Pferdeausbildung stellt uns generell vor knifflige Aufgaben. Egal ob wir ein junges Pferd ausbilden, ob wir ein älteres Pferd umschulen oder dem Senior eine schonende und durchdachte Gymnastik angedeihen wollen – wir Pferdemenschen werden uns immer den Kopf zermartern, ob unser Tun wohl richtig ist. Und was mir besonders gut gefällt – selbst wenn wir unter Anleitung ausbilden, dann fragen wir erst recht nach.
Der Inspektor Columbo feiert sein Comeback
Der schrullige Inspektor Columbo hat für den Tatverdächtigen immer noch eine Frage parat. Wenn mich meine Schüler Löcher in den Bauch fragen, dann freut mich das heute. Früher habe ich mich das selbst nicht getraut.
Die Angaben meiner Reitlehrer waren doch mit Sicherheit richtig, nie hätte ich an der Kompetenz gezweifelt, wenn diverse Schleifen und Pokale doch Aufschluss über die Sattelfestigkeit des Trainers gaben.
Das wurde mit dem Suchen und Finden der Akademischen Reitkunst anders. Jede Frage hat praktisch neue Fragen aufgeworfen. Jeder Reiter hat einen kleinen „Inspektor Columbo“ in sich, der Löcher in den Bauch fragt.
Wer mit dem Inspektor Columbo nichts anfangen kann – der schrullige Detektiv mit italienischen Wurzeln hat seit 1968 zahlreiche TV-Seher in den Bann gezogen. Dargestellt von Peter Falk war es schwer, Columbos Charme, aber auch seinem unverbesserlichen Spürsinn zu widerstehen. Typisch für ihn ist, die „letzte Frage“, die bei jedem Aufeinandertreffen von Inspektor und Tatverdächtigen, letzteren in die Weißglut treibt.
Pferdeausbildung mit Sicherheit
Kann man mit Sicherheit sämtliche Fehler ausschließen und alles perfekt machen in der Pferdeausbildung?
Nein! Das kann man nicht und wird man auch nicht können!
Pferdeausbildung ist ein sehr individueller Prozess. Wenn ich meine Gedanken hier in meinem Blog oder im Podcast formuliere, dann denke ich immer an ein ganz spezielles Pferd. Entweder an meine eigenen zwei Stuten oder die zwei Lipizzaner Herren, die mich vor so manche Aufgabe stellen. Ich teile mit euch die Freude. Vor der geteilten Freude nehme ich mit meinen Schülern gemeinsam auch viele Hürden und wir lösen Probleme.
Wann immer ich über eine Lösung in der Pferdeausbildung berichten kann, dann ist diese Lösung freilich aus der Arbeit, aus dem Tüfteln, aus der Erfahrung und aus den Antworten meiner Pferde heraus entstanden.
Klar gibt es einen Weg und eine Möglichkeit, wie man etwa mit dem Jungpferd beginnen sollte.
Am Anfang steht der Beziehungsaufbau, die Bindung, die zwischen Ausbilder und Pferd entstehen soll, steht im Zentrum. Man lernt sich kennen und registriert die kleinen Feinheiten, die das Gegenüber ausmachen. Steht man gerne nahe zusammen? Oder legt der Partner Wert auf einen größeren Abstand? Gibt man einander Sicherheit? Gibt es favorisierte Kraulstellen? Kann das Pferd schon ein wenig zuhören? All diese Indizien geben auch darüber Aufschluss, wie sich unser vierbeiniger Schüler im Klassenzimmer verhalten wird.
Kann die weitere Ausbildung immer nach Schema F verlaufen?
Schon alleine anhand meiner vier Pferde muss ich diese Frage verneinen:
Als Tarabaya, genannt Tabby 4 Jahre alt war, mochte sie sich unbedingt bewegen. Wir haben am Boden hauptsächlich an der Longe gearbeitet, Bodenarbeit in Frontposition war aufgrund des überwiegenden Schubes und des Temperaments schwierig – auch wegen unseres ungleichen Größenverhältnisses. Das pompöse Auftreten meiner Fuchsstute war jedoch gepaart mit einer großen Unsicherheit. Tabby musste immer davon überzeugt werden, dass die gestellte Aufgabe zu bewältigen ist.
