Konkurrenzdruck oder Zusammenarbeit? Immer alles Eitel Wonne oder Unsicherheit? Wie gehen Trainer untereinander mit Konkurrenzdruck um?

In meinem letzten Blogartikel habe ich mich mit Bent Branderup über die Frage unterhalten, wie viel Versammlung in der Jungpferdeausbildung vorkommen darf. Dabei habe ich auch filmisch meine Arbeit mit unserem Maestoso Amena festgehalten. Den Beitrag sowie das Video mit unserem Amena könnt ihr hier nochmal nachlesen bzw. nachschauen.

Meine Kollegin Alexandra Bohl aus Deutschland haben Beitrag und Video nachdenklich gestimmt – auf Facebook hat sie ihre Gedanken veröffentlicht:

Auf Alexandras Facebook Seite gab es zahlreiche Reaktionen zum Thema

Alexandra schreibt auf ihrer Facebook Seite:

Meine Kollegin Anna Eichinger hat einen wie ich finde sehr schönen Blog zum Thema Jungpferdeausbildung geschrieben, in dem sie die Frage stellt, wie viel Versammlung für ein junges Pferd gut ist.

Beim Lesen dieses Artikels und beim Anschauen des Videos, das darin eingebunden ist, konnte ich Anna in ihren Ausführungen immer wieder zustimmen. Dennoch kam in mir eine leichte Panik auf, als ich sah und las, wie weit sie in der versammelnden Arbeit mit ihrem 4,5jährigen Lipizzaner Amena ist.

Meine Havanna, eine PRE-Stute, ist gleich alt, aber in ihrer Ausbildung noch weit von den Versammlungsfähigkeiten Amenas entfernt. Da ich zwar ebenso lizensierte Trainerin, aber halt auch nur ein Mensch bin, fing ich sofort an, meine ausbildende Arbeit mit Havanna zu hinterfragen. Gehe ich zu langsam vor? Habe ich in der Basisarbeit etwas übersehen? Unterfordere ich mein Pferd?

Nach diesen ersten Anfällen mentaler Schnappatmung fing mein Hirn an, sich einzuschalten, so dass ich ohne den mir selbst auferlegten Konkurrenzdruck die Gelegenheit lieber nutzte, meine bisherige Arbeit mit Havanna Revue passieren zu lassen:Ganz schnell wurde mir klar, dass es gar nichts bringt, einen direkten Vergleich zwischen den beiden Pferden anzustellen. Das ist ein wenig so, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen (beides tolle Obstsorten). Die offensichtlichen Gemeinsamkeiten sind das gleiche Alter und die Ausbildung in der Akademischen Reitkunst (was ja per se nicht heißt, dass es zwangsläufig nur einen einzigen Ausbildungspfad gibt).

Diese Faktoren hatten mich getriggert und mich in den Fallstricken alter Glaubenssätze verfangen lassen. Stattdessen sind es doch gerade die Unterschiede zwischen diesen beiden Pferden, die ja auch das untermauern, was Anna in ihrem Blog zu bedenken gibt.
Als PRE mit Cartujano-Anteil ist Havanna sehr mobil. Diese extreme Beweglichkeit bedingt aber leider eine Steifheit in den körperlichen Bereichen, wo beim angehenden Reitpferd statt Steifheit vielmehr Beweglichkeit und Stabilität gefragt sind. Meine Osteopathin, die Havanna regelmässig betreut, hat das so erklärt: Mit der Hypermobilität geht eine Instabilität einher, die dazu führt, dass Havanna sich z.B. im Rücken gerne festhält – weil ihr das das Gefühl von Stabilität gibt (der Rücken ist natürlich nicht der einzige körperliche Bereich, wo das passiert …). Die Herausforderung in der Ausbildung liegt also darin, den Rücken beweglich zu bekommen, damit sich der Schwung durch den ganzen Körper hindurch entwickeln kann. Nur dann können die Hinterbeine weit nach vorne unter die Masse hinein schwingen. Gleichzeitig darf eine stärkere Schwungentwicklung Havanna nicht noch instabiler werden lassen, sondern muss vielmehr durch korrektes Training zu mehr Stabilität verhelfen. Ähnlich wie Anna greife auch ich zu einer Mischung aus Vorwärts und Versammlung. Stoße dabei aber schnell an Havannas Grenzen, dass sie auch wirklich in eine gute Stabilität findet und nicht Hypermobilität durch Festigkeit ersetzt. Das ist ein Ausbildungsprozess, der so lange dauert, wie er eben dauert.Havanna ist eine sehr willensstarke Stute, die gerne widerspricht 😉. Damit sie gerne mitarbeitet, muss sie wirklich von meiner Kompetenz überzeugt sein. Dass ist bei einer zwischendurch leicht größenwahnsinnigen pubertierenden Jungstute nicht immer ganz einfach.

Auch hier hat mir die Zeit geholfen. Statt mich mit Havanna zu streiten, versuche ich immer, etwas zu finden, was sie motiviert. Jetzt, im Alter von 4,5 Jahren ist deutlich zu merken, dass Havanna erwachsen wird. Sie kann sich länger konzentrieren und der Widerspruchsreflex weicht mehr und mehr der Freude zur Kooperation.Je mehr ich die vergangenen Jahre mit Havanna Revue passieren lasse, umso deutlicher kann ich voller Freude und Stolz sehen, welch große Entwicklung sie durchgemacht hat. Über viele Wochen hatte ich mit ihr das Aufsteigen von der Aufsteighilfe geübt, jetzt habe ich sogar schon im Gelände ein paar wunderschöne Meter auf ihrem Rücken genossen. Und was soll ich sagen. Dort fühlt es sich so geil an, dass ich definitiv mehr davon kosten möchte.Alles zu seiner Zeit.Vielen Dank, liebe Anna Eichinger, für Deinen schönen Blog, der mich so zum Reflektieren angeregt hat.

Facebook, Alexandra Bohl

Wir haben unsere Beiträge gegenseitig gelesen – und da kommt dann freilich die Frage auf – warum nicht gleich direkt darüber sprechen – und diese Gedanken dann auch teilen:

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Über Alexandra Bohl:

Alexandra Bohl lebt eine gute Stunde von Frankfurt entfernt im schönen Mittelhessen. Mehr Informationen über Alexandras Arbeit findet ihr auf ihrer Website


Fotocredit: Beate Albrecht Fotografie.

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