Als Aspirin der Reitkunst wird das Schulterherein gerne seit Nuno Oliveira zitiert. Allerdings können Seitengänge vom Boden, oder vom Sattel aus erarbeitet, gerne zum reiterlichen Kopfzerbrechen führen.

Problemzone Kruppherein – oder wie man bei einem Lanzenstoß im Sattel bleibt.

Reitkunst ist manchmal schon etwas für Pragmatiker.

Besonders im Kruppeherein kommt die praktische Anwendung nicht zu kurz. Als die Menschen im Nahkampf noch zu Pferde saßen, war nicht nur das Sitzen wichtig – es wurde penibel darauf geachtet nach innen zu sitzen. Wenn die Reiter im Kruppeherein aufeinander zu galoppierten, kamen sie somit nicht nur näher an den Gegner heran, sie blieben auch sicherer im Sattel bei einer Lanzenattacke des Gegners.

Selten haben wir heute eine Lanze mitgeführt, wenn wir ins Gelände gehen. Dem gemütlichen Freizeitreiter reicht vielleicht schon ein Reh, das beim Bummeln im Wald zwischen den Bäumen hervorspringt. Pferde, die gelernt haben, immer zum Schwerpunkt hinzutreten, fangen ihren Reiter auf, wenn dieser mal das Gleichgewicht verliert und in „Wohnungsnot“ gerät. Das Pferd sammelt den Reiter – unter den Schwerpunkt tretend – wieder auf.

Abgesehen also von der Sache mit dem Schwerpunkt:

Welche positiven Eigenschaften hat Kruppeherein?

  • Durch das Kruppeherein werden die Hanken mehr gebogen und eine verbesserte Tragkraft der Hinterbeine – vor allem des äußeren Hinterbeins erzielt.
  • Kruppeherein mit einem korrekten Schulhterherein als Basis unterstützt Geraderichtung und hilft Schiefheiten auszugleichen.
  • Kruppeherein im Schritt und Trab hilft ein gerades Angaloppieren zu erarbeiten.
  • Kruppeherein aktiviert das äußere Hinterbein zum Tragen und macht die innere Schulter leichter.
  • Kruppeherein ist eine gute Vorbereitung für Pirouetten, Traversalen und Galoppwechsel.
  • Kruppeherein am Zirkel geritten verbessert die Versammlungsfähigkeit.
  • Das abwechselnde Reiten von Schulterherein und Kruppeherein verbessert die Durchlässigkeit und Losgelassenheit. 

Und was bereitet uns da noch Kopfzerbrechen?

  • Der Reiter sitzt zu stark nach außen
  • Der Reiter hat den inneren Zügel zu stark dran
  • Der Reiter dreht seine Schultern nach außen
  • Der Reiter führt beide Unterarme nach außen und verspannt sie dabei
  • Der Reiter treibt nur noch mit dem äußeren Schenkel
  • Der Reiter verspannt
  • Der Reiter konzentriert sich zu sehr auf seitwärts.

Der Reiter sitzt zu stark nach nach außen

Sitzt der Reiter zu stark nach außen und knickt dabei in der äußeren Hüfte ein, wird der innere Sitzknochen vom Pferd weggehoben. Dabei wollen wir ja weiterhin vom Pferd eine Biegung um den inneren Sitz haben. Wohin soll der Schwerpunkt also? Hier kommt die berüchtigte Statik ins Spiel. Möchte ich vorwärts reiten im Kruppeherein, dann verlagere ich den Schwerpunkt in Richtung innerer Schulter, also nach vorne innen, in Bewegungsrichtung. Wer im Kruppeherein versammeln möchte, der sollte seinen Schwerpunkt in Richtung der inneren Hüfte des Pferdes verlagern. Nur weil man sich auf das äußere Hinterbein konzentriert heißt es also nicht – volle Kraft nach außen.