Ganz das Gegenteil ist Conversano Aquileja I, genannt Konrad. Konrad war von Anfang an sehr selbstbewusst und überzeugt, jede Aufgabe mit Leichtigkeit lösen zu können. Super neugierig und stolz wie Oskar wuchs das Selbstbewusstsein freilich auch mit jeder gelösten Herausforderung. Ähnlich ist das bei Maestoso Amena. Amena fragte im Alter von 3 Jahren jedoch etwas häufiger als Konrad nach, wenn er sich ob der Sinnhaftigkeit gewisser Übungen (Abspritzen am Waschplatz für die Säuberung und Kühlung des Schimmeltiers) überzeugen muss.
Pina Colada möchte alles richtig machen, muss aber oft gebremst werden, wenn sie sich in einer Sache „verrennt“. Dann wird sie hektisch – und sie nimmt gerne gewisse Aufgaben vorweg und kann nicht auf den Reiter warten. Hier ist es schwierig, das introvertierte Pinchen ausreichend zu bestärken, gleichzeitig aber nicht im vorauseilenden Gehorsam zu bestätigen.
Mental gesehen ist die Ausbildung bei jedem Pferd anders – physisch kann sich die Ausbildung einer Sekundarhilfe für das Kruppeherein in der Bodenarbeit ähnlich gestalten, da der Weg aber so individuell ist und eben auch den „Spirit“ des Pferdes mit einbezieht, kann es eben kein Schema F geben.
Aus jeder noch so kleinen Sackgasse lernen wir jedoch als Ausbilder unserer Pferde dazu. Und – wenn wir in kleinen Schritten vorgehen, dann machen wir auch nicht so viel „kaputt“.
Daher ist die korrekte Vorbereitung das Um und Auf in der Pferdeausbildung. Wenn wir schon vorher einen guten Plan geschmiedet haben, dann können wir im Zweifel etwaige Sackgassen und Stolpersteine aus dem Weg räumen.
Konkrete Fragen – konkrete Antworten
- Welche Schwierigkeiten und Hürden könnten auf mich zukommen, wenn ich mein Pferd an den Kappzaum gewöhne? Welchen Kappzaum würde ich aufgrund dieser Vorstellung auswählen?
- Wie werde ich mein Pferd an den Kappzaum gewöhnen?
- Wie werde ich die ersten Führübungen am Kappzaum gestalten?
- Wo stehe ich?
- Wo steht mein Pferd?
- Welches Tempo wähle ich?
- Welches Tempo sollten wir durchhalten?
- Wie stelle ich mir ein gemeinsames Anhalten und vorwärts angehen vor?
Diese und viele weitere Fragen im Detail ausgearbeitet, unterstützen bei der Ausbildung.
Darf ich dem Trainer widersprechen?
Die meisten Pferdeleute lassen sich von einem Trainer unterstützen. Das ist super. Super ist auch, wenn man den Trainer löchern darf. Ich habe mit Anfang 20 mein Bauchgefühl häufig runter geschluckt und es mir mit der Begründung „Der weiß schon was er macht“ äußerst leicht gemacht, meinem Pferd dafür einige Hindernisse in den Weg gestellt.
Heute fragen mich meine Schüler Löcher in den Bauch. Das ist gut so. Und manchmal waren wir auch nicht sofort einer Meinung. Mittlerweile nehme ich das Bauchgefühl meiner Schüler sehr ernst. Ich versuche immer eine noch bessere Erklärung zu finden, noch bessere Bilder zu zeichnen und bin offen für die Ideen meiner Schüler.
Manchmal kann es für den Trainer auch schwierig sein, über die „stille Post“ Anregungen und Ideen des Ostheopathen oder Chiropraktikers übermittelt zu bekommen – noch dazu, wenn man sich nicht kennt und nicht über die Arbeit des Anderen bescheid weiß.
Hier hilft es aber, sich mit den Kollegen zu vernetzen und sich über die betreffenden Pferde auszutauschen.
Für die Pferdeausbildung ist es ein großer Vorteil, wenn sich Besitzer (dessen Bauchgefühl), Experten für den Bewegungsapparat und Trainer absprechen.
Wie viel Abwechslung braucht ein Pferd?
Auch das ist individuell. Mein Konrad braucht mit seinen fünf Jahren viel Abwechslung, aber Beständigkeit im „Fach“. Das heißt wir wechseln zwischen Bodenarbeit, Longieren, ein bisschen Reiten, Spaziergänge im Wald usw. ab. Die Inhalte im Fach Bodenarbeit variieren aber nicht ständig. Hier geht es um Kontinuität, Konzentration und Verlässlichkeit im Lernen der Hilfengebung. Tabby und Pina sind heute, Ende 2019 14 und 16 Jahre alt. Sie sind Routinen gewohnt und schätzen das auch. Amena ist happy, wenn man etwas mit ihm macht. Egal was. Mein Bauchgefühl sagt aber auch: Zu häufige Wiederholungen machen den grauen Jungspund mürbe.
