Nicht in einzelnen Buchstaben sollen wir sprechen – sondern in ganzen Sätzen. Mit diesem Vergleich forderte der lizensierte Bent Branderup Trainer Marius Schneider einen starken Fokus auf die Basisarbeit.

Ein Kursbericht aus Simbach am Inn

Vergangenes Wochenende lud Petra Grünleitner zum Kurs mit Marius Schneider in Simbach am Inn. Marius verpackte die Theorie geschickt in die Praxiseinheiten, wobei er sehr viel Wert auf Exaktheit, feine Kommunikation, Achtsamkeit und einen logischen Aufbau der Trainingseinheiten legte.

Für einige Pferde war die Kurssituation etwas ganz Neues. Daher betonte Marius:

„Die Hilfen müssen verständlich sein, sonst kann man sich nicht zu helfen wissen“.

Und: Auch auf die Schulung des Gefühls kommt es an, denn:

„Nicht immer ist es das schiebende Hinterbein, das einzig und alleine für Probleme oder ein Gewicht in der Hand sorgt. Auch andere Probleme können Ursache sein. Betreibt gründliche Ursachenforschung“.

In den ersten Einheiten wurde ausschließlich am Boden gearbeitet. Erst wenn sich die Pferde gut und konzentriert führen ließen und auch der Mensch sein Tempo im Rückwärts gehen gefunden hatte, wurde damit begonnen die einzelnen Hinterbeine anzusprechen – oder wie es Marius ausdrückte – zu kanalisieren.

„Der richtige Grad an Stellung macht das Leben einfach. Daher müsst ihr schon vor dem Start in ein Kruppeherein Wert auf eine korrekte Stellung legen, sonst geht der Seitengang schief“.

Vor Stellung und Biegung kommt aber die Basisarbeit und die Fokusarbeit, die mit einigen Jungpferden am Kurs sehr schön zu beobachten waren. Hier geht es um die Schulung der korrekten Distanz (beispielsweise für die spätere Longenarbeit), um die Mobilisierung der Schultern aus Distanz, sowie um den Fokus – also die Konzentration und Aufmerksamkeit des Pferdes zu erreichen. Dass die Youngsters mal gerne aus der Halle schauten, kann ich gut nachvollziehen – aus der Halle hat man schließlich einen herrlichen Blick auf die Koppel. Marius‘ Tipps und Übungen, um das Pferd immer wieder auf seinen Menschen aufmerksam zu machen, ließen sich trotz des „Kinos“ sofort in der Praxis umsetzen. Dabei durfte das Pferd zwar mal nach draußen gucken, aber es wurde korrigiert, wenn es seinen „Arbeitsplatz“ verlassen wollte. Aus dem ruhigen, aber noch immer nicht fokussierten Stehen, wurde dann begonnen mit dem Kopf des Pferdes zu arbeiten. Abwechselnd wurde der Hals einmal nach links, einmal nach rechts gewendet – mit dem Ziel sofort bei einer Drehung des Schädels nachzulassen. Das Resultat – nach einigen sanften Handgriffen mit viel Ruhe und einem unterstützenden „Genau“ von Marius ließ sich das Pferd fallen und in aller Ruhe zum Nachgeben und einer schönen ersten Stellung überreden.

ABC Konzept versus Lektionen Konzept

Marius schärfte seinen Schülern ein, nicht nur einzelne Lektionen zu lernen, sondern mit Buchstaben zu arbeiten. Denn nur, wer alle Buchstaben verstehe, könne später ganze Sätze und sinnvolle Satzkonstruktionen bilden. Ebenso ist es mit der Basis der Sekundären Hilfen zu verstehen. Und ein wichtiger Zusatz: kein Konzept ohne Gefühl. Marius ging hier sehr detailgenau auf alle Schüler-Paare ein. Auch wenn es physische Probleme gab, wurde genau erforscht, ob beispielsweise einer verspannten Zunge ein mentales oder physisches Problem zu Grunde lag.

