…und rein ins Abenteuer
Jeder Mensch hat eine Komfortzone. Diese gibt es für viele Bereiche im Leben. Ob in der Arbeit, im Sport, der Familie oder eben gemeinsam mit dem Pferd.
Kann man Komfortzonen erweitern bzw. ist es möglich diese zu Verlassen und damit Erfolge zu feiern?
Mehr dazu in meinem heutigen Blogbeitrag 🙂
Vor kurzem war ich bei einer Schülerin, die bei unserer Einheit richtig über sich hinausgewachsen ist.
Wenn sie mit ihrer Stute arbeitet, arbeitet sie am liebsten vom Boden aus. Da fühlen sich beide sicher und bewegen sich in ihrer Komfortzone.
Wenn es jedoch an das Thema „Reiten“ geht, gibt es keine Komfortzone mehr.
Zu viele Stürze und Schreckmomente haben das Reiten zu einer schwierigen Aufgabe gemacht.
Die Stute war bereits bei der Bodenarbeit gesattelt, der Wille heute zu reiten, war also da.
Die Komfortzone: „Sie wünschen – wir spielen“
Als es dann tatsächlich darum ging aufzusteigen, schwand der Mut jedoch schnell. Schlussendlich saß meine liebe Schülerin dann aber doch am Pferd und grinste über beide Ohren. Die beiden legten eine grandiose Einheit hin und waren danach mächtig stolz auf sich und ich natürlich auch. – Danke an dieser Stelle für dein Vertrauen!
Viel zu oft verstecken wir uns hinter dem, was wir bereits können. Was ist aber mit dem was wir nicht können bzw. wo wir glauben, dass wir es nicht können?
Die Komfortzone, Stärken vs. Schwächen
Es ist immer gut zu wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen und wo auch die des Pferdes liegen. Stärken sind wichtig, um Selbstvertrauen und Mut zu gewinnen. Schwächen sind dazu da, um an ihnen zu wachsen.
Viel zu oft erwähnen wir unsere Schwächen, aber viel zu selten arbeiten wir daran.
Das Thema Stärken und Schwächen, ist ein besonders großes Thema. Darüber könnte man wohl viele Blogbeiträge füllen.
Es ist vor allem ein besonders wichtiges Thema.
Zu wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen, kann in der Ausbildung sehr hilfreich sein.
Genauso ist es wichtig zu erkennen, wo die eigenen Grenzen liegen, das darf man keinesfalls vergessen.
Wenn ich davon spreche, die Komfortzone zu verlassen, dann immer nur in kleinen Etappen. Es geht nie darum, sich zu überschätzen und übermütig zu werden.
Ein Praxisbeispiel zur Komfortzone
Meine Stute Amira und ich hatten in der Vergangenheit zwei sehr ungute Erlebnisse.
Diese zwei Erlebnisse spielten sich in den ersten 3 Monaten unseres Zusammenseins ab und prägten unsere Zusammenarbeit sehr.
Im ersten Monat stürzte ich schwer bei unseren ersten Trabversuchen in der Reithalle. Ich besaß nur einen Fellsattel und war diesen bereits von anderen Pferden gewohnt und hatte nie das Gefühl ein Balanceproblem darin zu bekommen. Als Amira aber die Balance verlor, verlor ich diese auch und das Tempo wurde immer schneller und schneller, bis wir in einen Galopp fielen. Das Pferd war mehr Motorrad in der Kurve als sonst was und ich rutschte samt dem Sattel immer weiter nach außen. Als Amira dann noch dazu eine zackige Wendung machte, war es vorbei. Ich flog geradeaus in die Bande. Ich hatte großes Glück, es war nichts gebrochen und es gab nur oberflächliche Wunden. Jedoch habe ich seither Probleme mit meinem Rücken.
Der Schock saß bei uns beiden tief, denn Amira wollte mich keinesfalls loswerden, sondern war einfach selbst mit der Situation überfordert.
Das zweite Erlebnis folgte zirka 2 Monate später bei einem Ausritt. Mittlerweile hatte ich einen richtigen Sattel und wir waren schon mehrmals im Gelände mit Begleitung. Dann folgte der erste Galopp. Amira war super brav und gelassen, daher wagten wir etwas später noch einen zweiten. Amira ging mit mir so dermaßen durch, dass ich wirklich Angst um unser Leben hatte. Mir war klar, falle ich runter, dann geht das nicht so glimpflich aus wie letztes Mal. Laufen wir weiter in diese Richtung und bremsen nicht, dann werden wir auf der Hauptstraße landen. Ich hatte keinerlei Kontrolle mehr. Weder über die Richtung noch über das Tempo. Der einzige Vorteil war, dass Amira den Heimweg noch nicht kannte und bei einer Weggabelung, ganz kurz vor der Straße, unsicher wurde. Das war mein Moment, um sie zu stoppen.
Danach brach ich in Tränen aus und war fix und fertig. Wir waren weit weg von Zuhause und somit stieg ich wieder auf und es ging im Schritt nach Hause.
Danach gab es kein Ausreiten mehr für uns. Ich ging, glaube ich, ein Jahr lang nur spazieren, danach folgten Schrittausritte gemeinsam mit einem Verlasspferd, bis zu alleinigen Schrittausritten. Wir bewegten uns ständig in unserer Komfortzone und fühlten uns dort auch wohl.
Jedoch war mir klar, eines Tages sollten wir diese Komfortzone wieder verlassen bzw. diese erweitern.
So folgte an einem Tag der Trab und an einem anderen der Galopp im Gelände. Was soll ich sagen? Es war kein Vergleich mehr zu früher. Ich war mächtig stolz auf uns beide.
