Über die Arbeit an der Longe lassen sich zahlreiche Bücher füllen. Longieren hat Tradition, es ist und war schon immer in Mode. 

Was schrieben die Alten Meister über das Longieren?

„Für die gemeinsame Erarbeitung der Kommunikation sind Kappzaum, Longe und Peitsche die ersten und einzigen Hilfsmittel, die man auf einem ebenen Platz benutzen darf, um jungen Pferden, die noch nicht geritten werden, die Grundlagen beizubringen“.

François Robichon de la Guérinière

Die Alten Meister empfahlen bei der Arbeit an der Longe häufig auch die Unterstützung im Team:

„Eine Person hält die Longe, die andere die Peitsche. Derjenige, der die Longe festhält, muss im Mittelpunkt des Kreises stehen, auf dem er das Pferd schließlich traben lässt. Der Peitschenführer folgt dem Pferd von hinten und treibt es durch leichte Schläge auf die Kruppe – besser aber auf den Boden – vorwärts. Ist ein Pferd drei- bis viermal auf einer Hand herumgelaufen und gehorsam gewesen, so lässt man es anhalten und lobt es. Nachdem man es hat verschnaufen lassen, lässt man es auf der anderen Hand traben und verfährt genauso.“

François Robichon de la Guérinière 
Trakehner beim Longieren
Der gemeinsame Tanz mit Tarabaya. Verständnis und Kommunikation helfen auch in schweren Zeiten, wie einer Rehaphase. Tabby leidet an einem Knochenmarksödem am Fesselgelenk, versammelnde Arbeit an der Longe halten die Hinterbeine geschmeidig, ohne dass Tabby die Körpermasse stark über das erkrankte Vorderbein schieben muss.

Guérinière wählte gerne den Trab, den er als „Grundlage aller Übungen, um ein Pferd gewandt und gehorsam zu  machen“ bezeichnete. 

„Dabei wird der Körper des Pferdes im Gleichgewicht gehalten, da zwei Beine in der Luft sich beugen, zwei Beine währenddessen auf dem Boden ruhen und damit den Körper stützen. Dadurch bekommen die Beine in der Luft Leichtigkeit und somit ergibt sich der erste Grad von Biegsamkeit in allen Teilen des Körpers.“

Gustav Steinbrecht wusste um die Schwierigkeiten in Punkto Balance. Er sah voraus, dass das junge Pferd…

„…noch an keine Biegung seines Körpers gewöhnt, wird es stets das Bestreben haben, in gerader Linie den Zirkel zu verlassen und daher bald nach innen, bald nach außen abweichen. Diesem Betreben muss die übereinstimmende Arbeit von Longe und Peitsche in ruhiger Weise entgegen wirken, bis es gelernt hat, sichere Anlehnung an der Leine zu nehmen und deren Führung Folge zu leisten.“

Auch Steinbrecht hat hier die Arbeit im Team im „Gymnasium des Pferdes“ erwähnt. 

Longieren im Team

Auch heute longieren wir im Team, allerdings wird Bodenpersonal nicht mehr benötigt. Die Anfang macht immer in der Pferdeausbildung die Beziehung. Wenn wir eine Beziehung zu unserem Pferd herstellen, dann wissen wir über seine Eigenheiten bescheid – auch das Pferd lernt uns kennen. Wir lernen einander zu lesen – und ganz wichtig: Wir lernen uns selbst als Pädagogen unseres Pferdes kennen. Ein guter Pädagoge kennt seinen Schüler, weiß um die Anzahl an Wiederholungen oder die Dauer der Übungseinheit, die dem Schüler bekommt bescheid. 

Lipizzaner aus Piber spiegelt Körpersprache
Amena spiegelt Körpersprache trotz seiner Jugend hervorragend. Trotz? Vermutlich sogar deswegen. Die Aufzucht der Lipizzaner aus Piber in einer großen Herde macht die Ausbildung in Punkto Kommunikation zum Genuss.

Es geht also um Teamwork zwischen Mensch und Pferd, das Fundament dafür ist die Beziehung. Wenn wir dann eine gemeinsame Kommunikation entwickeln, ist die Bodenarbeit unser wichtigster Verbündeter. 

Was der Mensch am Boden lernt…

Wer kennt das Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“. Ist das so? Trifft dies auch auf Reiter zu, die sich noch nie mit Bodenarbeit beschäftigt haben? 

Ich sage: Nein. Man lernt ja nie aus – und es ist niemals zu spät etwas dazu zu lernen. Es lohnt sich jedoch abzusteigen (oder auf ein junges Pferd noch länger nicht aufzusteigen), um gemeinsam mit dem Pferd eine Sprache zu entwickeln. 

Longieren und die Basis: Formgebung

Formgebung ist das A und O der Reiterei. „Gerade“ wenn wir uns auf einer gebogenen Linie befinden. Der Zirkel bereitet mit mathematischen Formeln des Kreises bereits in der Schulausbildung Kopfzerbrechen, für den Reiter ist der Zirkel eine pädagogische Herausforderung. 

Für das Pferd ist die zirkuläre Linie nichts Natürliches. Pferde bewegt sich nicht in Kreisen, schon gar nicht mit einer Belastung auf dem Rücken, daher müssen wir dem Pferd beibringen, wie es sich formen soll. Die Formgebung der Oberlinie sieht eine Dehnungsbereitschaft von den Ohren bis zum Schweif vor. Dehnung impliziert die Möglichkeit eine Stellung am Genick zu geben. Pflanzt sich die Stellung am Genick durch die gesamte Wirbelreihe in eine Biegung fort, dann lässt sich das Pferd biegen und folgt der vorgegebenen Kreislinie. 

