Kursbericht Jossy Reynvoet – Oktober 2017

Wenn wir mit Pferden zusammen sind, dann brauchen wir keine großen Worte. Wenn es eine Verbindung gibt, ein Band, dann liegt Magie in der Luft –  oder Jossy Reynvoet war wieder mal zu Besuch in Österreich.  Zum Lesen des Artikels gibt es außerdem noch eine musikalische Untermalung/Empfehlung.

You say it best….

Vier Tage lebendiger Austausch mit einem wunderbaren Kollegen – das brachte nicht nur einige gefahrene Kilometer, viele strahlende Gesichter und entspannte Pferde mit sich. Los ging es am Donnerstag Morgen in Wien. Vom Flughafen aus besuchten wir einige vierbeinige Schüler in Niederösterreich. Der Fokus des ersten Unterrichtstages lag ganz beim Thema Rotation und korrekter Biegung. Wir haben uns an diesem Tag mit verschiedenen Pferden beschäftigt: Vom Lipizzaner, zum Knabstrupper, bis hin zu PRE, Lusitanos und einem wunderbaren Cruzado. Das Thema war korrekter Rückenschwung, Erhaltung der Biegung, egal ob beim Longieren oder in der Bodenarbeit das innere oder das äußere Hinterbein verstärkt abgefragt wird.

Jossy, Pascale und ich haben am Barockpferdehof Schoderlee einen wunderbaren Tag gemeinsam mit „Hausherrin“ Verena und ihren „Einhörnern“ verbracht.

It’s amazing how you can speak right to my heart

Am Freitag standen einige Stunden auf dem Programm, darunter auch die erste richtige Kursteilnahme von Conversano Aquileja I. „Konrad“ zeigte sich von seiner besten Seite. Wir haben gemeinsam mit Jossy die Themenschwerpunkte des Vortages beim Jungpferd wiederholt.
Conversano reagiert bereits sehr gut auf die Körpersprache. In der Bodenarbeitsposition nehme ich meine eigene äußere Schulter beim Rückwärtslaufen zurück, das Pferd spiegelt dies in seiner eigenen äußeren Schulter und kommt somit ins Schulterherein, während ich mit der Gerte zeigend, weiterhin den inneren Schenkel des Reiters ersetze und somit den inneren Hinterfuß des Pferdes aktiviere.
Das klappte so gut, dass wir dazu übergehen konnten die Sekundarhilfe Gerte noch besser als äußeren Zügel zu erklären. Konrad verstand sofort, wenn ich mit der Gerte über den Hals in Richtung äußerer Halsoberlinie zeigte, das er das Gewicht von der äußeren Schulter in Richtung innerer Schulter verlagern sollte. Dies klappte dann sogar schon aus einer Cross Over Position, wenn ich meine Longenposition etwas weiter nach hinten in Richtung innerer Hüfte des Pferdes verlagerte.

Der Wechsel in der Longenposition zwischen dem inneren und dem äußeren Schenkel – vom Schulterherein ins Kruppeherein konnte ebenso durch Jossys Input verbessert werden. Im Gegenzug zeigte ich ihm unser gemeinsames Spiel mit der Energie.

Die Übung: Ich gehe neben Konrad und lege meine Hand auf den seinen Rücken in Sattellage. Wenn wir einen guten Tanzpartner haben, dann lassen wir uns ohne Zögern oder Stolpern in Richtungs- oder Taktwechsel führen. Mit Konrad habe ich bereits viel Zeit verbracht, die Energie verschiedener Takte über meine Hand in seinen Körper zu schicken, also ein gemeinsames Antraben und Durchparieren zum Schritt umzusetzen, ohne dass ich dabe selbst in den Trab oder Schritt wechseln muss und ohne eine Einwirkung der direkten Hand zum Kappzaum. Ich selbst bleibe dabei also immer im gleichen Schritt.

Meine Schüler Daniela und Kathi ließen sich an diesem Tag außerdem in Jossys Freiarbeit und seine so genannten Treffen mit den Pferden einführen. Bei diesen Treffen geht es Jossy nicht um eine spezielle Agenda, also um einen speziellen Plan. Wichtig ist nur, eine Bindung zwischen Mensch und Pferd aufzubauen. Auch in der Theorie am Samstag lud Jossy die Teilnehmer ein, doch ab und an einfach Zeit mit dem Pferd schön zu verbringen. Wer sich mit dem „Nichtstun“ und „einfach nur beobachten“ schwer tut, kann doch Lesestunden gemeinsam mit dem Pferd verbringen. Viele Pferde sind es gewohnt, dass ihre Reiter ständig etwas von ihnen wollen oder fordern. Stülpen wir diese Beziehungskonzept auf eine zwischenmenschliche Beziehung, dann würde diese Idee wohl eher auf Ablehnung stoßen. Vielleicht haben wir sogar schon die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn eine Freundschaft im Bezug auf das Geben und Nehmen sehr einseitig verläuft und da Nehmen ständig im Vordergrund steht?

Wieder einmal war es sehr ergreifend zu beobachten wie sich innerhalb einer halben Stunde die Einstellung von Pferd und Mensch dem jeweils anderen gegenüber stark wandeln kann. und manchmal ist es einfach am besten, wenn man wirklich nichts will. Dann ergeben sich die magischen Momente doch fast schon wie von selbst. Beim Gemeinsamen Tanz (oder Lauf) mit dem Pferd kamen die Mädels ganz schön ins Schwitzen – wunderbar zu sehen, wenn sich Vier- und Zweibeiner jedoch im Einklang befinden und Freude an Bewegung teilen.

The smile on your face….

