Einfach Reiten – das ist der große Wunsch vieler Menschen, die mit Pferden zusammen sein wollen und Reiter werden möchten. In den nächsten Blogbeiträgen widmen wir uns verstärkt dem Thema Reiten. Ist doch eh so einfach, oder nicht? 

War Reiten jemals Einfach? 

Als Kind ist man die Sache sicherlich nicht zu verkopft angegangen. Rauf aufs Pferd und damit war man eigentlich schon glücklich. 

Nachdem ich als Kind eine riesige Angst vor großen und auch kleinen Hunden entwickelt hatte, waren sich meine Eltern sicher: Anna und große Pferde? Das wird eh nix. Ich hatte aber schnell den Bogen raus, wie ich mich mit dem Knie in den Steigbügel stützen konnte und dann weiter nach oben hangeln. Ich weiß nicht wie klein ich damals war, die Pferde waren jedenfalls sehr groß, allerdings waren sie sanfte Riesen. Die Bewegungen auf dem riesigen Pferd fühlten sich seltsam vertraut an.

Ich habe – und so denke ich geht es vielen, die in der Kindheit angefangen haben zu reiten die Bewegung angenommen, akzeptiert, wie sie ist und war einfach im Hier und Jetzt glücklich. Und damit war ich den Pferden vermutlich als sechsjährige näher, als so mancher Profireiter, der immer an das Morgen denkt. Schließlich sind unsere Pferde ebenso klar im Moment. Die Stute Malvina, genannt Pünktchen hat nicht nur mich unheimlich berührt.
Im Reitunterricht saß ab und an ein blindes Mädchen auf ihr. Alle Unsicherheit wich aus ihrem Gesicht, auf der großen Pünktchen wurde der Traum vom Pegasus greifbare Realität. Heute unterrichte ich selbst – das bedeutet – ich zeige meinen Schülern immer wieder auch vor, was wir da eigentlich umsetzen wollen. Visuellen Lerntypen fällt die Umsetzung somit leichter. 

1989 wird es wohl gewesen sein – da gab es nur das Gefühl, das Einlassen und das Spüren. Wie geschickt das blinde Mädchen auf Pünktchen unterwegs war, das konnte ich damals gar nicht so richtig begreifen – ich habe es mit der kindlichen Selbstverständlichkeit wahrgenommen, die damals so vieles vereinfachte – warum sollte meiner Reitkollegin das Reiten schwer fallen – schließlich ist das Reiten doch einfach. 

Wenn das Reiten schwierig wird

Schwierig wurde Reiten erstmals, als ich Haflinger Stieglitz kennen lernte. Stieglitz war mein erstes Pflegepferd, gehörte einer Reiterpension, wo er in den großen Schulferien Tagesritte häufig auch gerne durcheinander brachte. Während des Schuljahres durfte ich ihn also für 10 Monate behandeln, als wäre er mein eigenes Pferd.

Kindheitserinnerungen: Haflinger Stieglitz und Anna anno 1992

Eine tolle Sache für eine 12-jährige, die dann endlich alles mit dem Pferd unternehme möchte, was vorher aufgrund der Regeln und eingeschränkten Möglichkeiten innerhalb eines Reitschulbetriebs nicht möglich war. Ich träumte von Ausritten, Stieglitz träumte von einer rasanten Rückkehr in den Stall. Ich bin nie schlimm von ihm gestürzt, Runterfallen war keine Option und Aufgaben schon gar nicht. Heute mit über 40 würde ich solch waghalsige Abenteuer wohl nicht mehr unternehmen: Alleine im Schneefall das Pony aus dem Stall stehlen, gemeinsam mit der besten Freundin die Wälder unsicher machen, Ausritte ganz alleine im Wald und fetzige Galopps über die große Wiese. Moment, sollte dieser Absatz nicht darüber sprechen, wenn Riten schwierig wird? 

Beim Lesen des Textes wird es offenkundig – die schönen Momente haben immer eindeutig überwogen. Zum Glück. 

Schwierig wurde es jedenfalls, wenn Stieglitz seine eigenen Ideen durchsetze wollte. Somit darf ich heute stolz behaupten, mein erstes Pferd konnte bereits lustige Croupaden quer über die Wiese springen, hat mir gezeigt, dass auch Pferde die Geduld verlieren, wenn ich nicht klar kommuniziere und schon gar nicht lässt sich so ein kluger Haflinger die Ideen einer 12-jährigen aufzwingen. 

Stieglitz und ich wurden jedenfalls unzertrennlich. Er hat mich wunderbar erzogen, wie ich finde. 

Schwierigkeiten habe ich mir wohl immer selbst bereitet – was mir Stieglitz aber auch beigebracht hat – ich darf eine Meinung vertreten, aber ich muss sie möglichst klar formulieren. Und mit Grobheit geht da mal sicher gar nichts. Das habe ich mir gemerkt. Zum Glück für immer. 

