Wie tun, mit den Jungpferden? Die Ausbildung von (Mensch und) Pferden ist immer spannend und jeder Vierbeiner verlangt eine individuelle Vorgehensweise. Jungpferde am Weg beim Erwachsenwerden begleiten – im heutigen Blogartikel erzähle ich aus meiner täglichen Praxis:
Embla – der schwedische Kaltbluttraber, der uns alle in Atem hält
In unseren Breiten sind schwedische Kaltbluttraber recht selten. Wie lässt sich diese Kombination beschreiben? Das Gemüt eines Trabers auf der Rennbahn und das Gewicht eines Norikers. Das beschreibt, denke ich Embla sehr genau.
Sabine zählt zu meinen langjährigen Schülern, wir haben uns kennen gelernt, als Embla gerade mal fünf Jahre alt war. Embla war so gut wie roh bzw. benahm sie sich so und hielt nicht sonderlich viel von uns Menschen. Alles andere war interessanter und aufregender. Da konnte man schon Pech haben, wenn sich 800 Kilo Lebendgewicht in Bewegung setzen und „vergessen“, dass am anderen Ende des Stricks ja ein Mensch „befestigt“ ist.
Die Verzweiflung von Sabine war groß, schließlich hatte sie das Gefühl, keine Verbindung zu ihrem Pferd zu finden. Damals sagte ich ihr immer wieder: „Gebt euch Zeit! Embla ist eine willensstarke Stute und das Vertrauen und die Liebe einer Stute zu gewinnen, braucht sehr viel Zeit und Geduld!“
Sabines Geduld wurde sehr auf die Probe gestellt. Als gezüchtetes Rennpferd verspürte Embla nämlich immer den Drang sich zu bewegen, also war ruhige und konzentrierte Arbeit im Stand nicht die beste Wahl für den Start der Ausbildung. Lange haben wir nach der richtigen Position gesucht, um zu ihr durchzudringen und uns in ihre Wahrnehmung zu schleichen.
Die Bodenarbeitsposition vor dem Pferd brachte die Lösung. Embla nahm den Menschen plötzlich aktiv wahr und versuchte zuzuhören. Oft brachten sie natürlich diverse Geräusche, Spaziergänger oder andere Pferde völlig aus der Fassung. Da ist es dann auch für den Menschen schwer, die Ruhe zu bewahren, wenn man direkt vor dem Pferd ist.
Bald merkte die junge Stute aber, dass sie dem Menschen, der da vor ihr herumlief, vertrauen konnte und ihr nichts Schlimmes passiert, wenn es im Gebüsch mal raschelt.
Damals hätte ich nicht gedacht, dass diese Position noch so wichtig werden würde…
Anfangs haben wir wirklich nur mit Haltparaden und wieder losgehen gearbeitet, um ihre Aufmerksamkeit zu behalten. Immer wieder explodierte das schwere Pferd aus dem Nichts, doch Sabine ließ sich nie beirren und machte einfach weiter. Es war für dieses Pferd wirklich die beste Variante, nicht weiter auf das Verhalten einzugehen. Als die Aufmerksamkeitsspanne länger wurde, konnten wir ihr auch nach und nach erklären, was es für verschiedene Hilfen, gezeigt durch die Gerte gibt.
Als Sabine dann die ersten Spaziergänge in den Wald wagte, kam erneut ein ähnliches Verhalten wie zu Beginn der Ausbildung auf. Embla explodierte und war schwer zu händeln.
Sabine erinnerte sich jedoch schlagartig an die bereits erarbeitete Basis am Boden und bewegte sich schnell, aber bestimmt in die Bodenarbeitsposition vor das Pferd, löste einmal am Kappzaum und das Pferd war plötzlich die Ruhe selbst. So konnte der Ausflug problemlos fortgeführt werden. In „bekannten Gewässern“ war Embla also deutlich zuversichtlicher und selbstsicherer.