Der Reiter hat den inneren Zügel zu stark dran

Die Hilfengebung im Kruppeherein sieht vor, dass eine sachte Einwirkung des inneren Zügels am Hals dazu führt, die innere Schulter zu verwahren. Wenn der Reiter mit dem inneren Zügel zu stark gegen den Hals presst und das Genick nicht mehr ausreichend gelöst wurde, wird das Pferd stark nach außen gedrückt. Es kommt zu einem Schenkelweichen nach außen. Ist der innere Zügel zu stark dran, wird das Pferd außerdem auf die äußere Schulter gedrückt. Dabei ist auch im Kruppeherein darauf zu achten, dass die äußere Schulter des Pferdes frei und leicht bleibt. Auch soll der innere Zügel das Pferd nicht zu stark stellen. Wer beispielsweise geradeaus an der langen Seite unterwegs ist, kann prüfen, ob die Stirn des Pferdes noch parallel zur kurzen Seite der Halle oder des Vierecks unterwegs ist oder ob das innere Pferdeohr höher scheint. In diesem Fall hätte sich das Pferd im Genick verworfen.

Der Reiter dreht seine äußere Schulter nach außen/ der Reiter dreht seine Unterarme nach außen und verspannt sich dabei.

Egal ob Schulterherein oder Kruppeherein – es gilt immer: Kopf parallel zu Kopf, Schultern parallel zu Schultern, Hüfte parallel zu Hüfte. Damit das Pferd im Kruppeherein nicht auf die äußere Schulter fällt, kann es schon ausreichen, sich in Erinnerung zu rufen, die äußere Schulter ein wenig nach vorne zu nehmen – die eigene Brustkorbrotation also im Überblick zu behalten. Die innere Schulter sollte dabei hinter die innere Reiterhüfte gebracht werden.

Der Reiter treibt mit dem äußeren Schenkel zu viel/ Der Reiter konzentriert sich zuviel auf Seitwärts

Wenn sich der Reiter zu sehr auf das äußere Hinterbein konzentriert, geht das innere Hinterbein oftmals verloren. Es tritt dann weit aus der Masse nach innen heraus und somit weit vom Schwerpunkt weg. Hier muss der innere Schenkel dafür sorgen, den inneren Hinterfuß zu verwahren. Auch wenn der Reiter mehr „Gewicht“ am inneren Zügel spürt, kann dies ein Zeichen für zuviel Seitwärts und ein Ausfallen des inneren Hinterbeins im Kruppeherein sein. Übermäßiges Treiben mit dem äußeren Bein kann aber auch dazu führen, dass das Pferd mit dem äußeren Hinterbein vom Schwerpunkt wegschiebt.

Der Reiter verspannt sich

Kaum denken wir an eine „Lektion“ geht die schöne Entspannung verloren. Wo noch gerade auf dem Zirkel entspannt das innere Hinterbein unter den Schwerpunkt geholt wurde, die Rotation des Brustkorbes vom Pferd schön fühlbar war – auf einmal – Kommando Kruppeherein und der gesamte Körper des Reiters verspannt. Durch den Fokus auf den äußeren Schenkel, die innere Zügelhilfe und die „Lektion“ an sich, verspannen zuerst der Reiter und in weiterer Folge natürlich das Pferd. Für die Kopfsache kann es wirklich hilfreich sein, den Inhalt zu reiten und eben nicht an die Lektion zu denken. Einfach mal anders formulieren kann da schon helfen: „Also einfach im Anschluss an die Konzentration auf das innere Hinterbein, nun das äußere Hinterbein zum Schwerpunkt zu holen“. Klappt das noch immer nicht, kann der Reiter vermehrt auf seine Atmung achten. Wie entspannt habe ich auf dem Zirkel durchgeatmet und wie verändert sich die Atmung dann im Kruppeherein. Wo sitzen nun Verspannungen?

Plötzlich wird das Hochziehen der Schultern, oder das übermäßige Stemmen des Unterschenkels in den inneren Steigbügel bewusst. Hier kann auch die Arbeit im Stehen hilfreich sein, um dem eigenen Körper Zeit zu geben in den Sitz zu spüren und Veränderungen wahrzunehmen, wenn der Sitz zum Kruppeherein auffordert. Auch Trockenübungen ohne Pferd können hier hilfreich sein. Wer einmal versucht, Kruppeherein geradeaus zu laufen, wird feststellen, wie er seinen eigenen Brustkorb bewegt und möglicherweise automatisch nach außen wendet.

Üben wir also auch mal unseren Sitz vom Boden aus – dann reiten wir später Einfach 🙂

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