Aber wie erreichen wir diese Formgebung? 

Zu Beginn arbeiten wir am Boden mit dem Kappzaum. Der erste Schritt ist die Kommunikation zwischen Reiterhand und Pferdenase. Wir stellen dem Pferd die Handeinwirkung am Kappzaum vor und legen einen wichtigen „Knigge“ fest: die Reiterhand ist IMMER nachgiebig. Sie darf niemals zwingen. 

Dergestalt würden wir das Pferd aber von vorne aufzäumen (was beim Zäumen zwar richtig ist), jedoch heißt es in der Reitersprache ja immer – von hinten nach vorne reiten. Dementsprechend verläuft Ausbildung ja auch über die Hinterhand. 

Hat das Pferd verstanden, wie es im Stand auf die Hand des Menschen reagieren könnte, lässt es sich ein wenig stellen, dann ist es Zeit die Sekundarhilfe Gerte hinzuzufügen. 

Aus dem Schulhalt in den Galopp
Conversano Aquileia: Aus dem Schulhalt in den Galopp. Was für ein Feuerwerk an Energie

Longieren mit dem verlängerten Arm

Die Sekundarhilfe Gerte wird zum verlängerten Arm. Die zeigende und berührende Gerte kann dem Pferd den inneren und äußeren Zügel, den inneren und äußeren Schenkel erläutern. 

So versteht das Pferd, dass es sich um den inneren Schenkel biegen soll, es versteht, wann der Schenkel Vorgriff der Hinterhand abfragt, es lernt den Hinterfuß an einer speziellen Stelle unter dem Bauch abzusetzen. Die gleichen Informationen lernt es, mit dem äußeren Hinterfuß umzusestzen. 

In der Bodenarbeit erarbeiten wir also eine Hilfengebung. So ist in relativ kurzer Zeit möglich, dass Mensch UND Pferd eine gemeinsame Sprache entwickeln, die zeigende Gerte, lösende Hand und ganz wichtig: Körpersprache als Signale verstehen und Freude an der gemeinsamen Umsetzung haben. 

Gelingt so beispielsweise das erste Travers an der Hand, dann freut sich nicht nur der (lernende) Ausbilder, sondern auch das Pferd. Wenn Mensch und Pferd an ihren Fähigkeiten wachsen und sich gemeinsam freuen, dann bedeutet dies nicht nur das Erreichen eines Meilensteins in der Ausbildung sondern ganz wichtig: Bestens verbrachte Zeit miteinander. Um mehr geht es doch nicht, oder? 

Longieren – der große Unterschied zu den Alten Meistern? 

Guérinière longierte gerne im Team, ebenso Steinbrecht schreibt davon. Pluvinel arbeitet das Pferd nach gründlicher Vorbereitung zunächst um den Einzelpilaren. 

Und auch bei Waldemar Seunig („Von der Koppel zur Kapriole“) oder Alois Podhajsky („Die klassische Reitkunst“) wird immer wieder die Arbeit zweier Ausbilder empfohlen. Einer führt die Longe, einer die Longierpeitsche, um das Pferd vorwärts zu treiben. 

Unfassbar viele Ratschläge der Alten Meister sind für die heutige Pferdeausbildung unverzichtbar. Ausbildung ist jedoch nichts statisches, es ist dynamsich, es lebt. Die Pferde geben immer Feedback. 


Der Zauber liegt im Detail und so bin ich persönlich immer sehr verzaubert, wenn Pferd und Mensch jedes kleine Puzzlestück der Kommunikation in der Bodenarbeit lernen und später ganz einfach in der Longenarbeit übertragen können. 

Longieren kann so einfach sein – wenn die Basis stimmt. Dann brauchen wir kein Longieren im Team – unser „Team“ ist ein Orchester an Hilfen, die Violinen, die über einen inneren Schenkel zur gebenden Hand hin abwärts lösen, die Trompeten, die von hinten für die notwendige Energie sorgen, die Hinterhand vorwärts dirigieren, die Harfen, die eine entspannte Oberlinie möglich machen. Oh ja – mit der notwendigen Energie im eigenen Körper und der feinfühligen Führung des Taktstocks, kann man ganz leicht zum Dirigenten werden und gemeinsam mit tanzen. 

Longieren und die Macht der Spiegelung

Bleiben wir bei der Musik – es gibt bestimmte Gesetzmässigkeiten. Die Note „a“ bleibt immer die Note „a“. Wenn das Pferd die Sekundarhilfen für Zügel- und Schenkelhilfen versteht, wenn es sich vorwärts abwärts und vorwärts aufwärts formen lässt, dann ist die Zeit reif für den gemeinsamen Tanz, sich ausprobieren, Energie vorwärts, Energie aufwärts…

Im folgenden Video seht ihr unseren Lipizzaner Maestoso Amena bei seinen ersten Spiegelungen. Wir haben Spaß und Freude am gemeinsamen Tanz. Ganz wichtig ist mir, dass sich die Pferde ausprobieren, auch selbst Vorschläge machen können – so nehme ich auch den Vorschlag an, wenn das Pferd wieder etwas mehr vorwärts möchte. Das gegenseitige Zuhören fördert die Achtsamkeit und die Vertrautheit. 

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Eines Tages beim Ausmisten der Box trippelte ich mit kurzen Schritten in der Box herum. Ich glaube ich habe auch Musik gehört, Amena jedenfalls tat es mir gleich und überraschte mich mit einer Idee von Schulschritt. Es ist unfassbar schön, wenn Pferde unsere Ideen aufgreifen und so zeigen: Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich möchte mit dir etwas unternehmen“. 

Longieren zum Weiterlesen und Mitmachen!