Die Beziehungsarbeit wird dem Bauch schon einen guten Tipp einflüstern – wichtig ist jedoch hier nicht uneingeschränkt von sich auf das Pferd zu schließen. Sehr oft war die Aussage des Besitzers:
„Mein Pferd langweilt sich so schnell“.
Eigentlich eine Aussage, die besser eher auf den Zweibeiner, als auf den Vierbeiner zutraf.
Also einfach testen und hinhören.
Mein Jungspund Konrad beispielsweise kommt sofort angerannt, wenn wir am Vortag etwas ganz tolles gemacht haben (Seiner Meinung nach ist Versammeln etwas ganz feines, da fühlt er sich stolz. Konditionstraining in Punkto Ausdauer findet er absolut unnötig und langweilig).
Konrad gibt mir also die Antwort über die Qualität der letzten Stunde.
Und ansonsten gibt es auch in den folgenden Beiträgen noch ein paar Tipps:
- Von Opern und Lipizzanern
- Nicht zu lange nicht zu eintönig
- Schaffst du es alleine?
- Konrads erstes Jahr
Bin ich zu langsam für die Ausbildung?
Wer gibt die Ausbildung vor? Das Pferd! Und sicherlich keine Profis von der Bande. Wer sich selbst auch mehr Zeit nehmen möchte, der möge das tun!
Wir müssen ja nirgends ankommen, außer Zeit schön zu verbringen. Ein Pferd kann komplett weit am Boden ausgebildet sein. Beim Reiten ist man eher bei den ersten Schritten – auch das ist möglich – und fragt man das Pferd – das freilich kein Endziel vor Auge hat, wird alles gut sein so wie es ist.
Was ist wann dran?
Ich versuche einen kleinen Abriß zu starten:
- Beziehungsarbeit
- Elementare Führübungen
- Erarbeiten der Sekundarhilfen in der Bodenarbeitsposition
- Erarbeiten von Stellung und Biegung
- Erarbeitung der Formgebung der Oberlinie
- Verfeinerung der Sekundarhilfen in der Bodenarbeitsposition
- Longieren
- Arbeit mit den Seitengängen
- Arbeit mit den Schwungrichtungen (vorwärts abwärts und vorwärts aufwärts sowie versale und traversale Schwungrichtungen)
Das wäre mal so der Abriss für den Beginn am Boden, den ich mit meinen Schülern und auch im Bodenarbeitskurs durchlaufe!
Kann ich schon anfangen Kruppeherein beizubringen?
Meine Pferde lernen alle sehr früh die zeigende Gertenhilfe über dem Rücken kennen.
Die Pferde lernen verstehen, dass ich gerne eine gleichmässige Balance zwischen den Schultern, wenn das äußere Hinterbein zum Schwerpunkt tritt. Das wäre mal so das Endprodukt.
Allerdings nagle ich die Pferde freilich nicht am Endprodukt fest – wir erarbeiten das ganz spielerisch, zunächst noch am Halfter, da ist mir eine Formgebung der Oberlinie noch gar nicht wichtig. Je besser das Pferd dann die zeigende Gertenhilfe versteht, umso eher kann ich dann Formgebung hinzufügen und dies dann nach und nach in verschiedene Übungsfolgen mitnehmen und auch im praktischen Gebrauch erproben – wie beispielsweise beim Einparken an der Aufstiegshilfe.
Zweifel ist gut, Kontrolle besser
Jeder Pferdeausbilder wird Zweifel haben. Jeder sollte dem Bauchgefühl nachgehen und die Botschaften, die leise eingeflüstert werden überprüfen. Und Unterstützung durch den Profi ist natürlich auch immer ratsam – dann fühlt man sich auch nicht so alleine.
Weil eine Stallgemeinschaft Gleichgesinnter oft schwierig herzustellen ist, wenn man im Niemandsland unterwegs ist und auch der Trainer nicht um die Ecke wohnt, habe ich ein ganz besonderes Herzensprojekt umgesetzt. Wenn du mehr darüber wissen möchtest – klicke hier
Die Fragen für den heutigen Beitrag, den du übrigens auch in Kürze nachhören kannst, kamen per Mail von einer Newsletter-Abonnentin an mich. 🙂
Du kannst dir auch jederzeit sehr gerne ein bestimmtes Blog-Thema von mir wünschen.
Ich schreibe sehr gerne für dich!
Alles Liebe
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