Balance

Marius Schneider Kurs

Marius und Petra mit Petras Berber Nachwuchs 

Eines der wichtigsten Grundpfeiler der Akademischen Reitkunst kam in Theorie und Praxis ebenso nicht zu kurz. Die Praxisteilnehmer sollten ihre Balance zuerst in ihrem eigenen Körper bei der Bodenarbeit finden. Weiter ging es mit horizontaler und lateraler Balance der Pferde. Und schließlich wurde an der Balance auch vom Sattel aus gefeilt. Dabei hatte der lizensierte Bent Branderup Trainer ein gutes Händchen „Handfehler“ in konstruktiver Kritik aufzudecken und zu korrigieren. Reiter, die ihre Hände sehr hoch tragen würden, würden die Hand gerne als Balancierstange verwenden – der Grund liege auch in der alltäglichen Handlastigkeit von uns Menschen begraben.  Mentales Ungleichgewicht entsteht aber auch, wenn wir Menschen undeutlich werden. Dies zeigte sich vor allem in der Arbeit an Distanz. Marius mahnte die Teilnehmer deutlich zu bleiben. Wer eindeutige Botschaften aussendet, beendet die Selbstzweifel seines Pferdes. Ein Pferd, das immer gerne beim Longieren vom Zirkel nach innen fiel, wurde mit einer etwas bestimmteren und bewussteren Körperhaltung korrigiert – und zwar mit positivem Nebeneffekt – auch das Vorwärts am Zirkel wurde flüssiger und immer besser.

Fass dich kurz und komm auf den Punkt

40 Meter Schulschritt helfen nichts, wenn das falsche Bein geschult wird. Daher mahnte Marius alle Teilnehmer, immer wieder in ihrer Arbeit mit klarem Konzept auf den Punkt zu kommen, viele Variationen einzubauen und gerne auch immer wieder im Stehen Korrekturen vorzunehmen, damit der Übergang in die nächste Übung besser gelingt.

Die lösende Arbeit stand hier auch ganz klar im Vordergrund.

Auf den Punkt kommen wir mit unserem eigenen Körper nicht immer. Neben der bewussten Sprache, macht uns Körpersprache, die ganz unbewusst passiert, die größten Probleme. Marius lud zur Selbstreflexion ein. Welche Position ist natürlich? Treibend? Verwahrend? Einladend? Wir Menschen müssten lernen, welche Botschaft am klarsten aus uns sprudelt und welche großen und kleinen Signale wir aussenden. Wir Zweibeiner kommunizieren hauptsächlich über Makrosignale – die meisten Fehler passieren auch  deshalb, weil das Pferd Mikrosignale, also ganz kleine Botschaften ebenso verstehen kann – und die passieren oftmals ganz unbeabsichtigt.

Von der Basisarbeit bis zur Handarbeit von innen und außen geführt gab es viel spannenden Input am Vormittag.

Am Nachmittag sattelten die meisten Teilnehmer ihre Pferde. Dabei legte Marius großen Wert auf die Qualität im Schritt. Wenn die Pferde lang oder kurz fußen, können sie nicht nachgeben – um das Pferd leichtführig zu machen, wurde also an Balance und Geschmeidigkeit vom Sattel aus gearbeitet.

Die Reiterhand übernimmt dabei eine wichtige Aufgabe, denn sie muss auch hier Botschaften entschlüsseln, die der Reiter von seinem Pferd bekommt.

Wurde am Morgen also vorwiegend an den sekundären Hilfen gearbeitet, legte Marius am Nachmittag den Fokus stark auf den Reiter und dessen Schulung. Vorausschauende Hilfengebung und Vorausschauendes Reiten standen hier im Mittelpunkt. Viele Tipps für ein feines Reiterhändchen gab es auch am Nachmittag. Marius analysierte auch hier bis ins Detail: Wo sind die Ohren des Pferdes? Wie ist der Ausdruck? Fließt die Bewegung? Oder neigen wir erneut zur Überkorrektur mit der Hand? Mit entspannten Reitern und Pferden konnten nun auch vom Sattel aus gezielt die einzelnen Hinterbeine angesprochen werden. Lektionen wurden nur dann angesprochen, wenn die Basis, also Balance und vor allem Losgelassenheit stimmten. Sehr sachte wurden die Anforderungen gesteigert – um immer wieder zur Entspanntheit zurück zu kommen. Unter Marius fachkundiger Anleitung gab es genug Zeit zu spüren und zu reagieren.

Ich bedanke mich bei Petra Grünleitner für die schönen Stunden in Simbach.

Vielen Dank an Marius noch einmal für den schönen und entspannten Samstag!

Arbeiten wir an der Basis und lernen wir Buchstaben für Buchstaben, dann sprechen, nein, reiten wir später Einfach. 🙂

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Fotocredit: Niels Stappenbeck