Als Sabine mir das erzählte, konnte ich es fast nicht glauben. Aber es war tatsächlich so, egal welche neue Position ihr ungeheuer war, sobald man in die Bodenarbeitsposition wechselte, war sie wieder die Ruhe selbst. So machten wir uns diese Position zunutze, um nach und nach die Longierposition zu etablieren. Immer nur kurze Sequenzen und auch nur im Schritt. Der Trab war für Embla nämlich eine große Herausforderung.
Gezüchtet um zu rennen, was das Zeug hält, mit hoch erhobenem Kopf und festem Rücken – damit konnte Embla etwas anfangen. Was wir jedoch wollten, war ein ruhiger Trab auf einer Kreislinie.
Aber auch diese Routine pendelte sich mit viel Geduld ein und Embla wurde selbstbewusster und immer schöner, denn ihr gesamtes Auftreten veränderte sich durch ihr gewonnenes Selbstbewusstsein.
Wir haben sehr lange mit dem ersten Reitversuch gewartet und gut war es, denn durch die Zeit und die Geduld, die Sabine investiert hat, war hier ein gutes Fundament und eine große Vorarbeit an gegenseitigem Vertrauen geschaffen.
Natürlich gab es auch hier Situationen, wo Embla nicht mehr bei ihrem Menschen war und wie Sabine so schön sagt: „Das Hirn irgendwo abgegeben hatte“. Aber es ist zum Glück (*klopfaufholz*) immer gut ausgegangen und Embla konnte wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt werden.
Sabine musste ihr oft einen Vertrauensvorschuss geben, wenn ich ihr riet, die Zügel länger zu lassen. Ich habe es heute noch bildlich vor mir.
Jungpferde und die Sache mit dem Altersunterschied
Sabine war damals 54 Jahre alt und ich bin nach wie vor beeindruckt, wie sie mir als Trainer damals ihr Vertrauen geschenkt hat. Schließlich war ich gerade mal 22 Jahre alt. Sabine hat mir immer voll und ganz vertraut und war sich immer sicher, dass ich die richtigen Ideen habe und Anweisungen gebe.
Dafür bin ich sehr dankbar, denn es war nicht leicht für mich auch andere Menschen von mir zu überzeugen. Oft stand mir mein Alter im Weg, obwohl ich sehr früh den Weg zur Akademischen Reitkunst gefunden habe und mir dadurch jahrelang Wissen aneignen konnte.
Es wäre gelogen, wenn ich nicht auch sehr viel durch dieses Pferd an Erfahrung dazugewonnen hätte.
Heute ist Embla knappe 9 Jahre alt und sehr viel reifer geworden. In den letzten Jahren hat sich bei Sabine und ihr sehr viel getan.
Alleine letztes Jahr konnte Sabine mit Embla bei ihrem ersten Kurs mit Bent Branderup teilnehmen und auch die Groundwork- und Longenprüfung ablegen.
Ich glaube Sabine war sehr stolz, dieses hoch sensible Pferd in einer fremden Umgebung und vielen fremden Eindrücken bei sich zu haben und durch den Kurs führen zu können.
Auch ich bin nach wie vor sehr sehr stolz auf die beiden.
Mit dem zunehmenden Alter wurde Embla nach und nach ruhiger und bleibt eigentlich so gut wie immer mit den Gedanken bei Sabine. Natürlich kann sie nicht aus ihrer Haut und bleibt wofür sie gezüchtet wurde – ein Rennpferd. Somit kommt diese Eigenschaft immer wieder durch und hält die Arbeit spannend. Ich habe aber nie das Gefühl, Angst um Sabine haben zu müssen, wenn Embla ihre „narrischen“ 5 Minuten hat, denn mittlerweile passt sie auf ihren Menschen sehr gut auf. 🙂
Vor einem halben Jahr hat sich Sabine weiteren Nachwuchs zugelegt. Ganz ohne Jungpferd würde es ja sonst langweilig werden.;)
Ich freue mich auch den jungen Siglavy Wanda – genannt Mozart – durch seine Jungpferdeausbildung begleiten zu dürfen. Sabine hat durch Embla sehr viel gelernt und kann somit sehr selbständig mit ihrem Jungspund arbeiten, sodass ich nur noch zur Kontrolle und für neue Ideen vorbeischaue. Ich bin nach wie vor sehr stolz auf eine meiner ersten Schülerinnen und bedanke mich für das jahrelange Vertrauen und die Treue.
