Vier Tage mit Hanna Engström. Das bedeutet einen herzlichen Gruß an Leiste, Schambein und Sitzknochen und ein Feedback aus dem eigenen Körper – inklusive Wahrnehmung gewisser Körperstellen, die sich bislang chronisch verschwiegen zeigten.
Dass uns unser Körper und unsere Pferde einiges zu sagen haben, das erkundeten wir am ersten Tag einer viertägigen Tour mit Hanna. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Barockpferdehof Schoderlee, wo wir uns darin schulten vorbehaltlos zu lauschen.
Mit dem Körper zuhören
Was passiert unter uns? Wie bewegt sich unser Pferd? Kann ich die gesamte Wirbelsäule des Pferdes spüren, liegen Teile der Wirbelsäule im Dunkeln oder spüre ich alles gut? Wie ist die Balance wahrnehmbar? Wie ist die Balance zwischen den Schultern verteilt? Kann man als Reiter genau feststellen, auf welcher Schulter mehr Kilo Belastung liegen? Können wir richtig tippen, wo die Zehenspitzen der Vorder- und Hinterbeine auf dem Zirkel hinzeigen, wenn sie in den Sand fußen? Wo schaut das Pferd hin? Nach innen oder nach außen? Wie fühlt sich die Bewegung aus den Hüften an? Rund oder eckig? Mehr nach oben oder nach unten? Mehr nach vorne oder zurück?
Zunächst ging es einmal darum, vorbehaltlos zu fühlen. Wir Reiter haben ja quasi die Berufskrankheit sofort und immer auf das Pferd einwirken zu wollen, bevor wir überhaupt erkundet haben, was wir beeinflussen möchten.
Oft steigen wir aufs Pferd und legen gedankenlos voller Eifer los mit Korrekturen, die möglicherweise gar nicht notwendig wären, wenn wir mit unserem eigenen Körper achtsamer umgegangen wären. In den meisten Fällen sitzt der „Fehler“ im Sattel – nicht nur weil er etwas verursacht, sondern weil wir auch unsere eigene Schiefe und Verspanntheit in den Sattel mitnehmen.
Wenn wir auf unser Pferd hören, dann hören wir auch zwischen den Zeilen Vorschläge. Das Pferd kann uns auch Informationen über unsere Schiefe geben, Informationen, wo im eigenen Körper etwas klemmt und nicht rund läuft. Hier könnten wir durch unsere Atmung einladen, gemeinsam doch etwas mehr in einen bestimmten Körperteil zu atmen. Unser Pferd ist unser bester Coach wenn es darum geht, die Formgebung von Mensch und Pferd zu verbessern.
Manchmal sitzen wir auch tatsächlich schief – dann kann es hilfreich sein, genau zu beobachten, in welche Richtung der Sattel driftet und uns ganz bewusst gerade zu richten. Auch auf einer Zirkellinie. Ein weiterer Tipp von Hanna, der in den vier Tagen mit ihr immer wieder Erwähnung fand: Sitze ruhig auf drei Punkten zwischen Schambein und beiden Sitzknochen.
Die Sache mit dem Schambein und der Leiste
Unser Schambein kann so unfassbar viel – es kann unser Pferd tatsächlich zur Mitarbeit aufrufen, wenn der neugierige Jungspund lieber mal aus dem Klassenzimmer schaut. Es kann das Pferd dazu einladen, sich im Widerrist zu heben. Und vom Schambein aus gehts weiter zur menschlichen Leiste. Auch so ein Wunderwerk der Biomechanik – die Leiste macht doch glatt Pferdeschultern leichter und unterstreicht wichtige Mitteilungen in Punkto Stellung und Biegung.
Mit Conversano Basilika habe ich erstmals Übergänge nur aus der Leiste geritten. Anhalten, wenn das innere Vorderbein gebeugt und gehoben ist und im Stand die innere Schulter mit Hilfe der Leiste leichter machen und so zur Bewegung einladen. Das Wunderwerk der „Leiste“ hatte ich auch bereits bei der Arbeit mit der Garrocha bei Hanna auf Gotland im Dezember 2018 kennen gelernt.
Was ist schon Zeit?
Sich wirklich Zeit zu nehmen und in den eigenen Körper zu spüren. Hanna war immer mit großer Geduld bei der Sache. Im Sattel fühlt sich das Hinspüren und Hinhören für viele Reiter an wie eine Ewigkeit – großartige Veränderungen passieren jedoch in Sekundenschnelle. Da reicht es die eigene Wirbelsäule mit der Wirbelsäule des Pferdes gedanklich zu verbinden und schon gibt das Pferd ein zufriedenes Feedback, leckt seine Lippen und findet wie von Zauberhand in die korrekte Biegung.