Samstag und Sontag stand dann unser Wochenendkurs mit Jossy am Horse Resort am Sonnenhof am Programm.

In der Theorie erklärte Jossy ausführlich seine Struktur, die bei den ersten Zusammentreffen mit dem Pferd ihren Anfang nimmt.

Jossys Idee von Freiarbeit bedeutet nicht Tricks oder diverse Übungen zu erarbeiten. Es gibt also keine Agenda. Der Mensch soll das annehmen lernen, was das Pferd zu sagen oder zu bieten hat. Sagt das Pferd „nein“, dann muss das ebenso okay sein. Diese Einstellung lässt sich auch in die weitere Arbeit mitnehmen. Jossy riet allen Teilnehmern ständig offen zu sein für die Vorschläge des Pferdes – das gemeinsame Wollen sollte also stets im Vordergrund bleiben, nicht das Müssen.

Die Kommunikation wird dann fortgesetzt mittels der optischen und der physischen Kommunikation. Zur optischen Kommunikation gehört unsere Körpersprache, bei der physischen Kommunikation weicht das Pferd beispielsweise einem gewissen Druck. Es geht hier also um eine direkte, körperliche Einflussnahme.

Sowohl bei der optischen, wie der physischen Kommunikation geht es stets darum sämtliche Signale auf ein Minimum, passend zum steigenden Ausbildungsstand zu reduzieren.

Die ersten Führübungen bestehen dann aus Folgen (Following), Fokus (Focus), Leading (Führung) und dem Zirkel (circle). Beim Folgen führt der Reiter das Pferd hinter sich. Dabei geht es darum, das Pferd tatsächlich hinter sich wahrzunehmen und zu spüren, ohne ständig über seine eigene Schulter nach hinten zu blicken. Beim Fokus wird erstmals frontal geführt, das heißt der Reiter läuft Rückwärts, das Pferd folgt dem Reiter und behält seinen Fokus. Diese Übungen können dann beständig ausgebaut werden. In der „Leading“ Position sollten die Vorderbeine des Pferdes jedenfalls vor den Beinen des Reiters bleiben. Die einzelnen Führtechniken wurden dann später in der Praxis genau überprüft, ebenso wie das gemeinsame Wenden, angehen und anhalten.

Ein Lächeln zauberte Jossy praktisch allen Teilnehmern ins Gesicht. Am Samstag blieben die meisten Reiter am Boden und zeigten den Status Quo ihrer Arbeit. Jossy gab Inputs und Tipps zur Verbesserung der Körpersprache, zu den Führtechniken, zu Stellung und Biegung. Unermüdlich und mit einer enormen positiven Energie strahlte er stets Begeisterung aus.

Ich freue mich für jeden einzelnen Schüler, der von dem Kurs so viel positives mitnehmen konnte.
Besonders stolz bin ich auf unsere jüngste Teilnehmerin Viktoria, die mit ihrem Haflinger „Avanti“ nicht nur einen schönen Ansatz zur Freiarbeit zeigen konnte, sondern auch als einzige nicht nur gebisslos, sondern auch zaumlos mit einem Halsring eine wunderbare Arbeit in Seitengängen, Übergängen und ein wenig Versammlung zeigen konnte. Jossy hatte viele Vorschläge um die Kommunikation der beiden noch feiner zu machen. Ich freue mich schon sehr auf die Fortschritte der beiden.

Aus Wien waren Andrea und ihre Lipizzanerstute Zita angereist, die ebenso wie Kati und Lipizzanerstute Betalka Jossy noch einmal von dieser Rasse deutlich überzeugten. (Sorry, Pascale ;-))

Beide Stuten – sehr unterschiedlich im Typ, aber sehr schnell im Lernen zeigten eine schöne Arbeit mit ihren Mädels.

Drei Isländische Reiter-Pferdeteams waren am Start, die vor allem an der Losgelassenheit und Entspannung sowie an schönen Übergängen feilten. Für Lisa und Sophia war es mit ihren Isis überhaupt Kurspremiere – Susi und Sleipnir waren bereits das zweite Mal dabei – diesmal sogar mit viel Galopp.

Besonders „cool“ waren auch Spanier Idolo mit Eva und Warmblutstute Serenade mit Jaana, die zeigten, was sorgsame Arbeit an der Entspannung bewirken kann.

All day long I can hear people talking out loud

Am Sonntag führte uns Jossy in der Theorie in die Vergangenheit – konkret ging es um die Entwicklung von Jossys Zäumungen Cavemore und Cavesal. Diese Begriffe sind quasi nicht geschützt, daher gibt es einige Kopien des Cavemore oder Cavesal auf dem Markt.

Wie in vielen Fällen zeigt sich: Es ist leicht etwas zu kopieren, aber nicht immer versteht eine Kopie das Original. 

Jossy hat viele Jahre Herzblut, Leidenschaft und Wissen in die Entwicklung gebissloser Zäumungen gesteckt. Beide Zäumungen sind sehr feine Werkzeuge, aber es kommt natürlich hinsichtlich der Anpassung auf das individuelle Pferd und dessen Maße an.

Es gib erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Cavemore-Varianten (Round Type und Stirrup-Type). Wer mehr über die Zäumungen wissen möchte, kann sein Cavesal oder Cavemore direkt auch bei Ralf Schmitt von barock-flair bestellen.

Ich freue mich sehr auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr. Wir feilen bereits an den Terminen :-).

Jossy hat einmal mehr gezeigt, dass weniger oft mehr ist – und am schönsten ist die Harmonie, wenn man keine Worte mehr braucht, ein Lächeln aber ausreicht.