
Anhand der folgenden Übungen wollen wir Kommunikation von allen Seiten beleuchten.
Basis-Führübungen
Ziel: Mensch und Pferd laufen nebeneinander. Das Pferd ist mit Halfter und Führseil, Strick oder Longe ausgestattet, der Reiter hält eine Gerte als verlängerten Arm bereit. Möglichst gemeinsam anzugehen und gemeinsam anzuhalten wäre das Ziel. Der Reiter führt sein Pferd einmal auf der linken Hand und einmal auf der Rechten Hand, dabei läuft er leicht versetzt neben der inneren Schulter des Pferdes.
Was schief läuft aus Reitersicht?
Der Mensch marschiert los und das Pferd kommt nicht mit. Warum ist das Pferd zurück geblieben? Der Reiter wundert sich, hat er doch extra viel Energie zum Angehen aufgebracht.
Umgekehrt ist es natürlich auch möglich, dass der Reiter angehen möchte, das Pferd jedoch den Turbo zündet und am Menschen vorbei sprintet. Der Reiter bleibt mit einem großen Fragezeichen im Gesicht stehen.
Was ist schief gegangen aus Pferdesicht?
Die Sache fängt ja schon auf der Weide an. Plötzlich war „sie“ da. Man wurde nicht gefragt, ob man mit nach oben zum Stall wollte, man wurde einfach überrumpelt. Dabei bin ich eigentlich der Typ, der lieber bei seiner Herde bleibt. Ich fühle mich ohne meine Pferdefreunde eher unsicher und bin schüchtern. Wird mir dann gerne als „zickige Stute“ umgehängt. Weil ich dem Weg nicht so ganz traue und mich nur ganz schwer von meinen Freunden trenne, bleibe ich öfter mal am Weg von der Weide stehen. Ich spüre Druck am Halfter, das ist sehr unangenehm. Ich verspanne in der Muskulatur und fühle mich gedrängt.
Nach dem Putzen und der Fellpflege sind wir am Platz. Kaum am Platz angekommen ein Ruck am Kappzaum und ich soll stehen. Ehe ich noch drüber nachdenken soll, marschiert der Zweibeiner los und zupft an der Longe. Ich bleibe zurück und weiß überhaupt nicht, was jetzt von mir erwartet wird. Wie sich herausstellt war ich zu langsam und sollte mitkommen. Vorgestern gab es für das Stehen am Platz irrsinnig viel Bestätigung und Lob, heute hat es der Mensch unglaublich eilig, darauf kann ich mich kaum einstellen.
Jetzt lege ich einen Zahn zu, aber ich merke, so ganz glücklich ist der Zweibeiner nicht über das Tempo. Ich soll halten und werde aber förmlich aus der Bahn geschleudert, ich komme nicht neben dem Menschen zu Stehen…
- einerseits, weil der Mensch dies völlig überraschend von mir verlangt
- anererseits, weil ich noch so viel Energie in mir spüre, dass ich gezwungen bin, die Energie um den Menschen Kreiselnd auslaufen zu lassen
Die enge Wendung „schleudert“ meine Hinterhand nach außen. Das ist zwar machbar, aber ich fuße nicht ganz plan, spüre eine Drehbewegung in Knie und Sprunggelenk. Das sollte so nicht sein. Irgendwann verliert der Mensch die Geduld und ein Ruck geht durch das Führseil. Ich reiße den Kopf nach oben, noch immer war ich am Marschieren und nun „bremst“ meine Halswirbelsäule den Bewegungsfluss. Ich fühle mich unwohl und verspannt, ich habe weder die Anweisungen noch die Zurechtweisung verstanden.