Indigo – ein Rettungs-Jungpferd aus Portugal erobert die Herzen
Den jungen Indigo, einen kleinen Lusitano, durfte ich Anfang 2017 kennenlernen.
Sabine (ja wieder eine Sabine) wandte sich an mich, da sie klein Indigo als Fohlen aus Portugal nach Österreich gebracht hat, da er ein Spezialfall war.
Er wurde im Wald mit seiner Mutter gefunden, komplett abgemagert und verwahrlost. Um gut für ihn sorgen zu können, nahm sie ihn mit nach Österreich.
Als Sabine beruflich nach England übersiedeln musste, wollte sie Indigo nicht noch eine weitere Reise zumuten. Er war mittlerweile ca. 3 Jahre alt.
Also kontaktierte sie mich auf Empfehlung von Anna, denn ihr Wunsch war es, dass der kleine Kerl akademisch ausgebildet wird. Zwei Mal die Woche sollte ich mit ihm arbeiten und ihn nach und nach auf seine Aufgabe als Reitpferd vorbereiten. Diese Chance habe ich gerne angenommen.
Theresa – Indigos Engel – kümmerte sich von Beginn an rührend um ihn und beobachtete mich bei meiner Arbeit ganz genau. Dazu später aber noch mehr.
Mit Ruhe und Gemütlichkeit an die Jungpferd-Ausbildung
Jungperd Indigo war genau das Gegenteil von Embla. Er wollte sich nämlich gar nicht bewegen. Von wegen „feuriger Lusitano“. Wir starteten mit ganz normalen Führübungen – gemeinsames Angehen und Anhalten – auf der linken Seite sowie auf der rechten Seite geführt.
Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen. Links war alles selbstverständlich und gar kein Problem, rechts stand er wie ein Bock und bewegte sich keinen Millimeter. Indigo nahm alles sehr genau unter die Lupe und wollte jeden Schritt ganz genau und präzise erklärt haben – und recht hat er damit! So waren meine Genauigkeit sowie auch Geduld gefragt. Hatten wir den einen Meilenstein erreicht, ging es zum nächsten und auch da war wieder äußerste Genauigkeit und Geduld erforderlich.
Indigo war immer sehr ruhig und gelassen, obwohl er skeptisch neuen Dingen gegenüber war, war er nie hysterisch oder nervös. Das mochte bzw. mag ich immer noch sehr gerne an ihm. Natürlich wurde hier hervorragende Vorarbeit geleistet, indem viele Spaziergänge unternommen wurden und er somit nicht schreckhaft war und jeder „Gefahr“ ins Auge blickte.
Nach und nach erklärte ich ihm die Bodenarbeitsposition, den inneren und äußeren Zügel, den inneren Schenkel, Handwechsel, äußeren Schenkel, … alles konnte man ihm in Ruhe erklären – Hauptsache man ging langsam und geduldig vor und gab Indigo genügend Zeit, die Dinge wahrzunehmen und zu verarbeiten.
Wir hatten ja viel Zeit, da er noch so jung und klar war, dass wir so schnell noch nicht aufsteigen werden.
Bald fügte ich die Longierposition hinzu und wir probierten uns an den Hilfen aus mehr Distanz und in anderen Gangarten. Was für Indigo am schwierigsten war, war das Loslassen im Unterhals. Da hielt er besonders gerne fest und zusätzlich fing er an, mit seiner Zunge zu nuckeln wenn ihm etwas schwer viel oder etwas neu war, was natürlich auch ein Festhalten des Kiefers zur Folge hatte. Aber auch das bekamen wir in den Griff und er lernte, sein Vertrauen in die Hand des Menschen zu legen.