Für mich war dieses Erlebnis der größte Meilenstein in unserer gemeinsamen Zeit. Zu wissen, dass ich abschätzen kann, wie weit ich gehen kann, hat mir unheimlich viel Selbstvertrauen gegeben und somit auch Amira.
Genie oder Wahnsinn in der Komfortzone?
Was ich damit sagen möchte ist, dass man doch ab und an mal mehr an sich und sein Pferd glauben sollte und nicht immer nur am gleichen Thema weiterarbeitet. Jedoch ist es wichtig, nichts zu überstürzen und die Grenzen zu kennen.
Hier Amira und ich nach unserem ersten Kurs in einer fremden Umgebung.
Das traute Heim verlassen und in einer neuen Umgebung zu arbeiten, war definitiv auch ein Verlassen unserer Komfortzone. Amira war so souverän, dass ich mein Glück kaum fassen konnte! Seither habe ich keine Sorge mehr, mit ihr an einem Kurs teilzunehmen.
Hat Komfort immer mit Angst zu tun?
Nein! Komfortzonen müssen nicht mit einem bösen Erlebnis oder Angst in Verbindung stehen. Manchmal reicht der Gedanke, für etwas noch nicht bereit zu sein oder zuerst jedes kleine Detail ausgearbeitet zu haben, bevor man sich einen Schritt weiter wagt.
Das Streben nach Perfektion kann sehr oft ein kleiner Stein im Weg sein. Die Liebe zum Detail ist natürlich sehr löblich und sollte auch nicht verloren gehen, jedoch bin ich der Meinung, dass auch der Mut einen Fehler zuzulassen notwendig ist, um in der Ausbildung voran zu kommen.
Heutzutage wird man von allen Seiten mit Adleraugen betrachtet, ob man nicht irgendwo einen Fehler macht. Gerade wenn man an Kursen teilnimmt, wird man von vielen Augenpaare begutachtet und vielleicht sogar ausgerichtet. Es wird sofort gesehen, was Pferd und Reiter noch nicht können, jedoch nicht was sie bereits gut können.
Daher arbeitet man lieber an den Dingen, die schon klappen, bevor man dem Publikum Gesprächsstoff liefert.
Aber wo ist der Sinn dabei? Nehme ich Unterricht oder nehme ich an einem Kurs teil, dann mache ich das nicht, um zu zeigen was wir besonders gut können und muss auch nicht beweisen, dass ich fehlerfrei bin.
Natürlich ist es schön, besonders viel Lob für die bereits geleistete Arbeit zu bekommen, aber ich bin dort, um zu lernen und gerade an den Schwierigkeiten, die sich eingeschlichen haben, zu arbeiten. Bewege ich mich immer nur in meiner Komfortzone und lasse keine Fehler zu, dann wird auch das Weiterkommen länger dauern.
Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen und nicht um sie zu vermeiden.
Komfortzone auch für das Pferd oder nur für den Mensch?
Auch unsere Pferde haben eine Komfortzone, in der sie sich besonders wohl und sicher fühlen.
Meine Stute zum Beispiel, zweifelt sehr oft an sich selbst. Gerade das Thema Versammlung scheint für sie unerreichbar.
Aktuell muss sie sich jedoch wegen ihrer Gesundheit aus ihrer Komfortzone bewegen. Normalerweise arbeiten wir gerne auf großen Linien und mit großen Bewegungen, dafür ist sie schließlich gezüchtet.
Vor einigen Monaten war sie jedoch plötzlich lahm und es war recht unklar, worum es sich handelt. Im Endeffekt stellte sich heraus, dass sie wohl eine springende Kniescheibe hat, die zu plötzlichen Schmerzen bzw. zu einer plötzlichen Lahmheit führen kann.
Was nun? Große Bewegungen und eine Extension der Gelenke sind nicht förderlich. Genau das, wo unsere Stärke liegt, dürfen wir nicht nutzen. Laut Tierarzt hieß es Muskulatur rund um das Knie aufzubauen. Aber wie? An diesem Abend philosophierte ich mit meinem Freund, der Humanmediziner ist, und sein Vorschlag waren Kniebeugen, wie beim Menschen. Natürlich hatte er recht und das war auch mein erster Gedanke. Kniebeugen für Pferde – also Schulparaden. Zum Glück hatte Amira schon vor langer Zeit die Idee zur Schulparade entwickelt und so arbeiten wir daran weiter und versuchen nun das Beugen der Gelenke in die Bewegung mitzunehmen. Definitiv bewegen wir uns hier nicht mehr in der Komfortzone meiner Stute, aber es ist notwendig, um sie wieder fit zu bekommen.
Nach und nach entwickelt sie die richtigen Ideen und platzt fast vor Stolz. Unsere gemeinsame Komfortzone ist wieder um ein mächtiges Stück gewachsen und wir feiern schöne, gemeinsame Erfolge.
Bereit für ein Abenteuer?
Das Verlassen von Komfortzonen kann ein richtiges Abenteuer werden. Manchmal bringt es uns einen riesigen Sprung weiter, manchmal erfahrt man dadurch woran man noch weiterarbeiten muss bzw. wo Detailarbeit doch noch notwendig ist.
Stärken können dadurch besser genutzt werden und auch Schwächen können mit dem notwendigen Mut und Einfühlungsvermögen zu Stärken werden.
Man wächst gemeinsam und vor allem noch besser zusammen.
Manchmal braucht man für das Verlassen von Komfortzonen und dem Erkunden von neuem Terrain einen kleinen Schubs. Sei es vom Trainer, der an einen glaubt, ein gesundheitliches Problem, welches einen dazu „zwingt“ oder einfach das eigene Bauchgefühl, welches die Gedanken übertönt.
Trauen wir uns manchmal über uns hinaus zu wachsen und wissen wir wo unsere Grenzen liegen, dann reiten wir einfach
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