Reiten ist einfach – absteigen auch

Mit meinem Trakehner Wiesenkobold hatte ich dann 13-jährig endlich mein erstes eigenes Pferd. Und keinen Trainer. Als jugendlicher Crash Test Dummy war ich schon viele junge Pferde geritten.

Trakehner Wiesenkobold 1996

Mit Kobold sind wir dann in einen Stall gezogen, der optimale Trainingsbedingungen für mich und mein Jungpferd stellte. Allerdings war mir kaum ein Trainer sympathisch und ich war bald auf mich alleine gestellt. Aufsteigen und ein bisschen reiten – das war irgendwie total einfach. Nachdem ich Kobold ein paar Monate vom Boden aus ausgebildet hatte, schubste mich der „Graf“ (unser Stallbetreiber) sanft aufs Pferd. Kobold schnupperte an meinen Schenkeln, wusste nichts damit anzufangen. Schon hatte ich eine Gerte in der Hand – ein sehr vorsichtiges Touchieren reichte aus und schon ritten wir unsere Kreise rund um die Reithalle und waren überglücklich. Ich zumindest. Und ich hoffe Kobold auch. Kobold, der später unfassbar gerne den Wind in den Haaren spürte war ein flotter Trakehner mit viel Vollblut. So einfach das aufsteigen war, so war das absteigen noch viel einfacher. Sehr häufig trennten sich unsere Wege und auf unglaubliche Weise bin ich immer heil geblieben. 


„Ein guter Reiter muss mindestens sieben Mal vom Pferd gefallen sein“.

Sprichwort

Dieses Sprichwort kannten wir auswendig und wir haben die sieben locker getoppt in nur zwei Jahren. Kobold starb fünfjährig an einer Kolik. Mit ihm ging erstmals die Leichtigkeit, die ich als Kind und Jugendliche beim Reiten verspürt hatte verloren. Einerseits, weil ich ein unfassbar begabtes und schickes Pferd hatte. Zweitens weil mit Kobold Tod auch meine reitereichen Wurzeln scheinbar verloren gingen. 

Reiten ist einfach – aneinander vorbei reden geht noch viel schneller 

Barilla war eine dunkelbraune Stute, in die ich mich sofort verliebte. Allerdings konnte nicht jeder sofort verstehen, warum ich unbedingt dieses Pferd haben wollte. Barilla und ich verstanden uns auf Anhieb gut. Happy End – so könnte die Geschichte lauten. Allerdings haben wir aneinander vorbeigeredet wie kein anderes Paar. 

Foto 3: Eine bessere Lehrmeisterin hätte ich nicht finden können – Barilla

Der Schädel muss runter. Das Pferd muss flott traben. An die Hand ziehen. Es muss vorwärts und seitwärts gehen können und fliegende Wechsel bitte auch. Mit Barilla trug ich jeden Tag ein bisschen mehr die Leichtigkeit zu Grabe und fragte mich immer wieder, ob es tatsächlich wahr sein konnte, dass man mein Pferd „knacken“ musste. Ich hatte eine Tonne in der Hand, ich war kreuzunglücklich, denn ich wollte doch einfach nur reiten. Ich wollte mit meinem Pferd Freude haben. Aber es ging einfach nie gut. Es war nie leicht. Wir konnten zwar einige Lektionen runter rattern aber leicht war es nie. Wir haben immer aneinander vorbei gesprochen und erst in den letzten zwei Jahren unserer Beziehung habe ich zugehört und verstanden. Ich habe gelernt: Reiten ist doch einfach, wenn man Zusammenhänge versteht und nicht einfach davon ausgeht – dass das jetzt einfach klappen muss. 

Reiten ist nicht einfach- das lerne ich nie 

Ich war fasziniert davon, alle Zusammenhänge im Pferd zu verstehen und dadurch endlich ein besserer Reiter zu werden. Und ich war unheimlich eingeschüchtert. Da gab es die Akademische Reitkunst und alles drehte sich um Hinterbeine. Ich war neugierig und wissbegierig weitere Reiter kennen zu lernen, die ihre Pferde nach diesen Prinzipien ausbildeten. Und ich stellte bald fest: Ich fühlte mich eingeschüchtert durch das enorme Wissen. Ich fühlte mich wie bei „Des Kaisers neue Kleider“, wo scheinbar alle Anderen Fakten sehen und fühlen können – nur ich nicht. Reiten war mit Sicherheit nicht Einfach. 