Wenn wir außerdem nebeneinander laufen, kann ich die Signale des Menschen nie gut einordnen. Einmal ist der Mensch direkt neben meiner Schulter, einmal etwas weiter vorne am Hals, manchmal sogar direkt neben der Nase. Dann fühle ich mich stark gebremst und traue mir nicht zu, in flottem Tempo weiter zu laufen. Ich verstehe auch nicht, warum ich einmal vorwärts gehen soll, einmal bremsen – diese Wechsel immer nach ein paar Schritten. So komme ich nie wirklich in einen Bewegungsfluss – egal ob dieser flotter oder langsamer ausgeführt werden soll. Der Mensch ist links neben mir unterwegs. Abgesehen von der ständig wechselnden Position zeigen die Zehenspitzen des Menschen und der Oberkörper mal in meine Richtung, mal dreht sich der Zweibeiner von mir weg. Mir ist nicht klar, in welche Richtung ich gehen soll. Wende ich mich dem Menschen zu, dann wird meine Schulter nach außen getrieben, suche ich mehr Distanz passt es auch wieder nicht! Es ist verdammt schwer, meinen Menschen zu lesen. Zwischendurch gib es ein emotionales Feuerwerk. Habe ich etwas richtig gemacht? Mit lauter Stimme und Gekreische, wird mein Hals geklopft. Dabei schmerzt es noch immer von dem ruckartigen Kontakt mit dem Seil. Ich kenne mich immer weniger aus. Scheinbar gelingt es mir nie, die Zeichen des Menschen richtig zu deuten.
Was läuft richtig aus Pferdesicht?
Wir stehen nebeneinander. Der Mensch steht neben mir. Ich kann ihn seitlich neben mir gut beobachten und sehen. Ich kann auch die Intention des Menschen gut interpretieren. Jetzt lehnt sich der Mensch nach vorne und belastet die Zehenspitzen, ich fühle mich mitgenommen, eingeladen, es gleich zu tun. Gemeinsam gehen wir an und spazieren nebeneinander her. Ich mag es nicht, allzu schnell zu gehen. Ich bin schon etwas älter, brauche ein wenig Zeit mich einzulaufen. Der Mensch weiß das und stellt sich auf mein Tempo ein. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Ich kann Vertrauen fassen. Auf mich wird gehört, meine Meinung zählt. Früher war ich temperamentvoller, da ist der Mensch auch gerne etwas flotter neben mir gelaufen. Man hört mir zu und ich höre auch gerne zu: Wenn der Mensch zulegt, beeile ich mich mit zu kommen. Ich bekomme viel positives Feedback, wenn ich die Zeichen und Signale des Menschen auf eine gewisse Art interpretiere. Wenn wir ganz gleichzeitig angehen und stehen bleiben, dann bekomme ich am meisten Lob. Das gibt mir ebenso Vertrauen und Selbstsicherheit. Ich kann mich gut an der Richtung orientieren, der Mensch läuft eine klare Linie, ich weiß wo wir hingehen und ich kann gut herauslesen, wann wir stehen bleiben werden. Der Mensch atmet aus, ganz bewusst, die Energie wird scheinbar eingezogen. Wenn die Atmung den Menschen scheinbar zusammen sinken lässt, dann bleibe ich stehen. Ach ja, Atmung ist ein gutes Stichwort. Ich habe das Gefühl der Mensch atmet sehr gleichmässig und geregelt. Das gibt mir auch mentale Sicherheit. Wenn gesprochen wird, dann leise und mit einer ruhigen Stimme, auch das mag ich.
Es liegt im Auge des Betrachters
Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Diese richtet sich an das innere Auge des Ausbilders. Wenn sich der Reiter wirklich ein klares Bild zurecht legt, wie er die Zeit mit seinem Pferd verbringen wird – und damit ist die Zeit gemeint, in der Zwei- und Vierbeiner gemeinsam etwas lernen wollen, dann wird es ratsam sein, sich auch über dieses „Wollen“ Gedanken zu machen.
Auch das Pferd muss wollen, es muss mitmachen, verstehen wollen. Es muss einen Sinn hinter dem gemeinsamen Tun entdecken.
Ist die Stunde pädagogisch wertvoll geplant, dann lassen sich die einzelnen Inhalte leicht umsetzen. Im Falle der Führübungen bedeutet dies, jede einzelne Bewegung bewusst zu planen und umzusetzen.
Bewusst den Platz, das Klassenzimmer zu betreten. Bewusst hinzuhören, ob das Pferd bereit ist, zuzuhören. Ist es mit den Gedanken, Augen und Ohren eher „draußen“ auf der Weide bei seinen Freunden, dann müssen wir zunächst seine Aufmerksamkeit gewinnen.
