In der letzten Ausgabe von „Frag Bent“ wurde die Frage gestellt, ob wir in der Akademischen Reitkunst die Pferde nach kriegerischem Vorbild aus dem 16. und 17 Jahrhundert ausbilden?
Leben wir im Jetzt oder in der Vergangenheit – für alle, die das Video lieber auf deutsch gesehen hätten, gibt es heute die Übersetzungshilfe:
Frage: Wenn ich mich mit der Akademischen Reitkunst beschäftige – bilde ich dann mein Pferd tatsächlich so aus, wie die Kriegspferde im 16. und 17. Jahrhundert ausgebildet wurden?
Bent Branderup: Tatsächlich nutzen oder beschäftigen wir uns mit der Technik, den Methoden der alten Meister, aber wir nutzen diese für die Ausbildung eines Pferdes in unserer aktuellen Zeit.
Bei einem Kriegspferd aus dieser vergangenen Zeit muss man zwei alten Schulen unterscheiden:
Es gibt hier die Kriegskunst „a la gineta“ und „a la brida“:
Bei „a la gineta“ steht der Reiter in den Steigbügeln und lehnt sich zum Gegner hin, um einen Treffer zu erzielen. Man verlängert somit seinen Arm. Für die Kraft des Schlages ist aber der Reiter mit seinem Arm verantwortlich.
Bei a la brida bringt man das Pferd in eine bestimme Position. Das Pferd muss also dem Schwerpunkt des Reiters folgen – gleichsam als wären Reiter und Pferd miteinander verschmolzen.
Viele Leute fragen, welche Schule hier die älter sei. Die Antwort: Die einfachere Schule ist die ältere. Denn für a la gineta brauchte der Reiter seine Steigbügel – wir wissen heute, dass der Steigbügel bei der byzantinischen Armee im fünften Jahrhundert nach Christus in Gebrauch war. Die Kampfkunst a la brida wurde aber bereits bei Xenophon im vierten Jahrhundert vor Christus beschrieben und somit lange vor Erfindung des Steigbügels.
Ohne Steigbügel und vor allem ohne Sattel brauchte der Reiter aber das Pferd ganz genau unter sich. In er Akademischen Reitkunst wollen wir genau diese Fähigkeit ausbilden, so dass das Pferd dem Körper des Reiters bzw. dessen Schwerpunkt folgt. Dies ist ein fantastisches Gefühl für die Reiter von heute.
Was können wir also heute von den Alten Meistern lernen? Wir leben schließlich in der Gegenwart und ich möchte ganz bewusst nicht in der Vergangenheit leben. Es gibt Menschen die an einem so genannten „Reenactment“ Freude haben und die Alten Meister kopieren, sie nachahmen und auch den Gebrauch von Waffen und Schwertern aus dieser Zeit imitieren. Die Fähigkeit ein tatsächliches Kriegspferd auszubilden brauchen wir aber heute nicht.
Selbst wenn wir an einen der besten Reiter aus dem Stierkampf denken – beispielsweise Pablo Hermoso de Mendoza mit seinem schönen Palominohengst Merlin – wenn man ihm zusieht, wie er sein Pferd wenden kann und wie er kämpft – dann ist das ja nur die Hälfte der Geschichte, denn er kämpft ja mit einem Bullen. Und einen Bullen kann man mit der gleichen Finte immer wieder täuschen. Das wäre mit einem ebenbürtigen Reiter nicht möglich. Selbst Stierkampfpferde auf diesem Niveau sind also nicht mit der Kriegskunst von einst zu vergleichen.
Wir können ja kaum so viele Jahre an Pferdeerfahrung nachahmen, um ein Pferd genau so auszubilden, wie es damals von Nöten war. Wir können experimentelle Archäologie betreiben, indem wir Dinge aus der Vergangenheit in die Gegenwart holen, die wir brauchen, aber wir leben eben im Jetzt und nicht im Damals.
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