Die Köpfe rauchten und einmal mehr bin ich von Hannas schneller und treffsicherer Analyse für Mensch und Pferd begeistert.
Sitzen wie eine Prinzessin
Am zweiten Kurstag waren wir im Equimotion bei Sandberg/ Mannersdorf in Niederösterreich. Zuerst wurden die Reiter in Punkto Achtsamkeit aufgewärmt – im Zentrum war dabei unser eigener Körperschwerpunkt.
Den Schwerpunkt bzw. die Ruhe zu finden, das war dann in den Praxiseinheiten wichtiger Bestandteil. Immer wieder brachte Hanna quasi Ruhe in den Sattel. Die Pferde gaben sofort zufriedenes Feedback – Reiter und Pferd fanden Harmonie und Stabilität.
Einige Reiter hatten den Wunsch auch auf einem flotten Pferd sitzen bleiben zu können. Hanna erinnerte immer wieder an den Drei Punkte Sitz, an die Plattform zwischen Schambein und Sitzbeinknochen, die auch bei höherem Tempo nicht verloren gehen soll. Den einen half das Bild vom sich ausbreitenden Keksteig, den anderen wiederum die Verbindung zum Pferd über das Schambein und anschließend über die Sitzknochen zu suchen und zu behalten. Zur natürlichen Schiefe fiel auf, dass die meisten Pferde auf der rechten Hand deutlich größere Probleme hatten, den Sattel mittig auf dem Rücken platziert zu behalten.
Sitzen wie eine Prinzessin – das war vor allem beim Thema Versammlung das Motto. Nicht immer ist der Wunsch nach mehr Aktivität aus der Hinterhand der Weisheit letzter Schluss. Die Hinterhand soll versammeln, die Schultern frei und leicht werden. Was aber, wenn die Schultern blockieren? Mit Hannas Hilfe gelang es Teilnehmerin Katharina sowohl vom Boden, als auch vom Sattel aus den Fokus mehr auf eine Unterstützung der Schulterfreiheit aus dem Sitz heraus zu lenken.
Wer in der Versammlung quasi mehr Aufwand betreibt als sein Pferd – der hat schon verloren.
Angst vor der Geschwindigkeit
Viele Reiter kennen dieses Thema. Die Angst vor einem höheren Tempo lässt uns im Sattel verspannen. Hanna rät in solch einem Fall das Gefühl mal einfach so zu nehmen wie es ist.
Es braucht einfach Zeit und den meisten Druck macht man sich ja häufig selbst. Gerade wenn man sich unsicher auf einem Pferd fühlt, kann der tägliche Bewegungscheck – die Analyse, was der Reiter, wie erfühlt immens unterstützen.
„Macht der Körper einen Vorschlag, in welches Körperteil man genau seinen Atem schicken kann? Dann atme genau dort hin“
Hanna Engström
Hanna regt an, die Bilder von Eleganz und Bequemlichkeit gleichzeitig parat zu halten.
Dieses Bild konnten wir auch am Wochenende am Kurs in Graz für die Arbeit mit den Nachwuchspferden gut gebrauchen. Vor allem, da wir unsere jungen Pferde häufig vor einer Überbelastung schützen möchten, sitzen wir nicht ordentlich im Sattel. Wir nehmen nicht richtig Platz. Die Folge: Ein übertriebenes Lehnen nach vorne belastet die Vorhand und Schultern noch mehr. Hanna zeigte den aktiven Teilnehmern, wie sie nach und nach aus einem leichteren Sitz deutlich mehr auf die Sitzknochen kommen konnten. Das Wichtigste ist jedoch: Tu nicht zuviel im Sattel. Je ruhiger wir im Sattel auf unserem Dreieck zwischen Schambein und Sitzknochen bleiben, umso zufriedener ist unser Pferd.
Das Thema Schulterbelastung blieb quasi präsent – jeder Reiter sollte immer wieder angeben, welche Pferdeschulter mehr Gewicht zu tragen hatte – und Hanna fragte hier auch exakt nach einer gefühlsmässigen Kiloangabe. Zu Beginn mögen diese Detailfragen zwar überraschen – aber es zeigte sich immer wieder – die bloße Auseinandersetzung und Achtsamkeit mit kleinen Details verbesserte den Bewegungsablauf von Pferd und/oder Reiter erheblich.