Haben wir dieses Etappenziel erreicht, dann können wir uns auf ein gemeinsames Angehen und Stehenbleiben fokussieren. Das Ziel ist, wirklich gemeinsam los zu marschieren und gemeinsam stehen zu bleiben. Hier darf das Pferd nicht überfallen werden – auch mit unserer Körpersprache können wir das Pferd im wahrsten Sinne des Wortes „anbrüllen“.
In unserem Alltag benutzen wir unsere Körpersprache nur noch sehr gering. Logisch, wenn wir sagen oft „A“, meinen aber „B“. Dazu zwingt uns schon die berufliche Etikette. Unser Körper findet diese Gaukelei übrigens auch nicht sonderlich prickelnd. Stress äußert sich dann auch häufig in körperlichen Beschwerden, vom Magenzwicken angefangen bis hin zur Übelkeit. Je besser wir im Alltag mit uns selbst umgehen, umso besser können wir auch mit unseren Pferden kommunizieren.
Sich bewusst in seinem Körper zu bewegen, Bewusstsein für Ausdruck zu gewinnen, hier schließt sich der Kreislauf, denn ein klares Bild über die geplante Bewegung hilft enorm bei der Umsetzung.
Was wäre wenn?
Was ist zu tun, wenn Pferd und Mensch nicht gleichzeitig in Bewegung kommen? War hier der Mensch zu voreilig? Wurde die geplante Bewegung nicht bewusst eingeleitet? War das Pferd möglicherweise gar nicht bei der Sache? War der Mensch in seinen Bewegungen zu überrumpelnd?
Auch wenn die Sache nicht läuft, wie geplant, ist es hilfreich, sich über die möglichen Korrekturen Gedanken zu machen. Und das am besten schon vorab, damit man bei einer Panne nicht panisch und hektisch reagiert.
Was tun, wenn das Pferd nicht mitkommt? Warten, weiter den Schwerpunkt nach vorne verlagern und ein wenig Energie mit dem verlängerten Arm (Gerte) in Richtung Hinterhand schicken. Das Gefühl schulen, hinsichtlich der Frage: Kann ich überhaupt wahrnehmen, ob das Pferd bei mir ist, gleichzeitig angeht?
Was tun, wenn das Pferd überholt? Am besten selbst einen Zahn zulegen, wenn man die „gemeinsame Blase“ sonst verlässt. Nur auf Höhe der Schulter kann ich sanft durch ein paar Wellen am Seil, die jedoch nie in einem Ruck enden dürfen durchparieren. Auch die Gerte kann etwas vor das Pferd gebracht werden, der verlängerte Arm trägt somit zur Entschleunigung bei. Das kleinste Reagieren auf das Zurücknehmen des eigenen Körpers und die vermehrte Belastung der Fersen wird sofort vom Mensch bestätigt. Das Pferd hat gut zugehört.
Was, wenn das Pferd zu langsam ist? Würde ich mir selbst empfehlen ständig zu treiben? Vermutlich nicht. Warum fällt es mir selbst schwer, hier um ein ordentliches Vorwärts zu bitten?
Es gibt viele Variationen und Möglichkeiten für das „Was wäre wenn Spiel“. Je ausführlicher alle Eventualitäten vor dem Training betrachtet werden, umso situationselastischer kann der Reiter als Ausbilder seines Pferdes reagieren.
In diesem Beispiel mag die Ansicht des Pferdes äußerst trivial abgebildet sein. Man muss nicht alle Situationen, die nicht rund laufen in ganz spezifische Fachbegriffe wie „Hypophysen“, „Sympathikus“ und „Parasymphatikus“ zerlegen. Dann wird es noch komplizierter, die Dinge zu verstehen. Wir können uns die Dinge auch oft einfacher vorstellen – dadurch erhalten wir eine ziemlich konkrete Vorstellung über die eigenen Unklarheiten in Punkto Körpersprache und Kommunikation. Und letztlich ist alles Kommunikation. Vom Boden bis zum Ritt im Sattel.
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Danke Anna, mir sind beim Lesen die Tränen gekommen. Aus unterschiedlichen Gründen.
🙏 danke auch im Namen der Pferde 🐴🙏