Reiten ist einfach – stelle dich deinen Dämonen 

Da waren wir nun. Mein Feuerfuchs Tarabaya (Tabby) und ich. Sie mein Traumpferd, Reiten auf ihr – ja doch ein Alptraum. Beim Probereiten wusste ich – DAS ist mein Pferd. Ich war schockverliebt. Für Tabby ging es aber erst mal einen Monat lang zur Stutleistungsprüfung. Und danach kam sie ziemlich durch den Wind zu mir. Ich denke, die vielen Reisen, Reiterwechsel, Umzüge haben es Tabby nicht leicht gemacht. Sie kam die ersten 6 Monate bei mir kaum zur Ruhe. Sie piaffierte ungehalten am Putzplatz und beim Reiten hatte ich Panik, anzutraben. Sie war ein „heißer Ofen“ und mein roter Drache lehrte mich wirklich das Fürchten. Mit 12 war ich so furchtlos auf Stieglitz geritten, auch wenn er regelmässig auf Ausritten durchging. Und nun, mit Ende 20 hatte ich die Hosen gestrichen voll. Ich hatte nun eine Ahnung, wie man Pferde ausbilden könnte, aber wie sollte ich dieses ganggewaltige, temperamentvolle, rote Pferd nun zur Ruhe bringen? Geschweige denn mich selbst zur Ruhe bringen? Wir haben es geschafft. Und zwar mit viel Praxis. 

Reite ist einfach – Übe, übe, übe

Ein echter Meister fällt nicht vom Himmel, der hat mindestens 10.000 Übungsstunden auf dem Buckel. Ich darf beruhigen – bei Tabby und mir waren es deutlich weniger. 

Mit dem „Alter“ wird man erfahrener, abgeklärter. Man hat viel gesehen, man weiß, was alles passieren kann. Ich bin kein Grenzgänger, muss meinen Mut nicht unter Beweis stellen. Lieber bin ich vernünftig vorsichtig, allerdings möchte ich mich durch meine Angst auch nicht klein halten. 

Ich bin Tabby fast ein Jahr lang an der Longe geritten. Ich habe mir Unterstützung gesucht und wurde fündig. Ich ging immer ein bisschen aus meinem grünen in einen aushaltbaren orangen Bereich. Wir hatten Zeit, aber wir wollten es auch schaffen. 2010 kamen wir zusammen und im September 2011 sind wir den schönsten Kurs miteinander geritten. Wir haben miteinander getanzt und ich war so unfassbar stolz auf uns beide, da wir geschafften hatten, was mich vom ersten Seminar mit Bent Branderup in den Bann gezogen hatte: 

Wenn zwei Geister wollen, was zwei Körper können. 

Bent Branderup,

Wir konnten gut miteinander und das haben wir aber auch ein bisschen Durchhaltevermögen, Schweiß und ein paar Tränen zu verdanken. 

Reiten IST einfach. Mach es nicht zu kompliziert

Reiten kann einfach sein. Man muss Wissen nicht immer verkomplizieren. Ich liebe Akademisches Nerding – oder – wie mein Biolehrer früher gesagt hätte –  „Entschuldigen Sie, so spricht man in der Gosse“ – akademisches Hirnwichsen. 

Ich könnte Unterricht beinahe ausschließlich in Latein halten und mit Fachbegriffen um mich werfen. Muss man nicht. Reiten soll einfach sein. Ich vereinfache es nicht, aber ich verkompliziere es auch nicht. Es geht nicht darum, sich „einfach“ drauf zu setzen und zu machen. Aber ich möchte gerne beim Reiten wieder da hinkommen, wie es für mich – jeder darf hier seine Jahreszahl einsetzen – also wie es für mich 1986 war. Einfach. Pur. Schön. Und zusätzlich darf man auch noch ein bisschen mehr wissen. 

Vor ein paar Tagen im Unterricht kam das Thema Üben auf. Ja, manchmal ist es nicht einfach. Wenn klar wird, dass gewisse Dinge doch einfach Übungssache sind. Vorbereitung ist mehr als die halbe Miete. Das zeigen mir meine beiden Lipizzaner C. Aquileia (Konrad) und Amena Tag für Tag. Amena hatte die Woche beinahe durchgehend „frei“ und wurde nur ausgiebig „beschmust“. Körperlich möchte ich mein junges Pferd noch nicht überfordern, mental meint er, ist er zu allen Stücken bereit – und wie wir jüngst bei unserem letzten Online Kurs festgestellt haben: Wurde die Basis solide am Boden ausgebildet – dann kannst du einfach aufsteigen und Reiten. Wie auf einem gut ausgebildeten Pferd, das seine Reitroutine schon lange „intus“ hat. Es ist möglich. Und diesen Schatz möchte ich einfach gut hüten – auch weil ich das Besondere so schätze. So ist ein Ritt auf Amena und Konrad immer noch ein Fest und nichts selbstverständliches. Auch wenn der Konrad so wie in dieser Woche, wo ich diese Zeilen schreibe mal feste gebuckelt hat beim Galoppieren. Davor und danach hatte ich ein Horse High – alles war perfekt – und es ist auch gut daran, erinnert zu werden an die Vorsicht – ich sage bewusst Vorsicht und nicht an die Furcht. 

Pferde bleiben Pferde. Sie stellen uns immer wieder vor neue Aufgaben. 

Reiten ist Einfach, die Arbeit an sich selbst wird vermutlich der größere Weg, aber es lohnt sich unheimlich, ihn zu gehen! 

Reiten ist Einfach – zum Weiterlesen