Wenn die Jugend Interesse am Jungpferd zeigt
Eines Tages fragte mich Theresa, die sich sonst immer um Indigo kümmert, ob sie mit ihm arbeiten könnte und ich sie unterrichten würde. Ich war überrascht, denn anfangs war ich mir nicht sicher, ob ihr diese Art des Umgangs mit dem Pferd überhaupt zusagt. Theresa war damals glaube ich 15, wenn mich nicht alles täuscht und ich freute mich über das Interesse und stimmte freilich zu.
Ich war baff! Sie setzte alles genauso um wie ich, sie wusste wie man etwas korrigiert und sie sah und fühlte es auch. Ich musste beinahe nichts mehr erklären, Theresa hatte alles beim Zuschauen gelernt. Es war wirklich toll zu sehen, wie manche Menschen visuell lernen und es dann einfach umsetzten.
Das ist auch wieder der Beweis, dass beispielsweise Online Kurse ihre totale Berechtigung haben und eine tolle Alternative sind, wenn man keinen Trainer vor Ort haben kann. Falls dich ein solches Angebot interessiert, klicke auf den Countdown rechts oben!
Nach diesem Erlebnis wechselnden wir uns mit der Arbeit ab, Theresa und Indigo bekamen jede Woche Hausaufgaben und ich arbeitete auch einmal in der Woche.
Sabine besuchte uns regelmässig und jedes Mal war es eine große Freude, ihr Indigos Fortschritte zeigen zu können.
Als Indigo bereits Meister in der Boden- und Longenarbeit war, ging es weiter zur Handarbeit sowie zum Crossover. Der Crossover war Indigos und Theresas Lieblingsdisziplin, meine die Handarbeit. Endlich hatte ich ein Pferd in der richtigen Größe dafür. (Meine Amira misst ja doch 1,65 Meter Stockmaß und erschwert mir die Handarbeit dadurch ungewollt.)
Ein bisschen Spaß muss sein, dann …
Theresa und Indigo nahmen immer alles mit Humor wenns mal nicht klappte und sie in einer Ecke landeten wo sie eigentlich gar nicht hinwollten. Es war eine wahre Freude den beiden zuzuschauen, mit welcher Leichtigkeit und Harmonie die beiden miteinander umgingen. Und letztendlich kamen die beiden doch zu ihrem erhofften Erfolgserlebnis und gewünschten Ergebnis.
Natürlich kam der Zeitpunkt, wo Indigo zum Reitpferd werden sollte. Theresa hatte es schon ganz alleine spielerisch mit dem Aufsteigen versucht. Indigo nahm das alles gelassen. Das erste Mal in Bewegung unter einem „Reiter“ haben wir gemeinsam gewagt – Indigo war wie bei allen „Neuigkeiten“ etwas skeptisch – aber mit Ruhe und Gelassenheit ging auch das schnell vorbei.
Heute ist Indigo 6,5 Jahre alt und nicht mehr unser kleines Fohli, sondern ein mutiges Reitpferd, das viel Freude an der Bewegung hat. Natürlich kommt die Bodenarbeit weiterhin nicht zu kurz und bereitet immer noch große Freude. Aktuell spielen wir uns mit Ansätzen zur Versammlung, dem Schulhalt und Übergängen.
Ich bin nur noch einmal in der Woche oder manchmal auch nur alle 2 Wochen bei den beiden, um zu schauen wo ich ihnen weiterhelfen kann. Als ich dann zu Weihnachten selbst das erste Mal meinen kleinen Schützling geritten bin, war ich sehr stolz darauf, was aus ihm geworden ist.
Ich bedanke mich auch hier bei Sabine für ihr Vertrauen, die mich damals mit ins „Team Indigo“ geholt hat und auch bei Theresa, die mir immer eine große Stütze war.
Ich hoffe ich kann dieses Team noch viele weitere Jahre unterstützen und begleiten.
Letzte Kommentare