Bewegung – marsch
Nach zwei Tagen im Auto und den noch frischen Märztemperaturen waren wir Samstag früh auch sehr froh über die Theorieeinheit, die Hanna am Horse Resort am Sonnenhof in der Steiermark recht praktisch ausfallen lies. Jeder Teilnehmer konnte sich bewegen, dabei war es wichtig, ob wir individuell ein schnelles oder langsameres Tempo vorzogen. Schnell zeigte sich – nicht immer ist die ursprüngliche Wahl tatsächlich für uns geeignet. Einige von uns marschierten also rasch, andere wiederum eher langsam. Hanna fügte nach und nach verschiedene Bewegungsvorschläge hinzu. So kann jeder auch mal ausprobieren, wie es ist, wenn wir in schneller oder langsamer Bewegung auch unsere Arme diagonal vorwärts – oder auch mal rückwärts kreisen lassen. Wie sich unsere Balance verschiebt, wenn wir den Schwerpunkt tiefer oder höher nehmen. Wir haben natürlich auch ausprobiert, wie es ist, wenn wir uns einrollen und wie der Glöckner von Notre Dame unterwegs sind – oder wie es sich anfühlt, wenn wir unsere Arme ausbreiten, unser Brustbein heben und uns richtig nach oben strecken. Wie fühlt sich Balance dann an? Wie sicher sind unsere Bewegungen und welches Bewegungsmuster gefällt uns tatsächlich besonders gut?
Es ist eine herrliche Sache Bewegungen auszuprobieren und zu testen, wie sich kleine Änderungen im eigenen Körper anfühlen.
Wie geht es wohl unseren Pferden?
Eine große Anregung von Hanna ist dabei sich tatsächlich Zeit zu nehmen, alles zu observieren und zu erfühlen. Nicht immer müssen wir sofort eingreifen – nicht immer können wir auch alle Punkte sofort korrigieren.
Gab es Schmerzpunkte beim Reiten, dann lies Hanna den Schmerz zuerst in der Bewegung ohne Pferd genau erkunden, später gab es dann die richtigen Übungen vom Sattel aus. Und siehe da – mit ein paar Übungen konnten die Schmerzpunkte verbessert, wenn nicht sogar aufgehoben werden. Besonders freue ich mich über die Teilnahme meines Vaters am Kurs. Nach einer Sehnenverletzung an der Schulter inklusive Operation war der Weg zurück in den Sattel kein leichter – die Übungen von und mit Hanna haben erneut geholfen Achtsamkeit und Körperbewusstsein zu stärken – und was mich besonders freut – unsere „Pina“, als vierbeiniger Begleiter nimmt die Verantwortung für ihren Reiter besonders gern war und hilft auch durch ihr Feedback mit, dass sich beide wohl fühlen in der Bewegung.
Neben den Jungpferden gab es auch besondere Bewegungskonzepte am Kurs. So kann es sein, dass unsere Pferde sehr schmal, wie eine Ballerina zum Schwerpunkt treten oder auch sehr breit. In beiden Fällen haben sowohl Bodenarbeit als auch kreative Arbeit den Pferden geholfen sich besser in ihrem Körper zu koordinieren. Das kann sogar schon über Gedanken erfolgen. Dass es manchmal tatsächlich reicht, das Pferd zu einer Bewegung einzuladen zeigten Austria und Tabby. Austria konnte in der Bodenarbeit erfühlen, wie schön es ist mit der Hinterhand in die Spur der Vorhand zu fußen – meine Tabby versuchte sich an der Garrocha und konnte es manchmal kaum selbst glauben, dass sie ihre Füße auf einem kleinen Zirkel trotzdem gut sortieren kann.
Sortieren war auch das Stichwort, wenn unsere Pferde mit zu viel Kraft unterwegs waren. Hanna wollte hier in der Arbeit den Pferden auch mehr Bewusstsein geben, wie sie ihren Körper einsetzen, wie Bewegung stattfindet. Diese Idee werde ich in Punkto Versammlung bei meiner Stute Tabby weiter nutzen können. Aber auch für Isländer Sleipnir war das Spiel mit kleineren, sortierten und größeren, raumgreifenden Tritten eine große Hilfe auf dem Weg zur Versammlung.
Unseren Pferden und uns selbst Mut zu machen – das ist überhaupt ein wichtiges Thema. So wertschätze ich Hannas Einstellung bezüglich Problemdenken sehr. Wer ständig an das Defizit seines Pferdes denkt, der hat quasi ein Handicap. Man kommt nicht voran und wird eher gehemmt. Denken wir lieber an das Gute, an das, was wir schon geschafft haben und wälzen nicht jedes Defizit als großes Problem. Man muss die Dinge einfach nehmen wie sie sind. Dann reiten wir quasi Einfach 😉
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